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Versteckte Kamera

Überwachungskameras sollen noch vor Ende diesen Jahres an bestimmten Stellen der Dresdner Neustadt installiert werden um "Krawalle" und "Gewalt" zu unterbinden. Die sozialen Brennpunkte sollen gleichsam an andere, wirtschaftlich weniger relevante Orte verschoben werden. Zudem gilt zunächst für Dezember eine Polizeiverordnung, die den Spätshops der Neustadt verbietet, Freitags und Samsatags zwischen 22 und 5 Uhr Alkohol zu verkaufen.

Kameras selbst sind offensichtlich ausserstande, gegen "Krawalle" einzuschreiten; sie beschränken sich darauf potenzielle Gewalttäterinnen zu beobachten. Wer ist eine Gewalttäterin? Alle, die Glasflaschen bei sich tragen? Die dunkel gekleidet sind? Die sich unnötig aufhalten? Auch jede andere Auffälligkeit kann durch Kameras verfolgt und observiert werden: "Herumlungernde Punks"? Kiffende Jugendliche? Plakate klebende Partyveranstalterinnen? Wer redet mit wem? Wer küsst wen? Wer bleibt unverdächtig?

Für lückenlose Überwachung durch Menschen, die die Kameraaufnahmen auswerten wird eine gigantische Menge an Mitarbeiterinnen und Arbeitszeit benötigt; die ist weder vorhanden, noch wäre es wirtschaftlich effizient. Programme wie Gesichtserkennungssoftware, die die Menschen ersetzen könnten, funktionieren bislang völlig unzureichend. Und die Leistungsfähigkeit der Kameras ist derzeit ebenfalls noch stark begrenzt: Bei Dunkelheit sind Details nur noch für Restlichtkameras erkennbar; diese können durch Laserpointer geblendet werden. Ein ins Gesicht gezogenes Basecape reicht im Übrigen aus, um für die Kamera nicht mehr Erkennbar zu sein (Schatten des Basecapes, verdecktes Gesicht).

In einigen Jahren wird die Technik ausgefeilter sein, Straftaten wird die Kamera dennoch nicht verhindern können; diskriminieren kann sie schon jetzt: Tragisch ist es nicht, wenn der peinliche Sturz vom Fahrrad oder einige Zeilen des privaten Notizzettels gefilmt und gespeichert werden. Tragisch ist aber, dass rassistische, sexistische, neonazistische Securities mittels Überwachungstechnik in die Lage versetzt werden, wesentlich organisierter und gefährlicher gegen ahnungslose Angehörige bestimmter sozialer Gruppen vorzugehen. Tragisch ist, dass homogene Räume ohne Minderheiten geschaffen werden können; ganz ohne sichtbaren Zwang: die Sichtbarkeit von Kameras normiert das Verhalten der Passantinnen; die handeln, als würden sie beobachtet, ob die Kamera überhaupt angeschaltet ist, spielt keine Rolle.

Die Polizeiverordnung verfolgt das gleiche Ziel: schwächere soziale Gruppen in andere Gegenden abzuschieben. Zunächst gilt sie nur bis 31. Dezember, die Vorlage für eine dauerhafte Regelung liegt dem Stadtrat jedoch bereits vor und soll in der Sitzung am 7.12. beschlossen werden. Die Betreiber_innen der Spätshops wehren sich u.a. mit einer Unterschriftensammlung gegen diese Neuerung - nicht zuletzt wird dadurch ihre Existenzgrundlage angegriffen.

Wir fordern daher ein Ende der Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Wir wehren uns gegen die ständige Ausweitung der durch Kameras kontrollierten und normierten Räume. Ein öffentliches Leben ohne Observation muss möglich sein. Wir fordern die Demontage bestehender Videoüberwachungsanlagen in Bahnhöfen, in Einkaufspassagen auf Strassen und Plätzen in Dresden (etwa bereits seit 1999 auf der Prager Strasse) und anderswo.

Wir wehren uns gegen Alkoholverkaufsverbote, -trinkverbote und andere Verbote in der Neustadt.

Beschwerden an:
oberbürgermeister@dresden.de
ordnung-sicherheit@dresden.de
buergerbeauftragter@dresden.de
post@rpdd.sachsen.de

Der Stadtrat wird sich in der Sitzung am 7.12. mit der Polizeiverordnung befassen.


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