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Offener Brief an Oberbürgermeister Hilbert

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Hilbert,

mit Interesse lasen wir Ihren Brief, in dem Sie Ihre Bestürzung über die jüngsten Ereignisse in der Stadt zum Ausdruck bringen. Wir antworten Ihnen als Bürger*innen, die im Rahmen des Projektes Elixir und darüber hinaus seit geraumer Zeit an Perspektiven für ein gleichberechtigtes und respektvolles Miteinander alter und neuer Dresdner*innen arbeiten. Neben zahlreichen Einzelpersonen unterstützen viele Akteure und Institutionen dieser Stadt unsere Idee für ein interkulturelles Zentrum.

"Die Bilder und Berichte [...] gehen um die Welt und sie fügen sich ein in ein bereits vorhandenes Urteil über unsere Stadt: dass man als ethnisch anders aussehender Mensch hier nicht sicher ist."

Diese Worte fand Prof. Wolfgang Donsbach in einem offenen Brief im Juli 2009 nach der Trauerfeier für die ermordete Marwa El-Sherbiny. Weiter schrieb er: "Dresden, und zwar Stadtverwaltung wie Bürger, hat noch nicht begriffen, was das Thema für die Stadt bedeutet, welchen Schaden es anrichtet und welche Ursachen es hat." Auch Sie schreiben in Ihrem Brief von Bildern aus Dresden, die bundes- und europaweit für Bestürzung sorgen. Die Bilder in der Presse von menschenfeindlichen Äusserungen am 3. Oktober, vor allem gegenüber Bundes- und Landespolitiker*innen, mögen erschreckend sein. Viel erschütternder finden wir jedoch die Tatsache, dass auch im Oktober 2016, sieben Jahre nach dem Mord an Marwa El-Sherbiny, in Dresden noch immer ein Klima der Angst herrscht. Und zwar für Menschen, die "..anders aussehen, eine andere Hautfarbe haben, einer anderen Religion angehören oder einfach nur eine andere Meinung haben." Diese Situation verstärkt sich in den letzten zwei Jahren stetig, durch offen fremdenfeindliche und rassistische Übergriffe und Demonstrationen, durch "...Hetze, Schmähungen, Hass und Rassismus...". Und wir können Ihnen da nur zustimmen: So etwas ist keine Gesprächsgrundlage!

Auf der anderen Seite gibt es in Dresden viele Initiativen und Menschen, die gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus aktiv sind. Die sich für eine offene und demokratische Stadtgesellschaft einsetzen und sich nicht erst seit gestern die Frage stellen, wie wir zusammenleben wollen. Die Ideen und Konzepte für ein gleichberechtigtes, respektvolles undsolidarisches Miteinander alter und neuer Dresdner*innen entwickeln. Viele dieser Menschen bekommen nach wie vor nicht die Unterstützung der Stadt Dresden, die notwendig wäre aufdiesem Weg.

Wir begrüssen Ihre offenen und klaren Worte und teilen Ihre Sorgen um die Stadtgesellschaft. Wir hoffen, dass aus dieser Sorge in Zukunft konkrete Schritte folgen, die sich nicht auf Reparaturversuche am ramponierten Image der Stadt beschränken. Die Stadtgesellschaft braucht mehr als ein Bürgerfest.

Wir fordern Unterstützung für Initiativen, Projekte und Menschen, die sich kontinuierlich für eine offene und demokratische Stadtgesellschaft einsetzen, die Orte der Begegnung, des Kennenlernens, der Auseinandersetzung und des Ausprobierens schaffen wollen. In Bezug auf das Projekt Elixir konkret fordern wirSie nochmals auf, sich gegen den Verkauf der ehemaligen Arbeitsanstalt auf der Königsbrücker Strasse 117a/119 auszusprechen und an diesem Ort durch eine Konzeptausschreibung eine soziale und integrative Nutzung zu ermöglichen.

Denn genau das braucht Dresden: Bereitschaft und Räume zum Kennenlernen.

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