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Veranstaltungsreihe der gruppe//sabotage: 60 Jahre Befreiung
Erinnern, was war & was geworden ist

Wir feiern 60 Jahre Befreiung vom Nationalsozialismus, der Katastrophe aus deutscher Hand, die Millionen von Menschen der letztlich meist tödlichen Zwangsarbeit aussetzte, den industrialisierten Massenmord an den Juden und Jüdinnen Europas durchführte und somit den Zivilisationsbruch, das unvorstellbar Barbarische zu verantworten hat.

Von 1933 bis 1945 wurde jede Person, die anders war und als "naturgegeben volksverseuchend" halluziniert wurde, als fremd gebrandmarkt. Nicht nur Führungspersonen teilten diese Form der Abwertung von Menschen, sondern eine ganze Nation trug sie, diskriminierte, mordete oder unterstütze an der Heimatfront.

Die nationalsozialistische Weltanschauung setzte sich aus eliminatorischen Antisemitismus, völkischem Rassenwahn, Antibolschewismus und expansiver "Lebensraum" - Politik zusammen. Auf Grundlage dessen wurde jede(r), der/die nicht dem "reinen gesunden deutschen Volkskörper" nach biologisch - rassistischer Vererbungslehre zuzuordnen war, ausgesondert, weggesperrt und in den meisten Fällen ermordet. Diesen Gräueltaten fielen politische Oppositionelle, "Nicht-Deutsche", körperlich oder geistig behinderte Menschen, Homosexuelle, Sinti und Roma und im Besonderen Juden und Jüdinnen zum Opfer.

Vor 60 Jahren beendeten die alliierten Streitkräfte das Dritte Reich. Am 8. Mai kapitulierten die Deutschen. Die Vernichtungslager Chelmno, Sobibór, Treblinka, Majdanek, Auschwitz-Birkenau und Belzec hörten auf Menschenleben auszulöschen.

Zur Beendigung der Menschenfeindlichkeit trug unter anderem die Bombardierung deutscher Städte bei. Ziel war es, die Bevölkerung zu demoralisieren, Infrastruktur zu zerstören und Versorgungsnachschub an die Front zu unterbinden. Der Luftangriff auf Dresden am 13. Februar 1945 ist ein Beispiel dafür.

In der Gegenwart wird am gesellschaftlichen Begehen dieses Gedenktages allerdings ein anderes Credo deutlich: geschichtsrevisionistische deutsche Opferkultivierung. Es wird aufgerechnet, gleichgesetzt und die Singularität der Shoah mindestens marginalisiert. Dies ist sowohl von Seiten der Neonazis und NPD - Anhängerschaft lautstark zu vernehmen, als auch im BürgerInnengedenken deutlich wahrnehmbar - wenn auch nicht mit derart revanchistischen Zügen wie sie alljährlich auf der mittlerweile 2000 Leute starken Neonazi-Demo am 13. Februar zu sehen sind. Dort werden deutsche TäterInnen heroisiert, der Opfermythos von der "unschuldigen deutschen Zivilbevölkerung" wird hochgehalten, welche den Nationalsozialismus praktizierte und, wie von Goldhagen richtig benannt, "Hitlers willige Vollstrecker" waren. Das ausgeprägte Beharren auf Tieffliegerlegenden, auf überdimensional hohen Opferzahlen und auf der Unschuldigkeit der Heimatfront schliesst sich an, und wird auch von bürgerlicher Seite gepflegt statt kritisiert. Jener Umstand stellt zur Disposition, dass der Nationalsozialismus 1945 institutionell zerschlagen wurde, doch die Ideologie im Denken bestehen geblieben ist und an die Nachfolgegenerationen weitergegeben wurde. Es gilt jedoch festzuhalten: Die deutschen TäterInnen sind nicht die Opfer.

Die BürgerInnen pflegen ein exzessives Gedenken an die "deutschen Opfer" und stellen die sie den Opfern der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik zumindest gleich. Beweiskraft dafür liegt in der Tatsache, dass kaum eine(r) der BürgerInnen sich am 9. November zum Gedenken an die Opfer des Pogroms von 1938 an der neuen Synagoge einfindet, doch sie sich zu Tausenden zur alljährlichen städtischen Gedenkminute an der Frauenkirche tummeln. Dort aber mag man an die durch den alliierten Luftangriff vor der Deportation geretteten Juden und Jüdinnen nicht erinnern.

Dresden wird zum Zentrum der Geschichtswahrnehmung, die in ihrer Komplexität, in ihrem Kontext fragmentiert wird, um den Weg frei zu machen, sich endlich wieder positiv auf die deutsche Nation beziehen zu können und ein Zugehörigkeitsgefühl zum "deutschen Volk" zu spüren. So geht man im Kollektiv zu den Gedenkfeierlichkeiten für Tote, zu denen die meisten TeilnehmerInnen keinen Bezug haben ausser den derselben Nationalität.

Die Dimension in welcher der 13. Februar vom Grossteil der Gesellschaft verhandelt wird, ist die des Krieges, der Gleichmachung von Kriegen und Leid im Allgemeinen und im Rahmen einer konstruierten Europäischen Schicksalsgemeinschaft, unabhängig vom Ursache - Wirkungszusammenhang, welcher die jeweiligen Geschehnissen passieren macht. Doch die Dimension, in welcher der 13. Februar wirklich steht, ist jene des barbarischen Nationalsozialismus, den es zuvorderst zu beenden galt und welcher den Zweiten Weltkrieg herbeigeführt hatte. Dresden war sächsisches Zentrum des Nationalsozialismus; das ZwangsarbeiterInnenlager auf dem Hellerberg gehörte genauso zum Alltag wie die Funktion Dresdens als Knotenpunkt für Deportationen von Juden und Jüdinnen in die Vernichtungslager des Ostens.

Dem Geschichtsrevisionismus sowie dem nationalen Konsens zum deutschen Opferstatus aus der Mitte der Gesellschaft und aus dem Neonazi- Spektrum gilt es sich entgegenzustellen.

Wir wollen unter verschiedenen Gesichtspunkten den deutschen Postnazismus ergründen und Gelegenheit zur innerlinken Auseinandersetzung schaffen. Deshalb führen wir übers Jahr verteilt Veranstaltungen mit unterschiedlichem Inhalt zum Bezugspunkt "60 Jahre Befreiung" durch.

Für den 11. Mai haben wir Stephan Grigat mit einem Vortrag "Kritik der politischen Ökonomie und Israelsolidarität" und für den 21. & 22. Mai Michael Heinrich mit einem einführendem Seminar zur "Kritik der politischen Ökonomie" eingeladen. Vom 24. bis 26. Juni findet erneut ein Filmseminar mit Tobias Ebbrecht, der im letzten Jahr schon in Dresden war, mit dem Titel "Gute Deutsche, Böse Nazis" statt. In Vorbereitung darauf zeigen wir im Juni eine Reihe von Filmen zum Thema. Für Juli und September sind die Vorträge "Die friedfertige Antisemitin - Kritische Theorie über Geschlechterverhältnis und Antisemitismus" mit Ljiljana Radonic und "Sekundärer Antisemitismus" mit Lars Rensmann geplant. Detailliertere Informationen erhaltet ihr auf unserer Website: www.gruppe-sabotage.tk

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