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Revival der 90'er Jahre?

Die Situation, der Asylsuchende im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge ausgesetzt sind, ist derzeit unerträglich. Animiert durch die Grossdemonstrationen von Pegida und Co. und hofiert durch die sächsische CDU, die in ihrem Positionspapier die Forderungen des Strassenmobs in Textform meisselt, fühlen sich Rassist_innen angeheizt, ihren Hass auf die Strasse zu bringen. Nicht überall gelingt dies gleich gut.

So gab es seit Ende des letzten Jahres Demonstrationen in Bad Schandau, Sebnitz, Neustadt in Sachsen, Pirna, Heidenau, Dippoldiswalde, Schmiedeberg, Freital und anderen Gemeinden. Doch es kann nicht von einer Selbstorganisation von Bürger_innen ausgegangen werden. Als Hauptakteure der Veranstaltungen präsentieren sich meist Mitglieder der NPD. Zu den Demonstrationen in Pirna konnte die NPD zuletzt keine 100 Teilnehmenden organisieren. Unter einem Foto auf dem etwa 50 Personen zu sehen sind, steht: "Etwa 150 Bürger setzten am heutigen Montag in Pirna ein Zeichen." Zur Demonstration am 25.03.2015 kamen rund 150 Menschen zur von der NPD angemeldeten Demonstration, die laut Sächsischer Zeitung wegen mangelnder Teilnahme vorzeitig abgebrochen wurde.

In Sebnitz, Neustadt in Sachsen und in Bad Schandau waren es zwischen 150-200 Menschen, die sich den Demonstrationen anschlossen. Die bisher grössten Aufmärsche fanden im ehemaligen Weisseritzkreis statt. Nach Schmiedeberg kamen 600, nach Dippoldiswalde 950 und nach Freital seit mehreren Wochen über 1000 Teilnehmende.

Eine der Demonstrationen in Freital lief dann auch völlig aus dem Ruder, als Teilnehmende versuchten die Absperrungen zu durchbrechen und sich Zugang zu Unterkünften von Asylsuchenden zu verschaffen. So heisst es auf addn.me: "Im Verlauf der Demonstration unter dem Motto "Freital wehrt sich. Nein zum Hotelheim" war die anwesende Polizei immer wieder mit Feuerwerkskörpern angegriffen worden. Etliche Menschen versuchten anschliessend in Kleingruppen zur Sammelunterkunft durchzubrechen. Zuvor hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der rassistischen Demonstration die genehmigte Route verlassen und waren zu den in einem Hotel untergebrachten Asylsuchenden gezogen." Diese Aktionen sorgten auf Facebook für Diskussionen, denn offenbar fühlte sich der Ordnungsdienst überlastet. So schrieb der Leiter des Ordnungsdienstes: "Und zwar war ich ja bei der Demo in Freital Leiter meiner Ordner. Als die Lage Eskalierte und ich alleine vor der BFE und den Hooligans stand sind paar Wörter gefallen die nicht hätte fallen dürfen. Ich selbst habe das leider nicht mit bekommen da Ich voll Adrenalin stand. Die Ordner die Ich von der PEGIDA bekommen habe hatten es mir am Montag gesagt. Und habe mich selbstverständlich sofort bei Ihnen Entschuldigt und habe mich ziemlich Geschämt. Ich hoffe das die Ordner die nicht von der PEGIDA bereit gestellt wurden meine Entschuldigung annehmen und bitte vielmals um Verzeihung" (alle Fehler im Original).

Und @avorrath twittert: "Toom-Baumarkt in Freital liegt Unterschriftenliste gg. geplantes Asylbewerberheim aus. Mit Zustimmung der Unternehmensführung".

Kurze Zeit später reagierte dann aber doch die Marktleitung und schrieb: "Wir möchten uns sehr für deinen Hinweis bedanken. Die angesprochene Liste wurde nach Ablehnung und ohne Zustimmung der Marktleitung ausgelegt und selbstverständlich wieder entfernt. Wir distanzieren uns von allen fremdenfeindlichen Aktionen."

Einige Tage später war in Freital dann eine Diskussionsrunde zum Thema Asyl geplant. Während andere Bürgermeister_innen für ihr humanistisches Engagement bedroht werden, muss sich Freitals OB Mättig darüber keine Sorgen machen. Im Gegenteil. Die Asyl-Gegner_innen schreiben: "PRO MÄTTIG Ein OB mit dem Herz auf der richtigen Stelle !". Vorausgegangen war ein Streit zwischen Mättig und dem CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus Brähmig über den Termin einer Informationsveranstaltung zum Thema Asyl. Dann sagte MdB Brähmig die Veranstaltung kurzfristig ab, was die rund 100 "besorgten Bürger_innen" veranlasste, sich am ursprünglichen Veranstaltungsort zu treffen und gemeinsam zum Heimgebäude zu ziehen. Trotz der aus dem Ruder gelaufenen Demonstrationen kamen eine Woche später erneut 1000 Rassist_innen. Mit Sprechchören wie "Lügenpresse auf die Fresse!" und Richtung Heim "Grillen, Grillen" zeigten sie, wie ihre Form der politischen Auseinandersetzung zu verstehen ist. Am gestrigen Freitag sind wieder Rassist_innen durch Freital gezogen.

Eine wichtige Rolle für die Mobilisierungen spielt dabei die Facebook-Seite "Nein zum Heim", die mittlerweile über 3500 Personen geliked haben. Zwar ist sie hauptsächlich nur ein Sammelsurium von Meldungen aus ganz Deutschland, sie dient aber auch zur Information von Kundgebungen vor Ort. So wirbt sie regelmässig für neue "Nein zum Heim"-Veranstaltungen im Landkreis. Die geschürte Atmosphäre zeigt Wirkung und die dumpfe Parolen der Rassist_innen führen zu einer reellen Bedrohungslage. Wie die RAA-Sachsen berichtet, häufen sich Angriffe mit rassistischer Motivation. Allein in den letzten Monaten des vergangenen Jahres gab es Angriffe in Schmiedeberg, Bad Schandau und Sebnitz. Dabei wurde sogar eine vietnamesische Familie mit einer Schusswaffe bedroht. Ausserdem führt die derzeitige Situation zu einer Enttabuisierung von Menschenverachtung. So wurden auf regionalen Faschingsumzügen eindeutig rassistische Bilder gezeigt. Die Menschen, die aus afrikanischen Ländern vor Folter und Ermordung flüchten müssen und eine gefährliche Reise auf sich nehmen, wurden in Reinhardtsdorf-Schöna zu "Reisefreudigen Afrikanern" abgewertet. Diese Aussage geht zurück auf den Görlitzer Unternehmer Winfried Stöcker. Dieser hatte in einem Zeitungsinterview unter anderem von "reisefreudigen Afrikanern" gesprochen, die "ungebeten über das Mittelmeer zu uns gelangen" und hier das Asylrecht missbrauchten. Dass dabei jährlich tausende Menschen auf der Flucht im Mittelmeer sterben, scheint "lustigen Narren" kaum zu berühren.

Dennoch gibt es auch Positives aus dem Landkreis zu berichten. Es gibt ein zunehmendes Interesse, Hilfe für Asylsuchende zu leisten und konkrete Aktionen zu unterstützen. Auch deshalb gründeten am 20.02.2015 Akteur_innen in Pirna den Verein AG Asylsuchende. Dies war notwendig, um der seit Jahren bestehenden AG Asylsuchende im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge eine handlungsfähige Rechtsform zu geben. "Als Verein ist es uns nun möglich, aktiver und nachhaltiger, Flüchtlingen und Opfern von rassistischen, antisemitischen und nationalsozialistischen Straftaten und Diskriminierungen zu helfen und zugleich bürgerschaftliches Engagement und Bildung zu fördern", betonte Petra Schickert, eine der drei gewählten Vorstandsmitglieder. Auch der Landkreis reagiert auf die zunehmenden Diskussionen um das Thema Asyl und präsentiert auf seiner Homepage eine Informationsseite des Landratsamtes Pirna. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass sie besondere Wirkungen zeigt, denn die Demonstrant_innen zeigten schon in der Vergangenheit ihre Faktenresistenz.

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