/terminal
dresden
  alternativer veranstaltungskalender / blatt für unterbliebene nachrichten
kalender adressen texte links kontakt&infos

Demokratie war gestern - das neue Hochschulgesetz

Im Osten nichts Neues? "Von wegen" dachte sich die sächsische Landesregierung und bastelt nun schon seit Jahren am neuen Hochschulgesetz. Und weil der Begriff "Reform" verbraucht und "Revolution" so unzutreffend ist, spricht man hierzulande von der "Novellierung" des SächsHG. Das hat nichts mit Telenovela zu tun und wird auch nicht als Novelle in die Geschichte deutscher Literaturkunst eingehen. Aber es wird uns betreffen. Es betrifft die Profs, die Mitarbeiter der Hochschule, uns Studierende und auch jene die es noch werden wollen.
Aber was steht drin? Was wird geändert und wieso rebellieren die Studierendenvertreter, Personalräte und sogar mache Hochschulleitungen so dagegen? Wie soll eine Hochschule nach Vorstellung der Landesregierung zukünftig funktionieren? Und wieso funktioniert sie so nicht? Vieles versucht die Regierung hier einfach unter dem Deckmantel der Entbürokratisierung und Stärkung der Hochschulautonomie zu verändern. Wir verschaffen euch einen Einblick! Denn wenn das neue Hochschulgesetz dann ab Frühjahr langsam Einzug in unser aller Leben halten wird, werden bestimmt wieder welche fluchen: "Ach hätt ich doch..." Um das zu verhindern und um euch einen guten Grund zu liefern gemeinsam mit uns Studierendenvertretern im Herbst demonstrieren zu gehen, haben wir dieses Papier verfasst.

Gremien

Der Senat ist das zentrale Gremium an einer Hochschule, zumindest ist er das im Moment. Er entscheidet alle Fragen, die mit dem Studienablauf zu tun haben. Hier haben alle Dekane einen Sitz und zusätzlich werden Studierende, Professoren und Mitarbeiter der Hochschule in den Senat gewählt. Die Regierung meint nun aber, dass dieses Gremium zu gross und zu träge ist. Also wird im Zuge der Entdemokratisierung die Anzahl der Mitglieder auf 17 begrenzt. Natürlich haben die Profs auch weiterhin mehr als die Hälfte der Sitze. Neu ist, dass sie alle demokratisch gewählt werden. Klingt gut, die Sache hat aber auch einen Haken: Nicht jede Fakultät kann hier in Zukunft einen Vertreter haben. Aber wir wollen nicht alles schlecht reden, schliesslich müssen bei Dingen, die die Studienorganisation betreffen alle Studierende zustimmen, wenn nicht, bedarf es einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat um derartiges durchzubringen. Und wenn die eine oder andere Zustimmung dann gefunden ist, kann der Senat seine Stellungnahme abgeben, denn entscheiden wird er ja nicht mehr viel, nur noch beraten und Stellung nehmen. Ein Phänomen, was in diesem Gesetz an so mancher Stelle zu beobachten ist: Gremien beraten nur noch, aber einzelne Personen entscheiden.
Das sieht man auch im Fakultätsrat. Dort sitzen wieder Profs, Mitarbeiter und Studierende. Sie kümmern sich um alle grundsätzlichen Themen, die die Fakultät angehen. Wird ein Thema fakultätsübergreifend, muss sich der Senat einschalten. Das bleibt auch alles so im neuen Gesetz. Mit einer klitzekleinen Veränderung: Der Fakultätsrat hat in Zukunft nur noch beratende Funktion, die operativen Aufgaben nimmt nun der Dekan wahr. Wieder ein prächtiges Beispiel wie wichtig unseren demokratisch gewählten Vertretern in der Landesregierung das System ist, welches sie selbst an die Macht gebracht hat.

Studiengang adé

Gut, wir haben da also schlimmstenfalls einen Senat bestehend aus Leuten der stärksten Fakultäten an einer Technischen Hochschule und ausserdem ein Rektorat, das die geisteswissenschaftlichen Studiengänge nicht so mag. Dann steht eigentlich nichts mehr im Wege die für die Wirtschaft ja so unnützen Studiengänge abzuschaffen, oder? Aber Moment: Das Ministerium kann ja noch einschreiten, und dass die immer im Interesse der Studierenden handeln ist uns ja allen bekannt.

Tschüss Konzil, willkommen Hochschulrat

Da gibt es dieses ominöse Konzil, keiner hat es je gesehen und niemand war je auf einer Party zu der es eingeladen hat. Das liegt wohl daran, dass es im Hintergrund arbeitet. Das Konzil entscheidet die Grundsätze, nach denen sich die Hochschule entwickeln soll und tagt mindestens einmal im Jahr. In ihm sind alle Mitgliedergruppen der Hochschule, also alle Fachbereichsräte, bestehend aus Dekanen, Professoren, Mitarbeitern und Studenten, vertreten. Da das Konzil sehr viele Mitglieder hat und es schwierig ist, einen Termin zu finden, an dem alle Zeit haben, wählt es den Senat, der das Tagesgeschäft erledigt.
Wenn es aber nach dem neuen Hochschulgesetz geht, ist das alles Schnee von gestern. Das Konzil wird abgeschafft, der Senat berät nur noch und es wird ein Hochschulrat eingeführt. Die Hälfte dessen, was der Senat bisher entschied, fällt jetzt in die Verantwortung des Hochschulrates. Ganz im Sinne der Entdemokratisierung wird dieses Gremium aber nicht gewählt, sondern 75% der Mitglieder werden vom Ministerium ernannt. Dabei dürfen die Mitglieder aber nicht der Hochschule angehören. Das verbleibende Viertel wird vom Senat gewählt. Aber diese Leute dürfen in keinem anderen Gremium der Hochschule tätig sein. Zusammenfassend lässt sich sagen: Im Hochschulrat, der eine gewaltige Macht hat, sitzen nur Menschen, die keine Ahnung von der Hochschule haben oder bisher bei der Besetzung von Ämtern übergangen wurden. Es ist nicht davon auszugehen, dass dieses Gremium gut für die Zukunft der Hochschule ist.

Alle Macht dem Rektor

Eine Hochschule funktioniert nur dann gut, wenn alle vertretenen Gruppen, also Dozenten, Mitarbeiter, Rektoren, Senatoren und Studenten, in die Entscheidungen mit einbezogen werden und die Zukunft gemeinsam gestalten. Leider sieht das unsere Landesregierung anders. Der Rektor soll weit reichende Kompetenzen bekommen. Er kann z.B. die Gebührenordnung beschliessen oder ganze Studiengänge im Alleingang absetzen. Darüber hinaus entwirft das Rektorat den Wirtschaftsplan und Jahresabschluss und legt diese dem Hochschulrat zur Absegnung vor. Dass dieser nicht gerade vor Kompetenz strotzt, wissen wir bereits. Das macht aber nichts, denn wenn dem Hochschulrat der Rektor nicht passt, wird er einfach nicht wieder gewählt.

Gebühren ja, Studiengebühren nein

Da wird im neuen Gesetz extra ein Paragraph geschaffen für etwas das es in Sachsen eigentlich garnicht gibt: Gebühren fürs Studium. Es soll also in jeder Hochschule eine sogenannte Gebührenordnung geben. Aber was da wiederum genau drinstehen soll, kann uns auch keiner sagen, schliesslich steht im Gesetz, dass es keine Studiengebühren geben wird. Mal abgesehen von den Gebühren fürs Masterstudium, fürs Fernstudium, fürs Zweitstudium, für Leistungen des Studienkollegs, für Prüfungen von Kenntnissen, die extern erworben wurden und für die Unterrichtung besonders begabter Kinder in Nachwuchsförderklassen der Kunsthochschulen. Fantastisch, in Sachsen reicht es also nicht wie in anderen Bundesländern reich oder begabt zu sein, hier muss man schon Geld und Talent mitbringen.

Studienkommissionen

Da wird uns doch tatsächlich was geschenkt: mächtigere Studienkommissionen. Die regeln alles was auf Studiengangebene passiert, also beispielsweise Änderungen der Studienordnung und Evaluierung von Lehrveranstaltungen. Ausserdem beraten sie den Dekan. Und laut dem neuen Gesetz hat die Studienkommission ein Initiativrecht im Fakultätsrat, ja richtig gelesen, im Fakultätsrat, genau der, der auch den Dekan berät. Klingt verwirrend, is aber toll. Man rät dem Dekan etwas, kann dann noch mitbestimmen, was dem Dekan geraten werden soll, und der macht dann doch was er will. Man nennt das dann Etwas im Benehmen mit dem Fakultätsrat entscheiden.

Hochschulsport

Vieles ist so aufwändig und muss verbessert werden, dachten sich die Verantwortlichen im Ministerium und so kam es, dass so etwas Unwichtiges wie der Hochschulsport als Zentrale Einrichtung der Hochschule einfach aus dem Gesetz gestrichen wurde. Fragt man nach dem Grund dafür, bekommt man die Antwort: Stärkung der Autonomie. Was das für die einzelnen Hochschulen bedeutet, kann man sich unschwer ausmalen: Wird es weiterhin an allen Hochschulen ein vielfältiges Angebot sportlicher Aktivitäten geben? Wird dann nur noch Fussball gespielt, weil eben gerade kein Volleyballnetz da ist? Unser Hochschulsport ist eh schon total unterfinanziert und die Turnhallen überlastet. In Zeiten, wo nicht nur unsere Kinder immer fetter und fauler werden, ist das ein Schritt in die zweifellos richtige Richtung - schlechte Publicity ist eben bekanntlich gute Publicity. Joggen an der Fernverkehrsstrasse als einziger Ausweg.

Personalautonomie - Oder die Frage, was hat die TU Dresden, was andere nicht haben?

Da kommen Bekenntnisse aus Sachsens Hochschulen, also von den Leitungen der Hochschulen selbstverständlich, in denen es heisst, dass sie Personalautonomie wollen. Aber was bedeutet das? Nun, bisher sind alle Professoren und Mitarbeiter beim Staat unter Vertrag. Das würde sich dann ändern: Die Hochschule wird zum Arbeitgeber. Klingt untragisch, aber spricht man mit Gewerkschaftsvertretern, so erfährt man, dass das ungeahnte Konsequenzen haben kann. Klar, die Gehälter können sich ändern. Wenn nach Leistung bezahlt wird, bekommen "die Guten" mehr Geld. Und woher kommt das Geld? Das weiss man noch nicht so genau, aber das gibt sich im Laufe der Zeit, wenn die Anzahl der Mitarbeiter abnimmt und die Kassen sich langsam füllen. Stichwort "betriebsbedingte Kündigungen": sowas hat's noch nie an unseren Hochschulen gegeben. Und dass die dann möglich sind, befürchtet auch niemand, ausser die Mitarbeiter halt. Nun könnte ein Student sagen: "Was juckt es mich?" Gegenfrage: Was passiert, wenn weniger Leute in der Uni arbeiten, aber die Studierendenzahlen gleich bleiben? Wenn momentan in jedem Praktikum und in jedem Seminar noch ein Mitarbeiter der Uni sitzt um uns zu betreuen, werden in Zukunft da vielleicht nur noch HIWIs aus höheren Semestern sein. Die Labore werden dann auch von Studierenden aus den höheren Semestern betreut.
Jedenfalls kann diese Personalautonomie an der TU Dresden drei Jahre lang getestet werden. Eine faszinierende Art Gesetze zu machen, man probiert's einfach mal aus und gibt dem Ganzen einen positiv klingenden, zukunftsweisenden Namen: "Modellversuch". Wenn dieser Versuch fruchtet, werden andere Hochschulen auch die Möglichkeit der Personalautonomie bekommen. Zynisch: Als nächstes kommen dann bestimmt an der Uni Leipzig für drei Jahre Studiengebühren - als Modellversuch selbstverständlich. Und wenn man danach feststellt, dass sich tatsächlich mit Studiengebühren Haushaltslöcher super unauffällig indirekt stopfen lassen, kann man sie landesweit einführen.

Evaluation der Leere

Evaluationen? Das sind die Fragebögen die ihr jedes Jahr in euren Vorlesungen und Seminaren ausfüllen dürft und deren Auswerter dann feststellen, dass sich doch eigentlich nicht wirklich viel ändert. Nun, das ändert sich, ganz im Sinne eines neuen Gesetzes, jetzt nicht. Eine uralte Forderung der Studierendenvertretungen nach Veröffentlichung dieser Bewertungen - damit man sich eben vor der Vorlesung ein Bild über Lehrqualität und Professor machen kann - ist weiterhin nicht aufgenommen. Aber: Sollte sich ein Prof über mehrere Jahre als Niete herausstellen und nicht zufällig verbeamtet sein, kann der Rektor zumindest ein wenig an seiner Gehaltsschraube drehen. Spürbare Konsequenzen wegen Inkompetenz wie in anderen Institutionen der Gesellschaft gibt es weiterhin nicht.

Der Studentenrat

Eine gute Nachricht gibt's: beim StuRa bleibt alles beim Alten, wir kümmern uns weiterhin um eure Probleme, organisieren Parties für euch und unterstützen Ausstellungen, Veranstaltungen und Projekte der Studierenden. Wir dürfen auch weiterhin eure Interessen vertreten, dürfen ein offenes Ohr für eure Wünsche und Probleme haben, dürfen weiterrebellieren, dürfen weiter von der Regierung ignoriert werden und dürfen weiter auf Verständnis, aber keine Unterstützung von den Verantwortlichen hoffen.

In diesem Sinne, wir sehen uns auf dem Weg zum Landtag!

Grossdemonstration gegen die Novellierung des Sächsischen Hochschulgesetzes

13.12.2007 13:00 Uhr | Fritz-Förster-Platz Dresden oder am Vorplatz der HTW Dresden (Gegenüber Hauptbahnhof)

Es geht zum Landtag

Informieren und mitmachen
www.stura.htw-dresden.de/blog
Unsere Homepages:
www.kssnet.de | www.gegen-hg.de | www.stura.htw-dresden.de

Mailt uns und Ihr bekommt Antwort: hopo@stura.htw-dresden.de


index kalender adressen texte links kontakt&infos

contact: terminal@free.depgp-keykey fingerprint: C9A4 F811 C250 3148 9FAB 6A1B 9743 6772 90D1 C385