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Das Ende des Extremismus

Die Initiative gegen jeden Extremismusbegriff ruft das Ende des Extremismus aus. Unser sperriger Name ist dabei Programm. Nicht die Angst, in die Schmuddelecke »linksextrem« gestellt zu werden, treibt uns an. Uns geht es darum, den Extremismusbegriff in der wissenschaftlichen und in der politischen Praxis ganz über Bord zu werfen.

Die Extremismusformel behauptet, es gebe eine demokratische Mitte der Gesellschaft, die durch rechte und linke ExtremistInnen gleichermassen bedroht sei. Damit setzt der Extremismusbegriff linke Gesellschaftskritik und antifaschistischen Widerstand mit dem Denken und Handeln von Nazis gleich, jenseits aller inhaltlichen Kriterien. In der Praxis führt das immer wieder zu einer Kriminalisierung antifaschistischen Engagements sowie linker Politik- und Kulturprojekte. Eine solche »Mitte - Rand« und »Rechts gleich Links« Aufteilung verharmlost nicht nur das Naziproblem. Sie verhindert die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Elementen der Naziideologie, also auch die Auseinandersetzung mit rassistischen, antisemitischen, sexistischen und autoritätshörigen Einstellungen, die sich durch alle Bevölkerungsschichten ziehen.

Obwohl die Extremismusformel empirisch widerlegt ist, hat sich der Begriff politisch durchgesetzt. Nicht nur Verfassungsschutz und CDU-PolitikerInnen dient er als Erklärungsmodell und Handlungsanleitung. Mit jedem Beitrag über »politisch motivierte Jugendgewalt«, mit fast jeder Veröffentlichung zu Rassismus, Antisemitismus und anderen Elementen nationalsozialistischer Ideologie wird er aufs Neue kolportiert. Er ist die Grundlage der bundesdeutschen Förderprogramme gegen Nazis. Mit ihm werden Volksfeste, Fussballturniere und Lampionumzüge gegen Gewalt ausstaffiert. Die meisten ProtagonistInnen der Zivilgesellschaft sind »Gegen Extremismus und Gewalt« und die Begriffe »Rechts- und Linksextremismus« werden von der wissenschaftlichen Forschung bis hin zu antifaschistischen Gruppen ganz unkritisch verwendet.

Das haben wir als INEX im Frühjahr 2008 mit einem Offenen Brief thematisiert. Unser Aufruf zur kritischen Teilnahme an einer Veranstaltung von Eckhard Jesse, einem Apologeten der Extremismusformel, war sehr erfolgreich. Eckhard Jesse blamierte sich vor dem versammelten kritischen Publikum. Daraufhin wurde die Extremismusformel am Beispiel von INEX selbst exerziert. Ganz in der Logik des Begriffs suchten die VeranstalterInnen und die mediale Öffentlichkeit keinerlei inhaltliche Auseinandersetzung mit unserer Position, stattdessen wurde INEX der Extremismusstempel aufgedrückt.

Mit dieser Veranstaltungsreihe wollen wir unsere Position darbieten und zur Diskussion stellen. Ausserdem werden wir theoretische Konzepte beleuchten, auf denen die Extremismusthese basiert und deren praktische Auswirkungen an den Beispielen Medienöffentlichkeit und staatliche (Straf)Verfolgung erläutern.

Was ist falsch am Extremismusbegriff?
Auftakt der Veranstaltungsreihe »Das Ende des Extremismus«

Diskussion mit der Initiative gegen jeden Extremismusbegriff (INEX), Marliese Weissmann (Universität Leipzig, Co-Autorin der FES-Studie »Ein Blick in die Mitte«) und Till Grefe (Jungle World-Autor, Chemnitz)

Als der Chemnitzer Politologe Eckhard Jesse, einer der einflussreichsten Vertreter der Extremismustheorie, im Frühsommer in Leipzig seine Thesen vorstellen wollte, sah er sich massiver Kritik gegenüber. Nicht zuletzt die dann auftauchende Polizei verhinderte damals, dass diese Kritik ausführlicher dargelegt werden konnte. Deshalb wird zum Auftakt der Veranstaltungsreihe »Das Ende des Extremismus« als Einführung erst einmal die Frage geklärt, was es eigentlich am Extremismusbegriff und seinen VerfechterInnen zu kritisieren gibt.
Ein Mitglied der Leipziger »Initiative gegen jeden Extremismusbegriff« wird deren Position präsentieren: warum lehnt sie diesen Begriff ab? Weshalb lässt sich die Auseinanderzusetzung um ihn / gegen ihn nur innerhalb einer grundsätzlichen Gesellschaftskritik führen? Neben dieser Begriffsklärung stellt Marliese Weissmann, Co-Autorin von Ein Blick in die Mitte, einige Ergebnisse dieser Studie vor, entlang der Frage, ob es die oft beschworene Mitte der Gesellschaft denn gibt und wie sich dieses Konstrukt zu den so genannten und ebenfalls angenommen Rändern der Gesellschaft verhält. Till Grefe wird über die politischen Aktivitäten einer der wissenschaftlichen Hauptverfechter der Extremismustheorie, des Chemnitzer Politikwissenschaftlers Eckhard Jesse referieren. Hierbei vor allem zur Frage, wie sich die von Jesse als Berater von Verfassungsschutz und CDU verfochtene Linie in der sächsischen Politik als Akzeptanz gegenüber der NPD und der Behinderung und Repression von antifaschistischem Engagement äussert.

11. November 2008 Hochschule für Grafik und Buchkunst (HgB), Raum 241, 19 Uhr (Leipzig)


Das 20. Jahrhundert erklären
Geschichte der Totalitarismustheorien

Vortrag und Diskussion mit Mathias Berek (Kulturwissenschaftler, Leipzig)

Kein Extremismusansatz kommt ohne Verankerung in einer der Totalitarismustheorien aus. Man kann die Problematik des Extremismusbegriffs deshalb nicht verstehen, ohne wenigstens grundlegend etwas über Totalitarismustheorien zu wissen.
Die Veranstaltung gibt einen kurzen Einblick in die Geschichte dieser Theorien, die im 20. Jahrhundert versucht haben, Phänomene wie Faschismus, Nationalsozialismus oder Stalinismus unter ein Label zu fassen. Darunter fallen komplexe Ansätze wie der von Hannah Arendt, aber auch politisch motivierte (und gerade deshalb so erfolgreiche) Modelle wie das von Carl Joachim Friedrich. Es wird darum gehen, inwieweit sich diese Erklärungsversuche wissenschaftlich bewährt haben und welche Rolle sie bis heute in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft spielen.

27. November 2008 Conne Island, Saal, 19 Uhr (Leipzig)

Das Volk und seine Zeitung
Zur medialen (Re)Produktion des Extremismus

Vortrag und Diskussion mit Gottfried Oy (u.a. Autor von »Die Gemeinschaft der Lüge«, Frankfurt/Main) und Doris Liebscher (INEX)

»Welche Macht haben die Medien?« Die Berichterstattung der Leipziger Volkszeitung zu »Extremismus« zeigt, was »Medienmacht« bedeuten kann: Abweichende Statements, die den Extremismusansatz, die Hetze gegen Links oder die rassistische Berichterstattung des Blattes kritisieren, finden keinen Zugang in die Öffentlichkeit. Weil diese genauso denkt? Ein Blick
in die LeserInnen-Foren zu den Themen »Extremismus« oder »Ausländerkriminalität« legt diesen Schluss nahe? Oder weil das »Zeitungsmonopol der Springerpresse« keine Gegenöffentlichkeit zu lässt? Dies zu diskutieren, heisst auch zu fragen, wer die AdressatInnen linker Medienkritik sein könnten und ob diese Zielformulierung überhaupt
politisch sinnvoll ist. Doris Liebscher wird am Beispiel der Leipziger Volkszeitung schildern, wie eine Berichterstattung auf Grundlage des Extremismusbegriffs aussieht und welche Reaktionen der LeserInnenschaft damit einhergehen. Der Sozialwissenschaftler Gottfried Oy wird diese Befunde vor dem Hintergrund kritischer Medientheorien und ihrer Schwachstellen diskutieren.

5. Dezember 2008, Galerie für Zeitgenössische Kunst, GfZK-2, 19 Uhr (Leipzig)


Die Absolute Feindschaft?
Die Konstruktion von Terrorismus, Totalität und Staat

Vortrag und Diskussion mit Thomas Uwer (u.a. Herausgeber von Bitte bewahren Sie Ruhe: Leben im Feindrechtsstaat, Autor von Konkret und Jungle World)

Die Diskussion um den Paragraphen 129a StGB im Rahmen des Militante Gruppe (MG)- Verfahrens, hat in jüngster Vergangenheit wieder die Frage nach der staatlichen Konstruktion von Demokratie und Demokratiefeinden, Mitte und extremistischem Rand aufgeworfen. Ist die Vermutung der Anwendung von Feindstrafrecht und Polizeistaat in einer westlichen Demokratie wie der Bundesrepublik jedoch überhaupt noch angebracht? Nach welchen Kriterien werden BürgerInnen überhaupt zu Feinden des Staates und wer hat die Definitionsmacht dafür? Und, inwieweit haben die Theorien des NS-Staatsrechtlers Carl Schmitt hierbei weiterhin Einfluss? Der Journalist und Buchautor Thomas Uwer wird hier die Debatte um Feindstrafrecht und polizeiliche Intervention skizzieren und in Frage stellen, wieweit 129a StGB und MG mit Feindstrafrecht überhaupt zu fassen ist.

19. Januar 2009, Geisteswissenschaftliches Zentrum (GWZ), Hörsaal 2010, 19 Uhr (Leipzig)


Totalitarismus und Antikommunismus
Zur aktuellen Genese der Totalitarismustheorie als politischer Kampfbegriff
Diskussion mit Hermann Gremliza (Herausgeber der Zeitschrift Konkret), Klaus Körner (Buchautor u.a. »Die Rote Gefahr«) - beide angefragt

Wurde im Historikerstreit vor mehr als 20 Jahren noch heftig darüber gestritten, ob ein Vergleich von Nationalsozialismus und Kommunismus aufgrund der strukturell angelegten Relativierung der Naziverbrechen generell zulässig ist, gehört es heute fast zum guten Ton, die Systeme gegeneinander abzuklopfen. Auschwitz und Bautzen, Gestapo und Stasi, Partisanen-Widerstand und Neues Forum sind mittlerweile wissenschaftlich legitimierte Beispiele und Ebenen der Trivialisierung durch Vergleich. Die Veranstaltung soll gerade angesichts des 20. Wendejubiläums die antikommunistische Genese des Totalitarismusbegriffs diskutieren und aktuelle Entwicklungen und Modernisierungen totalitärer Theoriebildung aufzeigen.
Januar/Februar 2009, bitte auf aktuelle Ankündigungen achten!


Die Veranstaltungsreihe wird unterstützt von:
Rosa Luxemburg Stiftung
StudentInnenrat der Universität Leipzig
Conne Island


Initiative gegen jeden Extremismusbegriff (INEX)

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