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Clausnitz - Willkommenskultur auf Sächsisch

Zwei Tage nach der Ankunft von Asylsuchenden haben im 60 Kilometer südlich von Dresden gelegenen Dorf Clausnitz am Samstag mehr als 100 Menschen gegen Gewalt und Rassismus protestiert. Im Unterschied zum Donnerstagabend, als ein gröhlender Mob aus Dorfbevölkerung und Nazis über zwei Stunden den Einzug von 15 Asylsuchenden behindert hatte, waren am frühen Samstagabend plötzlich genügend Polizeikräfte vor Ort. Auf Transparenten und in Redebeiträgen forderten die zum grossen Teil angereisten Menschen eine sichere und menschenwürdige Unterbringung Geflüchteter und überreichten mitgebrachte Spenden. Am Donnerstag war den blockierenden Menschen lediglich ein Platzverweis ausgesprochen worden, was von der Menge mit Gelächter zur Kenntnis genommen worden war. Als Reaktion darauf entschied sich der Einsatzleiter anschliessend jedoch nicht dazu die Platzverweise durchzusetzen und die Blockade zu räumen, sondern zur "Beruhigung der Lage" die verängstigten Businsassen unter dem Jubel der Menge teilweise mit Gewalt in die Unterkunft zu bringen.

Während die Polizei die Vorfälle im Nachgang in einer Pressemitteilung noch nahezu gänzlich verschwieg, musste sie nach Bekanntwerden von zwei im Internet veröffentlichten Videos, in denen die lautstarken rassistischen Proteste und das gewaltsame Vorgehen eines Beamten gegen einen 15jährigen Jungen gefilmt und ins Netz gestellt worden waren, eilig eine Pressekonferenz einberufen. Dort rechtfertigte der zuständige Chemnitzer Polizeipräsident Uwe Reissmann den Einsatz und sprach angesichts der Resonanz auf die Berichterstattung in sozialen Netzwerken von einem "Shitstorm" gegen die Polizei. Weil die Situation "drohte zu eskalieren", sei der in dem Video zu sehende Junge "zu seinem eigenen Schutz" mit "einfachem körperlichen Zwang" in die Unterkunft gebracht worden. Da Asylsuchende aus dem Bus heraus "provozierende Gesten" gemacht haben sollen, richten sich die Ermittlungen derzeit nicht nur gegen die blockierenden Menschen, sondern auch gegen diejenigen, die die Menschenmenge provoziert haben sollen.

"An diesem Einsatz gibt es nichts zu rütteln. Um die Situation nicht noch mehr zu verschärfen und damit Verletzte und Sachschäden zu riskieren, war es notwendig, die Asylsuchenden schnellstmöglich in ihre Unterkunft zu bringen. Dafür war einfacher unmittelbarer Zwang zum Schutz bei drei der Ankommenden notwendig." Polizeipräsident von Chemnitz Uwe Reissmann auf der Pressekonferenz am 20. Februar

Nach Darstellung der Polizei hatten am Donnerstag zunächst 30-40 Menschen mit einem Traktor, einem LKW und einem PKW die Zufahrt zur Unterkunft blockiert. Als kurz darauf ein Streifenwagen eintraf, hätten die beiden Streifenbeamten in Chemnitz und bei der Bundespolizei um Unterstützung für ihren Einsatz gebeten. Erst als die Polizei mit drei zusätzlichen Streifenwagen und sechs Bundespolizisten verstärkt und die auf 100 Personen angewachsene Menschenmenge durch den herbeigerufenen Bürgermeister und einem Vertreter des Landratsamtes um Ruhe gebeten wurde, konnte der Bus unter Polizeibegleitung bis vor die Unterkunft gebracht werden. Zuvor hatten die Fahrzeugbesitzer nach der Drohung der Polizei, diese andernfalls abzuschleppen, ihre Fahrzeuge weggefahren. Nach der Weigerung der Insassen, den Bus zu verlassen, habe die Polizei im Anschluss daran "einfachen unmittelbaren Zwang" angewendet, um die Situation zu "beruhigen".

Video des Polizeieinsatzes am 18. Februar

Die Pläne des Landkreises sehen vor, im Ortsteil Clausnitz der Gemeinde Rechenberg-Bienenmühle bis zu 25 Menschen unterzubringen. Für Verwunderung sorgte dabei allerdings die Besetzung der Heimleitung mit Thomas Hetze, einem Kommunalpolitiker der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD). Dieser hatte noch Anfang November bei einer von mehr als 1.000 Menschen besuchten AfD-Kundgebung in der nur wenige Kilometer von Clausnitz entfernten Universitätsstadt Freiberg vor einem "amerikanischen Masterplan" gewarnt, der auf eine "Destabilisierung des Nordens von Afrika und des Nahen Ostens" sowie einer Schwächung Europas abzielt und eine Selbstzerstörung Deutschlands zum Ziel hat. Angesichts eines "ungezügelten 100 000-fachen Einmarschs von Wirtschaftsflüchtlingen" rief er Staatsbedienstete dazu auf, sich für den "richtigen Weg" zu entscheiden. Auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung teilte Dieter Steinert vom Asylstab des Landkreises mit, dass er mit Hetze, "solange er nicht gegen geltendes Recht verstosse", "trotz seiner politischen Überzeugung" kein Problem habe.

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