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Vier Tage gelebte Utopie enden mit Polizeieinsatz

Bereits am Mittwoch räumte die Polizei Sachsen mit 200 Einsatzkräften die vier Tage zuvor besetzten Villen auf der Königsbrücker Strasse 12-16. Da sich mehrere Besetzerinnen und Besetzer auf den Dächern der seit mehreren Jahren ungenutzt leerstehenden Gebäude zurückgezogen hatten, musste das SEK Amtshilfe leisten. Den ganzen Tag über fanden sich mehrere hundert Personen vor dem Haus ein, um ihre Solidarität mit der Gruppe "Wir besetzen Dresden" auszudrücken. Dabei kam es immer wieder zu kleineren Rangeleien mit der Polizei. Nach Beendigung des mehrstündigen Polizeieinsatzes, zogen mehrere hundert Personen unangemeldet durch die Dresdner Neustadt. Im Laufe des Tages kam es nach Polizeiangaben zu insgesamt sechs Ingewahrsamnahmen.

Noch am Vorabend der Räumung hatten die Besetzerinnen und Besetzer "100 Stunden Besetzung" der seit über 20 Jahren leerstehenden Villen auf der Königsbrücker Strasse gefeiert, als am Morgen des 22. Januar den Träumen für die Schaffung eines Freiraums ein jähes Ende bereitet wurde. Mit rund 200 Einsatzkräfte begann die Polizei Sachsen gegen 8:30 Uhr mit der Räumung, nachdem die Argenta Unternehmensgruppe als Eigentümer am Montag Strafanzeige gestellt hatte. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich nach Angaben der Polizei Sachsen zwölf Personen auf dem Gelände, acht Personen auf den Dächern der Gebäude, sowie eine Person auf einem Baum des Grundstücks.

Auf Grund des zugemauerten Erdgeschosses, sowie den Menschen auf den Dächern forderte die Polizei Amtshilfe bei der Feuerwehr Dresden an. Diese erreichte auch das Gelände, verweigerte aber nach Informationen der Gruppe "Wir besetzen Dresden" die Hilfe, da nach Auffassung der Feuerwehr keine "Gefahr für Leib und Leben" bestanden haben soll. Schlussendlich wurden die Besetzerinnen und Besetzer mit dem hinzugezogenen SEK von den Dächern geholt. Um 16:30 Uhr erklärte die Polizei den Einsatz für beendet. Sechs Personen verweigerten die Personalienfeststellung und wurden in das Polizeirevier Mitte gebracht. Zwei weitere Personen wurden noch vor Ort wieder freigelassen. Allen Betroffenen wird Hausfriedensbruch vorgeworfen.

In einer noch am Abend der Räumung veröffentlichten Pressemitteilung kritisierten die Besetzerinnen und Besetzer den Polizeieinsatz. Ihrer Meinung nach, hätte die Einsatzleitung ihrer Ankündigung, "nicht mit Kanonen auf Spatzen" schiessen zu wollen, nicht gehalten. "Nun haben sie das SEK benutzt, um eine friedliche Besetzung zu räumen, mehrere Menschen verletzt und die Arbeit der Presse und von Anwält*innen massiv behindert." liess die Gruppe "Wir besetzen Dresden" dazu im Nachgang verlauten.

Auch AfD Stadtrat Heiko Müller (Links), Pegida-Chef Wolfgang Taufkirch und weitere rechte beobachteten die Räumung.

Bereits ab Mittwochmorgen hatten sich Sympathisantinnen und Sympathisanten vor dem Gelände eingefunden, um gegen die Räumung zu protestieren. Nach kleineren Rangeleien mit der Polizei, die trotz Vollsperrung der Königsbrücker Strasse den Protest auf den gegenüberliegenden Bordstein drängen wollten, wurde vom Stadtratsmitglied Christopher Colditz (Die Linke) ein Kundgebung angemeldet. Eine Aktivistin, die den Tag über vor Ort war, schätzte gegenüber addn.me, dass sich im Laufe des Tages mehrere hundert Personen an den Protesten beteiligten und ihre Solidarität ausdrückten.

Nachdem der Grossteil der Räumung ruhig verlief, kam es zu einer kleineren Eskalation, als Aktivistinnen und Aktivisten versuchtenm die Abfahrt der durch die Polizei in Gewahrsam genommenen Besetzerinnen und Besetzer zu blockieren. Nach Berichten von Anwesenden gegenüber addn.me soll die Polizei dabei äusserst aggressiv reagiert und mit Schlagstöcken und Tritten die Protestierenden vom Eingang gestossen haben. Mit Beendigung des Polizeieinsatzes wurde auch die Kundgebung beendet und die Demonstrierenden verstreuten sich.

Wenige Stunden später sammelten sich jedoch erneut mehrere hundert Aktivistinnen und Aktivisten im Alaunpark. Im Vorfeld war zu einer "Tag X - Lärmdemo" aufgerufen worden. Gegen 18 Uhr setzte sich der unangemeldete Demonstrationszug unter "Wir besetzen Dresden - Putzi Bleibt - one Struggle, one Fight"-Rufen in Richtung Görlitzer Strasse in Bewegung und wuchs schnell auf über 250 Personen an. Auf fast der gesamten Strecke zündeten die Demonstrierenden Bengalos, Rauchtöpfe und Knaller. Augenzeugen berichteten, dass die eingesetzten Polizistinnen und Polizisten teilweise überfordert wirkten und Probleme hatten, mit dem Demonstrationszug Schritt zu halten.

Erst am Albertplatz gelang es den eingesetzten Beamtinnen und Beamten, den Demonstrationszug daran zu hindern, auf direktem Weg zum ehemaligen besetzten Haus zu gelangen. Nachdem die Aktivistinnen und Aktivisten im Anschluss versuchten, über die Alaunstrasse auszuweichen, wurde der Zug unweit der Scheune erneut unter dem Einsatz von Pfefferspray gestoppt, woraufhin sich die Demonstration in Kleingruppen auflöste und zerstreute.

Ein Grossteil der Menschen fand schlussendlich dennoch den Weg auf die Königsbrücker Strasse, welche für eine längere Zeit blockiert wurde. Hier kam es zu einem Übergriff seitens der Polizei auf eine minderjährige Person. Der 17-Jährige wurde von der Polizei festgenommen und in den Hinterhof des Geländes auf der Königsbrücker Strasse gebracht. Dort wurde er nach Augenzeugenberichten gegenüber addn.me eine dreiviertel Stunde kontrolliert. Dabei musste der Jugendliche auch seine Hose ausziehen und so eine geraume Zeit in der Kälte stehen. Als Aktivistinnen und Aktivisten versuchten, die Situation zu filmen, soll die Polizei dies versucht haben zu verhindern, indem sie die Sicht auf die Kontrolle mit einen Auto versperrte. Auch ein Anruf bei den Eltern des Betroffenen verweigerte die Polizei, wie dieser der Redaktion gegenüber beteuerte. Grund für die Kontrolle soll der Wurf eines E-Rollers und eines Werbeaufstellers gewesen sein. Die Polizei ermittelt wegen Körperverletzung.

Während CDU-Stadtbezirksbeirat Gunter Thiele und CDU-Stadrat Mario Schmidt die Besetzerinnen und Besetzer als Kriminelle bezeichnete, solidarisierten sich die Dresdner Jusos mit dem Anliegen der Besetzung. "Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum bereitet vielen Dresdnerinnen und Dresdnern schon jetzt grosse Probleme", so die stellvertretende Vorsitzende Julia Seliger", - und es ist ein Thema, das in absehbarer Zeit noch ernster werden wird. Gleichzeitig stehen Gebäude in bester Wohnlage seit Jahren leer, weil sich renditegierige Spekulantinnen daran auf Kosten der Allgemeinheit bereichern - so wie im Fall des Putzis." Bereits im Vorfeld hatte Stadtrat Johannes Lichdi (Die Grünen) die Immobilienfirma aufgerufen, mit den Besetzerinnen und Besetzern ein Nutzungskonzept abzuschliessen.

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