/terminal
dresden
  alternativer veranstaltungskalender / blatt für unterbliebene nachrichten
kalender adressen texte links kontakt&infos

Antwort der ladyfestcrew Dresden auf einen Leserinnenbrief, ...

... der in der Mai-Ausgabe des Stadtmagazins DRESDNER erschien und sich auf das Interview "Eine Frage des Respekts" mit der ladyfestcrew Dresden bezog (April-Ausgabe). Im Mittelpunkt des Beitrages standen sexistische Partyflyer. Das Stadtmagazin DRESDNER konnte einen Abdruck der Antwort nicht ermöglichen.

Der Leserinnenbrief versammelt eine Reihe von Klischees und Unterstellungen, die wir hiermit dekonstruieren bzw. zurückweisen wollen:

1. Wir vertreten nicht die Sache der Frauen. Wir vertreten nur unsere eigene Sache. Wir haben an keiner Stelle einen Alleinvertretungsanspruch zum Thema Feminismus formuliert. Mit der Kategorie "Frau" können wir prinzipiell nicht allzu viel anfangen, deshalb nennen wir uns auch Ladies. Dies ist ein Begriff, mit dem mehr als nur ein Geschlecht gemeint ist. Er stellt eine Weiterentwicklung der Bezeichnung "Riot Grrrls" dar. Die Riot Grrrls sind erwachsen geworden und verstehen sich daher inzwischen als Ladies. Eine Lady ist in diesem Sinne eine, die Respekt einfordert, sich ihrer Fähigkeiten bewusst ist und nicht mehr um Anerkennung kämpfen muss. Die Losung "If you feel like a lady - be part of the ladyfest" stellt darüber hinaus eine Einladung an alle Menschen unabhängig von ihrem biologischen Geschlecht dar. Bedingung ist vielmehr eine feministische Grundhaltung.
Wenn wir dennoch von Frauen und Männern sprechen, so tun wir das, weil wir im Alltag mit einem heteronormativen bzw. heterosexistischen Weltbild konfrontiert werden und aufgrund unserer Zuordnung zu den Kategorien "Mann" oder "Frau" an Grenzen stossen und vorgefertigten Bildern unterworfen sind. Wir lehnen das Bild der biologisch determinierten Zweigeschlechtlichkeit ab, denn Geschlecht ist sozialisiert (gender).

2. Unsere Bemerkung zum Erfolg von Frauen ist aus dem Kontext gerissen. Es ging um Frauen in der Musik-, Club-, DJ-Szene. Hier wird Erfolg mit Fähigkeiten verwechselt. Wir meinen nicht, dass female DJs oder Djanes, die "es geschafft" haben, entweder tough sind oder Glück gehabt haben und aber unfähig, sondern dass sie zusätzlich zu ihren Fähigkeiten, die sie natürlich haben, viel mehr Ausdauer und Durchsetzungsvermögen mitbringen müssen als ihre männlichen Kollegen. Diese können nämlich von einem von Jungs bzw. Männern dominiertem Netzwerk profitieren.

3. Die Aufschriften auf den Shirts wurden gesprayt, das Bild vom Kreis stickender Frauen können wir leider nicht bestätigen. Die Geschichte zu diesen T-Shirts: Nachdem in einem Forum der website banq.de die Ladyfestgruppe dafür gedisst wurde, auf ihren Veranstaltungen nicht zu dulden, dass die female artists auf der Bühne mit "Auszieh'n auszieh'n!" "angefeuert" werden, schrieb jemand, dass es ja wohl besonders witzig wäre, eine solche Aktion auf einer "Emanzensause" zu reissen (vielen Dank an den Wortschöpfer/die Wortschöpferin!). Woanders könne man damit ja niemanden mehr provozieren. Da uns der Begriff gefiel, haben wir ihn uns angeeignet: I am happy to be part of emanzensause! Und im Übrigen: unsere Kleiderwahl machen wir nicht so sehr davon abhängig, was an uns gern gesehen wird, sondern daran, was wir mögen und angemessen finden.

4. Deutlich wird in Eurem Brief, dass Ihr dem beliebten Klischee der männerfeindlichen Feministin aufsitzt. Damit wird gern feministische Kritik abgewehrt. Bisher waren wir auch noch nicht auf die Idee gekommen, dass wir uns mit der Äusserung feministischer Ideen gleichzeitig zu unserer Sexualität erklären müssten. Wir mögen Männer, einige von uns lieben sogar welche (sic!) und vielleicht zeigen einige von uns auch Haut, nicht weil sie von Männern gut gefunden werden wollen, sondern von Frauen. Oder von beiden? Who knows?

5. Sexismus lässt sich nicht umkehren. Denn Sexismus ist lt. Definition die Unterdrückung einer Person aufgrund seines oder ihres biologischen Geschlechtes (Sex = englisches Wort für biologisches Geschlecht!) Wir wollen keine Männer zu Objekten reduzieren (Uns scheint, ihr seid männerfeindlicher als ihr uns unterstellt), wir wollen überhaupt niemanden zum Objekt reduzieren.

Und noch was allgemeines zum Schluss: Die patriarchalen Verhältnisse wären längst überwunden, wenn sie nicht von einer Mehrzahl der Menschen (darunter euch) mitgetragen würden. Der Feind ist nicht der Mann! Eine Strategie, die das Patriarchat mit den eigenen Waffen (Männer als Objekte) schlagen möchte, trägt nichts zu einer Gesellschaft bei, in der es egal ist, wie wir geboren wurden.

  • ***Im Folgenden die beiden Texte, auf die sich diese Erwiderung bezieht***
Eine Frage des Respekts

Interview mit den Organisatorinnen vom Ladyfest

Am Frauentag traf sich Judith Matz für das DRESDNER Kulturmagazin mit Helga und Anna, zwei Vertreterinnen der Vorbereitungsgruppe fürs Dresdner Ladyfest, um etwas Licht in das Bild von Frauen in der Clubkultur zu bringen.

Was ist das Problem an der Darstellung von Frauen auf so vielen Flyern?
Anna: Dass die Frauen immer aus der Männer- oder eher Mackerperspektive zu sehen sind. Das ist aber nicht nur auf den Flyern so, sondern auch bei Stadtmagazinen oder der DVB-Werbung mit "das kleine Schwarze".
Helga: Aber uns interessiert auch eher die Darstellung von Frauen in Clubs mit alternativerem Programm, wie etwa der Groove Station oder der Scheune.

Wieso?
Helga: In der Groove Station waren vor eineinhalb Jahren die The Starfuckers mit ihrer "Greatest Tits Tour". Da war auf den Plakaten eine komplett nackte Frau zu sehen, die nur einen Stern zwischen den Beinen hatte. Das war für mich u.a. eine Motivation, ein Ladyfest aufzuziehen. Oder bei einer Dresdner Band gab's ein Plakat, auf dem ein Roboter eine Frau trägt. Sie hatte zwar auch nichts an, aber darum ging es gar nicht. Es geht darum, dass der Mann da für die Technik steht und die Frau für die Natur. Das ist ein Sexismus der subtileren Art, der leider selten erkannt wird.

... obwohl ich persönlich relativ wenige Frauen kenne, die sich für Technik interessieren.
Anna: Es geht darum, dass bestimmte Wissensbereiche gar nicht weitergegeben werden. Es fehlen weibliche DJs, weibliche Bands, Technikerinnen...Und bei Frauen in der DJ-Szene ist das oft so, dass sie entweder super-tough sind oder eine Menge Glück hatten.

Worum geht es denn bei eurer Arbeit?
Helga: Wir wollen Musikerinnen und Künstlerinnen pushen und ihnen eine Bühne stellen. Es geht uns um Respekt für die Ladies. Uns wird bei unseren Aktivitäten viel Disrespekt gezeigt. So etwas kann man auch auf der Webseite von Luka Skywalker lesen, Produzentin und DJ aus Hamburg.
Anna: Sie erzählt z.B., wie sie die Anlage komplett anschliesst und dann der Techniker kommt und ihr den Crossfader erklärt. Oder wie eine Schlagzeugerin ihr Set aufbaut, daran herumprobiert und sie gefragt wird, wo denn der Schlagzeuger ist. Das ist respektlos.

Woran liegt das?
Anna: In Dresden werden Sexismus, Feminismus und "gender", das konstruierte Geschlecht, nur wenig diskutiert. Selbst die Gleichstellung, nicht nur die von Frauen, obwohl die natürlich wichtig ist, sondern auch die von Schwulen und Lesben, von Transsexuellen und vielen anderen, ist hier kaum ein Thema. Im Prinzip hat jeder Mensch sein eigenes Geschlecht.
Helga: In Westdeutschland gibt es da einen theoretischen Vorlauf. Da wurden die Debatten schon vor Jahren geführt. Sich hier als Feministin zu bezeichnen, kommt meist schlecht an. Dabei ist es doch logisch für mich als Frau, Feministin zu sein. Ich fände es auch logisch, wenn jede Frau sich als Feministin bezeichnete. Die
wenigsten verstehen, was mit Sexismus gemeint ist. In einem Forum warf uns jemand vor, dass wir bestimmt nur so sind, weil wir hässlich sind wären und uns auf Parties niemand anmachen würde. Da wird Sexismus mit Sexualität oder Sex verwechselt.

Gibt es noch andere Gruppen in Dresden, die sich mit Sexismus auseinandersetzen?
Anna: Aktionen von Einzelpersonen gibt es auf jeden Fall. Zum Beispiel fand an der TU eine Umfrage statt, bei der die Leute gefragt wurden, was sie von der baldigen Einführung von Unisex-Toiletten halten würden. Die Frage zielte auf die Dekonstruktion von Geschlecht. Und es gibt natürlich frauenspezifische Projekte.
Helga: Und dann gibt's den Girls Day/Boys Day im Rundkino, von der Stadt organisiert.
Anna: Aber der Idealfall wäre ja, dass Frauen nicht auf das "self-empowerment" gestossen werden müssen sondern dass es normal ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

und 2. der leserinnenbrief:

Ladies! Ihr vertreted die Sache der Frauen, was gut und euer Recht ist. Ihr vertretet aber nicht die Sache aller Frauen. Dürfen wir euch in Teilen widersprechen? Denn ihr prägt das Bild des Feminismus nach eurem Gutdünken öffentlich. Einige Dinge sehen wir anders.

Punkt 1, ganz grober Schnitzer!: Ihr schmälert den Erfolg von Frauen, mit der Behauptung, sie seien superthough oder hätten nur Glück gehabt. Das ist Sexismus, Ladies, 1000-mal ertragen, z.B. betreffs Dr. Merkel. Wenn von Männern publiziert, langweilig, von Feministinnen, ein Gräuel.

Punkt 2: Wir halten mal zur näheren Betrachtung hoch, was wir von euch gesehen haben: "Emanzensause", in lieblicher Mädchenschrift gestickt, auf Neckholdershirts, so dass man noch ein bisschen nackte Haut dahinter sieht: Sexs sells, nicht wahr? Frage: Ist ein bisschen Nackt Haut zeigen weniger sexistisce, weil ihr Objekt und Subjekt der Begierde zugleich wart? Und noch eine: Wieso werbt ihr überhaupt mit euch, uns, Frauen eben? Männer stellen Frauen dar, weil sie Frauen gut finden. Schwule zeigen Männer, weil sie Männer gut finden. Nur wir Frauen präsentieren uns selbst viertel- oder achtel- oder zehntelnackt? Warum? Weil sie von Männern gut gefunden werden wollen, zeigen Frauen Haut. Wogegen also ist dies eure Position? Schluss damit. Wir sind (Hetero-)Frauen. Wir finden Männer gut. Sehr schick sogar. Und am schicksten sind sie nackt, halbnackt, achtelnackt. Also machen wir Männer zu unseren Objekten. Wir geben uns erst zufrieden, wenn auf Plakaten weibliche Maschinen nackte, schöne Männer tragen. Sexismus lässt sich schwerer unterbinden als umkehren. Seht ihr nicht so? Na dann, auf zum Dialog, liebe Ladies! Feminismus ist nicht mehr nur militante Anti(männer)haltung, denn neue Zeiten sind angebrochen!

Dima Rien, Freie Autorinnen in Dresden

index kalender adressen texte links kontakt&infos

contact: terminal@free.depgp-keykey fingerprint: C9A4 F811 C250 3148 9FAB 6A1B 9743 6772 90D1 C385