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PM: Sächsische Ausländerbehörden stellen sich über das Bundesverfassungsgericht
Gemeinsame Pressemitteilung des Initiativkreis Menschen.Würdig, des Peperoncini Rechtshilfefonds e.V., des Bon Courage e.V., des Sächsischen Flüchtlingsrats e.V.

In Sachsen wird der Rechtsanspruch auf Duldung erfunden

Geflüchtete traten in der Vergangenheit vermehrt an Beratungsinitiativen in verschiedenen Teilen Sachsens heran und hinterfragten die ihnen ausgehändigten "Grenzübertrittsbescheinigungen". Die Mehrheit der sächsischen Ausländerbehörden stellt diese Dokumente zunehmend anstelle von Duldungen aus. Eine Anfrage bei der Landesregierung zeigt, dass diese Praxis weitläufig in Sachsen verbreitet ist. Was ein näherer Blick offenbart: Sie ist rechtswidrig und sollte, wenn es nach dem Bundesverfassungsgericht geht, bereits seit 2003 nicht mehr vollzogen werden.

In Sachsen scheinen wieder einmal andere Spielregeln zu gelten als im Rest der Republik. Anstatt dass abgelehnte Asylsuchende eine Duldung erhalten, werden zunehmend sogenannte Grenzübertrittsbescheinigungen ausgestellt und das immer dann, wenn vorgeblich kein Rechtsanspruch auf eine Duldung bestehe. Dies scheint gängiges Vorgehen im Freistaat zu sein, wie aus einer Kleinen Anfrage der Landtagsabgeordneten Juliane Nagel an die Landesregierung hervorgeht. In acht von 13 kreisfreien Städten beziehungsweise Landkreisen erhalten Schutzsuchende derweil "Identitätsbescheinigungen", "Bescheinigungen über den Aufenthalt ohne Dokumente" oder auch "Hinterlegungsbescheinigungen". "Allenfalls vorübergehend" geschehe das, so die Landesregierung. Schliesslich müsse der Rechtsanspruch auch geprüft werden. Doch selbst hier sind Zweifel angebracht. Erfahrungen aus der Beratung zeigen, dass die Ausländerbehörden keine "Prüfung von Duldungsgründen" vornehmen, sondern schlicht die Duldung verwehren. Diese Praxis hat schwerwiegende Folgen. Bereits mit einer Duldung gestaltet es sich als ausgesprochen schwierig, Arbeitgeber*innen zu überzeugen, einen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag auszustellen. Mit den genannten Papierwischen im A4-Format ist das nahezu aussichtslos. Arbeiten, Mieten, ein Konto eröffnen - diese Selbstverständlichkeiten des Alltags bleiben den Betroffenen verwehrt. Sie gelten als nicht geduldet, gegebenenfalls können sie keinen Aufenthaltstitel auf Grund nachhaltiger Integration beantragen. Was das Bundesverfassungsgericht an so einer Praxis problematisch sieht: Die Betroffenen können ihre Identität nicht zweifelsfrei nachweisen.

Die Landesregierung versucht, systematischen Rechtsbruch zu kaschieren

Das Aufenthaltsgesetz ist im Fall der Duldung eindeutig: Sie ist auszustellen, wenn rechtliche oder tatsächliche Gründe der Abschiebung entgegenstehen. Ebenso unmissverständlich hat es das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2003 formuliert. Egal welch kreative Namen die Ausländerbehörden sich für ihre alternativen Dokumente einfallen lassen - aus Sicht des Initiativkreis: Menschen.Würdig, des Sächsischen Flüchtlingsrats, des Rechtshilfefonds Peperoncini und des Bon Courage e. V. sind sie das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind. Denn nirgendwo im Aufenthaltsrecht findet sich auch nur ansatzweise ein Hinweis, der die Auffassung von einem Rechtsanspruch untermauern würde. Eine Erklärung, warum Ausländerbehörden systematisch Recht brechen und die Landesregierung das Verhalten deckt: "Die Behörden scheinen die alternativen Dokumente gerade dann zu erteilen, wenn Geflüchtete nicht abgeschoben werden dürfen. Sie sollen offensichtlich zur 'freiwilligen Ausreise' gedrängt werden. Den Beamt*innen dürfte klar sein, wie stark sie die Betroffenen psychisch belasten. Dieses Vorgehen ist reine Schikane", so Kim Schönberg vom Initiativkreis: Menschen.Würdig. Die permanente Angst vor der Abschiebung sowie die weitgehende Entrechtung verhindere das wirkliche Ankommen in Deutschland, so die Initiative. Léonore Stangherlin vom Rechtshilfefonds Peperoncini ergänzt: "Grenzübertrittsbescheinigungen und andere alternative Dokumente sind ein Schritt zurück. Um der Lage von geflüchteten Menschen wirklich gerecht zu werden, müsste ihnen ein legaler Aufenthalt ermöglicht werden. Die Restriktionen, die mit einer Duldung einhergehen, verhindern das. So aber verschlechtert sich die rechtliche und psychische Situation vieler Menschen massiv. Diese Abwärtsspirale muss ein sofortiges Ende haben."

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