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Veranstaltung zu Grenzen des Humanismus - Ärger vorprogrammiert

Im Rahmen der Dresdner Bewerbung zur europäischen Kulturhauptstadt 2025 unter dem Motto "Neue Heimat Dresden" , fand am 23.10.2019 im Deutschen Hygiene-Museum eine Veranstaltung zum Thema Seenotrettung von Geflüchteten im Mittelmeer statt. Im Mittelpunkt stand die in Dresden gegründete Hilfsorganisation Mission Lifeline und der Dokumentarfilm "Die Mission der Lifeline" des Dresdner Filmemachers Markus Weinberg und eine anschliessende Podiumsdiskussion. Vor und während der Veranstaltung kam es dabei wiederholt zu Störungen und Bedrohungen aus dem rechten Lager.

Bereits eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn entrollte eine cirka 15-köpfige Gruppe ein Transparent mit der Aufschrift "Schlepper bekämpfen" vor dem Hygienemuseum. Unter dieser Gruppe befand sich auch der AfD-Stadtrat Heiko Müller. Nach der Aktion mischten sich die Störerinnen und Störer in das Publikum. Nach den einleitenden Worten zur Eröffnung ergriff ein Mann, welcher bereits in der Vergangenheit Aktivist*innen der Mission Lifeline bedrohte hatte, plötzlich das Wort und rannte schreiend durch den Saal. Es folgten tumultartigen Szenen zwischen Organisatoren, entsetzten Besucherinnen und Besuchern sowie rechten Störern. Zahlreiche Kameras filmten, wie immer wieder Personen das Wort für den Störer ergriffen, so dass ein reibungsloser Ablauf der Veranstaltung nicht möglich war.

Erst die etwa 45 Minuten nach abgesetztem Notruf eintreffende Polizei konnte die Situation schliesslich ein wenig beruhigen. Nachdem gegen einzelne Personen ein Hausverbot ausgesprochen und sie des Saales verwiesen wurden, konnte der Dokumentarfilm gezeigt werden. Auch hier fiel die immer noch anwesende AfD-Anhängerschaft um den Dresdner Stadtrat Heiko Müller wiederholt durch aufgesetztes Lachen auf. Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei beobachteten die Lage aus dem Foyer, bevor sie noch während der Filmvorführung wieder abrückten.

Im Anschluss an den Film begrüsste die Moderatorin Eileen Mägel die Teilnehmenden der Podiumsdiskussion. Unter lautem Applaus betrat der Kapitän des Seenotrettungsschiffes "Lifline", Claus-Peter Reisch, die Bühne. Auf dem Podium sassen ausserdem Dresdens Zweite Bürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Die Linke), der Regisseur Markus Weinberg und der Pressesprecher der Freien Wähler Dresden, Torsten Küllig. Kurzfristig ausgefallen war Domenico Lucano, ehemaliger Bürgermeister der kalabrischen Stadt Riace. Er durfte nach einer gerichtlichen Verbannung wieder zurück nach Riace.

Aus dem Publikum erfolgten antisemitische Zwischenrufe, wonach "Mission Lifeline" durch "Herrn Soros" finanziert sei, um damit "den grossen Austausch in Deutschland und Europa" voranzutreiben. Daneben fiel Torsten Küllig durch rassistische Äusserungen auf dem Podium auf. Die Moderatorin griff trotz offensichtlich rechter Äusserungen nicht ein. Viele Dresdnerinnen und Dresdner liessen sich von den rechten Wortergreifern nicht davon abhalten, emotionale Worte für eine Rettung von Geflüchteten im Mittelmeer an das Podium und Publikum zu richten. Der ebenfalls anwesende Johannes Lichdi (Stadtrat für Bündnis 90 / Die Grünen) kommentierte die antisemitische Äusserung eines Besuchers und enttarnte diese als Verschwörungstheorie. Es folgte lauter Applaus des ganzen Saals. Nach weiteren lauten und aggressiven Zwischenrufen wurde kurz vor Ende der Veranstaltung erneut eine Person des Saales verwiesen.

Warum die Veranstalterinnen und Veranstalter keinen betroffenen Menschen mit Fluchterfahrung die Chance bot, über das Erlebte zu berichten und stattdessen einem rechten Demagogen samt Unterstützern ein Podium für menschenverachtende Äusserungen bot, bleibt unklar. Vielfach wurde auch in den sozialen Medien der wohl kalkulierte Krawall kritisiert, den sich die Initiatorinnen und Initiatoren der Kulturhauptstadtsbewerbung mit ihrem zynischen Veranstaltungstitel regelrecht eingeladen hatten. Welche Dramatik das Thema Seenotrettung inzwischen angenommen hat, zeigt ein Vorfall am Samstag, als mehrere Schiffe der durch die EU finanziell unterstützten libyschen Küstenwache die Alan Kurdi mit Waffengewalt an der Rettung von 92 Menschen hindern wollte.

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