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Redebeitrag des NAMF auf der Veranstatltung "Offen und bunt - Dresden für alle" am 26.1.2015

"Guten Abend,

ich spreche heute im Namen der Dresdener Initiative Netzwerk Asyl Migration Flucht zu ihnen. Wir sind eine Gruppe von Menschen und Initiativen, die sich seit 2012 für die Rechte von Geflücheteten, Migrant*innen und people of colour in Dresden und Sachsen einsetzt. Wir sind nicht die einzigen, die das tun. Es gibt viele Initiativen, die Flüchtlinge in Dresden unterstützen und sich gegen strukturellen und alltäglichen Rassismus engagieren. Und das ist auch nötig, heute mehr denn je. Warum tun wir das und was hat das mit der veranstaltung heute zu tun?

Weltweit sind über 50 Millionen Menschen auf der Flucht. Europa aber schottet sich ab. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten werden in ihrer Flüchtlingspolitik dann am kreativsten, wenn es darum geht, Fluchtmigrant*innen den Weg in die EU so schwer wie möglich zu machen. Legale Wege nach Europa existieren kaum, Asyl kann aber nur beantragen, wer auf europäischem Boden ist. So weichen viele Menschen auf andere Wege aus. Seit 1990 sind deshalb mindestens 27.000 Menschen an Europas Grenzen gestorben. Das ist nicht der Umgang, den wir uns mit schutzsuchenden Menschen wünschen und das hat mit Menschenrechten und europäischen Werten nichts zu tun!

Deutschland hat durch seine Politik viel zu dieser Situation beigetragen. Jahrzehntelang hat die Politik Zuwanderung als "Gnadenakt" oder aus ökonomischen/ wirtschaftlichen Aspekten befürwortet und das fehlende Selbstverständnis eines Einwanderungslandes ist noch heute spürbar. Rassismus in den Köpfen und den Behördenstuben, in Sprache und Gesprächen, in Politik und Öffentlichkeit prägt auch heute noch das Bild Deutschlands. Wir aber sagen: Rassismus tötet! Wir müssen endlich akzeptieren, dass wir ein Problem haben und darüber reden, anstatt rassistischen Argumenten auch noch mit Offenheit und Verständnis entgegen zu kommen und Ihnen eine Bühne zu geben!

In Sachsen ist dies besonders wichtig. Asylsuchende, Migrant*innen und People of Color erleben in Dresden und anderen Teilen Sachsens täglich, wie sie angefeindet und Opfer von Gewalt werden. Das zeigt beispielsweise die Statistik der Beratungsstelle für die Opfer von rechten Straftaten, RAA. Die Hilfslosigkeit und die Angst der Menschen sind spürbar, und das insbesondere seit letztem Herbst. Wir sind der Freistaat, in dem der nationalsozialistische Untergrund sich versteckt hat, in dem AfD und NPD 15% der Stimmen bei der letzten Landtagswahl erhalten und in dem paramilitärische Neonazisgruppen Jagd auf andere Menschen machen. Und wir sind die Stadt, in der jeden Montag tausende gegen Asylsuchende und eine vermeintliche Islamisierung auf die Strasse gehen.

In der Landesregierung oder den Stadtverwaltungen stellt man sich aber all zu oft nur dann schützend vor die Betroffenen, wenn mal wieder der gute Ruf der Weltoffenheit oder des Wirtschaftsstandortes in Gefahr sind. Was wir brauchen ist aber eine selbstbewusste Haltung gegen jede menschenverachtende Einstellung in dieser Gesellschaft an 365 Tagen im Jahr und nicht nur, wenn mal wieder was passiert ist. Denn das Fundament einer guten Gesellschaft und der viel beschworenen "Willkommenskultur" sind Menschenrechte und die Freiheit und Sicherheit aller Menschen in Sachsen und nicht nur einiger.

Was wir dagegen nicht brauchen, sind politische Vorstösse, die rassistischen und rechtspopulistischen Bewegungen in ihrem Handeln bestätigen: Wir brauchen keine Sondereinsatzkommandes für Asylsuchende oder mehr Abschiebungen. Wir brauchen auch keine Heimunterbringung in abgeschotteten und überfüllten Flüchtlingsheimen. Wir brauchen keine Arbeitsverbote, die die Menschen in Schwarzarbeit drängen und damit der Ausbeutung aussetzen. Wir brauchen keine gesetzlichen Einschränkungen, die Menschen ein selbstbestimmtes Leben praktisch verbieten und die ihnen Sprachkurse verweigern und den Gang zum Arzt erschweren! Es sind nicht Muslime oder Asylsuchende, die eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen, sondern die Feinde einer offenen und pluralistischen Gesellschaft.

Was wir alle brauchen, sind gegenseitiger respekt und das unbedingte Bekenntnis zu Menschenrechten und zur Aufnahme von Flüchtlingen, und das nicht nur, wenn sie uns wirtschaftlich von Nutzen sind. Wir brauchen gleiche Rechte für alle hier lebenden Menschen unabhängig von ihrem Pass oder Status. Wir brauchen ein Ende der Abschiebungs- und Abschottungspolitik. Wir brauchen eine Auseinandersetzung mit Rassismus, Nationalismus und jeder Form der Menschenverachtung in unserer Gesellschaft, denn auch die gesellschaftliche Mitte hat Probleme.

Diese Probleme gehen uns alle etwas an. Wir tragen Verantwortung dafür und wir müssen uns diesen Problemen stellen und Position beziehen. Wenn wir offen und bunt sein wollen, müssen wir etwas dafür tun. Flüchtlinge sind willkommen hier, Rassismus ist es nicht. Vielen Dank!"

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