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Dresden stellt sich queer +++ Toller Ranzpreis für Helma Orosz +++
Es ist unglaublich, aber wahr. Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) bekam am heutigen Sonntag den Toleranzpreis des CSD Dresden verliehen. Beim 'Regenbogenbrunch' auf dem Altmarkt. Der "Preis für Toleranz" des Christopher Street Day Dresden e.V. wurde erst zum zweiten Mal vergeben. Letztes Jahr ging er an Robert Koall (Chefdramaturg des Staatsschaupiels), was nachvollziehbar war. Wie aber kommt Orosz zu dieser Ehrung? Die CDU, vor allem die sächsische, ist äusserst bekannt für ihre Toleranz. Zum Beispiel gegenüber der AfD, mit der sie wahrscheinlich koalieren wird was zugegebenermassen über blosse Toleranz hinausgeht. Ebenso gegenüber anderen Nazis, mit denen Frau Orosz traditionell im Februar Händchen hält. 1/2/3/4 Die Vergeschwisterung in der Menschenkette zum 13. Februar steht symbolisch für die Toleranz in der schönsten aller zerbombten Altstädte: Wir kennen keine individuellen Unterschiede mehr, seien es politische Einstellungen, Lebensweisen oder Sexualität solange wir Dresden lieben, Sachsen sind und nicht auffallen. Sachsen ist ein Bundesland, in dem die CDU seit 24 Jahren unangefochten regieren kann, und was dabei kaum verwundert das einzige Bundesland in Deutschland, in dem es immer noch keine gleichen Rechte in der gleichgeschlechtlichen 'Eingetragenen Lebenspartnerschaft' gibt und das auch in naher Zukunft nicht in Aussicht ist. Vielleicht hilft ja beten. Einige Parteifreund_innen von Orosz geben sich da alle Mühe: Im Erzgebirge demonstrieren hunderte Anhänger_innen der CDL ('Christdemokraten für das Leben', Organisation innerhalb der CDU) gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, bezeichnen Frauen* als Kindsmörderinnen und fordern die Rückkehr zu christlichen Werten wie der klassischen (selbstverständlich Hetero)Ehe, die nun mal den besten Rahmen für Sexualität biete. Der CSD Dresden e.V. verleiht Helma Orosz den Toleranzpreis. W T F ? Auch dem Laudator Dr. David Berger (BuchAutor "Der heilige Schein: Als schwuler Theologe in der katholischen Kirche") muss die Absurdität dieser Preisverleihung irgendwie bewusst gewesen sein er leitete mit den Worten ein: "Sind wir verrückt? Oder masochistisch?". Der Rest seiner Rede widmete sich dem Versuch, dies zu widerlegen: Trotz ihrer diversen Verpflichtungen habe Helma Orosz für den CSD "immer zur Verfügung" gestanden. Ihre Schritte auf den CSD zu seien zwar sehr "behutsam", teilweise langsam gewesen, aber die Richtung hätte immer gestimmt. In anderen Städten hätte der CSD viel mehr Probleme. (Augenscheinlich sind Demonstrationsrechte nicht selbstverständlich, sondern Grund für einen Toleranzpreis. So hoch, diese Anbiederung zu rechtfertigen, waren die Fördergelder nun wieder auch nicht.) Die CDU habe immer wieder gebremst, wenn es um Rechte von Schwulen und Lesben in Sachsen gegangen sei. Orosz allerdings sitze innerhalb der Partei zwischen den Stühlen, wofür man ihr Respekt zollen müsse. (by the way: Wer in der sächsischen CDU sind eigentlich die "ParteiKonservativen"?). Es ginge hier ja schliesslich auch nicht um "kleinliche Parteipolitik", sondern um grundlegende Menschenrechte. Auch in der CDU gebe es schwule und lesbische Mitglieder, die genau so aktiv seien wie die bei den Grünen oder der Linken. Aufgrund vieler schlechter Erfahrungen könne man sich als Homosexuelle_r sowieso hinter keine Partei stellen. Aber: Normalerweise lägen immer die Leute richtig, die wie Helma Orosz sowohl von extremen Rechten als auch von extremen Linken kritisiert würden. Was für ein Kriterium. Bei der Veranstaltung selbst hielten es einige Menschen für nötig, still zu protestieren, um ihre Kritik zu äussern: Fünf Personen hielten Pappschilder mit Aufschriften empor: "Toleranz Respekt", "Toleranz/Respekt gleiche Rechte", "sächsische Verhältnisse kippen", "Orosz ist doof" weiterhin war eine stilisierte Menschenkette mit Frau Orosz und Nazis aufgemalt. Kritik muss gar nicht solidarisch und schon gar nicht ruhig geübt werden, aber hier wurde sich offensichtlich für eine recht 'nette' Form entschieden. Doch schon dieser friedliche Protest war den Organisator_innen des CSD sowie dem Grossteil der Besucher_innen des 'Regenbogenbrunchs' zu viel der Meinungsäusserung. Sie gingen teilweise aggressiv gegen die Protestierenden vor, ent bzw. zerrissen ihre Schilder und forderten sie zum Gehen auf. Dabei entstanden Diskussionen, die dann wiederum als 'Störung' verurteilt wurden. Der Redner Berger äusserte immerhin, von ihm aus könnte man die Leute mit den Schildern da stehen lassen; schliesslich sei auch dies eine Form schwullesbischer Meinungsäusserung. Andere sahen das anders. Die Reaktionen der CSDOrga und des Publikums bzw. der "zivilcouragierten" Bürger_innen sprachen durchaus dafür, dass Homo und Bisexuelle tatsächlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Wenn schon nicht in Bezug auf gleiche Rechte, dann doch wenigstens politische Einstellungen betreffend. Einige Wenige solidarisierten sich zwar mit den kritischen Stimmen, darunter auch eine Abgeordnete des Dresdner Stadtrats. Der Grossteil aber beklatschte und bekräftigte ("Genau!", "Richtig so!") die Disqualifizierung der Kritiker_innen bzw. kümmerte sich gar aktiv selbst darum. Der CSDModerator bedankte sich am Ende noch für die "Zivilcourage". Nicht etwa die der Protestierenden, sondern die derer, die sofort gegen den stillen Protest eingeschritten waren. Gelebte Toleranz. Nun ja Bei der Rede von Toleranz ist es eben so, dass es diese immer nur in einem bestimmten Rahmen gibt dann aber für alle gleich. Helma Orosz erklärte das den Protestierenden noch einmal: Man solle eine Gruppe gründen, eine Veranstaltung anmelden und dann könne man sagen, was man wolle. In diesem Land herrsche zum Glück Demokratie, wie Orosz in ihrer Rede klarstellte. Sicher gebe es noch viele Misstände in Bezug auf Gleichberechtigung, aber "unsere Gesellschaft wächst". Ein Teil der Gesellschaft hätte das mit Leben und Menschlichkeit immer noch nicht verstanden diese "Andersdenkenden"(!) müssten weiter "aufgeklärt und sensibilisiert" werden. Dies täten ja die Organisatoren des CSD und viele weitere Vereine schon sehr gut, wofür sie sich bedanke. Ihre "grosse Bitte" an diese sei, weiter "für Verständnis und Toleranz [zu] werben", bis irgendwann alle tolerant seien "gegenüber jedem, der anders ist". no comment "Ich bin mir sicher, dass das in Dresden bald passieren wird." no comment2 Orosz wusste möglicherweise noch nicht mal, auf welcher Veranstaltung sie sich befand, denn sie sprach konsequent vom "CSV" (ein Fussballverein?) oder dem "CSVFestival", auf dem sie sich freue, sprechen zu können. Aber gut, versprechen kann sich jede_r mal, auch mehrfach. Solange Helma Orosz Schirmherrin des CSD ist, sollte man sich nicht wundern, im Regen nass zu werden. |
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