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Für die einen Randale, für die anderen ein Ausflug ins Tal der Ahnungslosen

Freital hat kein Naziproblem, nur die Linken stören die idyllische Kleinstadtgemeinschaft, da sind sich alle einig: der OB Mättig, der Stadtrat, die Bürger_innen, die Polizei und sogar die lokale Presse, deren Aufgabe eigentlich eine kritische, oder wenigstens differenzierte Berichterstattung sein sollte. Am Donnerstag, dem 08.09.05, besuchte eine Gruppe Antifaschist_innen das Freitaler Rathaus, um in der ersten Stadtratssitzung nach dem Übergriff auf das Übergangswohnheim für Spätaussiedler_innen, diesen, sowie die in diesem Kontext an den Tag gelegte Ignoranz eines generellen Naziproblems in Freital, zu thematisieren.

Der Übergriff, bei dem mehrere Personen verletzt wurden, fand in der Nacht vom 12. zum 13. August 2005 statt. Gegen Mitternacht tauchte eine Gruppe von ca. 20 Nazis vor dem Wohnheim auf, pöbelte die Jugendlichen an, die sich davor aufhielten und schubste sie herum. Einige Zeit später waren, laut Zeugenaussagen, erneut herkommender Lärm von marschierenden Schritten und gegrölte Sprechchöre wie "russische Schweine" zu hören. Von allen Seiten kamen 2 Dutzend, mit Sturmhauben und Kapuzen vermummte Nazis, bewaffnet mit Stöcken, Steinen, Spaten, Feuerwerkskörpern und Bierflaschen. Die 5 Jugendlichen, die sich vor dem Haus befanden, wurden Ziel von Tritten und Schlägen, bis es ihnen gelang das Gebäude zu erreichen und sich darin zu verbarrikadieren.

Daraufhin begannen die Nazis Steine in die Scheiben zu werfen, sowie die Tür und den Briefkasten zu demolieren. Glücklicherweise gelang es ihnen nicht, ins Innere des Wohnheims vorzudringen. Die von den Bewohner/innen alarmierte Polizei erschien überraschend schnell. Dem, von den Sirenen, gewarnten Nazimob gelang es jedoch, zur zu diesem Zeitpunkt stattfindenden "2. Freitaler Biermeile" zurückzukehren, wo sich die Angreifer auch vorher gesammelt hatten, und scheinbar spurlos zu verschwinden.

CDU-Oberbürgermeister Mättig zweifelt den rassistischen Hintergrund des Überfalls an. Auch Oberstaatsanwalt Jürgen Schär schätzt die Gewaltaktionen nicht als "typisch rechtsextremistisch oder fremdenfeindlich" ein, obwohl die Angreifer Parolen wie "Russenschweine" brüllten. Und Anwohner/innen vermuten, dass "die Russen" sich ja auch "untereinander gekloppt haben" könnten (Säch.Z. vom 15.August 05). Im Rathaus wird beteuert: "Freital hat keine rechtsextreme Szene".

Vieles weist darauf hin, dass der Übergriff von der Gruppe um die beiden in Freital wohnhaften Nazis, Jarno Ebert, Besitzer des "Outrage" in Dresden-Löbtau, und Sten Hannewald, ausging. Dieser Zusammenhang präsentierte sich auf einem Foto bis kurz nach dem Übergriff auf der Internetseite "Leberschaden.com".

Auch eine Kameradschaft namens "Freie Kräfte Freital" agiert seit längerem im Stadtgebiet. Die beiden Montagsdemos im August 2004 wurden von NDP, REP und freien Kräften dominiert. Eine Woche später konnten 36 Nazis völlig unbehelligt mit einem Transpi durch Freital laufen und Flyer verteilen.

Auch dass Thomas Jäckel, der für die REP im Stadtrat sitzt, ganz offiziell die NPD unterstützt, fällt im Stadtrat völlig unter den Tisch. Statt dessen wird ihm von Oberbürgermeister Klaus Mättig bescheinigt, dass er keinen Ärger mache, seine Parteipolitik draussen lasse und wohngebietsbezogen arbeite. Die Verbundenheit zwischen Jäckel und Mättig zeigte sich auch am 27. November 2004, als beide gemeinsam zum Volkstrauertag in Freital Kränze am Gedenkstein "für die Opfer von Krieg, Flucht und Vertreibung" ablegten. Ebenfalls dabei: der jetzige Vorsitzende der NPD-Weisseritzkreis und Landtagsmitarbeiter von Uwe Leichsenring, Dirk Abraham mit NPD-Kranz.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Oberbürgermeister Mättig den Saal durch die bereitstehende Polizei räumen liess, nachdem die anwesenden Antifaschist_innen von ihm eine Stellungnahme zum Thema gefordert hatten. Da diese der Aufforderung ohne Einwände Folge leisteten, gab es keinen Grund für die folgende Personalienfeststellung, bei der die Polizei auch noch handgreiflich wurde. Anschliessend wurde allen Anwesenden ein Platzverweis ausgesprochen. Nachdenklich sollte es auch stimmen, dass einer der eingesetzten Polizisten von Zeugen als früheres Mitglied des Nazi-Clubs "Odins Legion" erkannt wurde.

Dass es in Freital wirklich keine Nazis gibt, war ebenfalls am 09. September auf dem sogenannten "Windbergfest" wunderbar zu beobachten: Niederschlesien-Aufdrucke, Skrewdriver-T-Shirts, Blood and Soil-Pullover, Thor Steinar-Jacken in allen erdenklichen Formen und Farben; unter den Träger_innen auch die "Leberschaden-Fraktion" und bekannte Dresdner Nazis, wie Toni Beger, die die Securities grüssten. Aber wie Freitals Oberbürgermeister Mättig betont: FREITAL HAT KEIN NAZI-PROBLEM!

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