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Namenslesung auf dem Heidefriedhof: Befürchtungen haben sich bewahrheitet

Die vom Verein "Denk Mal Fort!" auf dem Heidefriedhof organisierte Namenslesung am 13. Februar sorgte im Vorfeld für heftige Kritik. Mit dem unterschiedslosen Verlesen würde eine Gleichmacherei der Toten betrieben. Gleichzeitig bediene sich der Verein einer Form des Erinnerns, die den Opfern der nationalsozialistischen Verbrechen vorbehalten ist. Erst nach einer erfolgreichen juristischen Auseinandersetzung gelang es der Dresdner Linksjugend, dazu am Jahrestag der Bombardierung eine Protestkundgebung unweit der Veranstaltung zu organisieren.

Dass die Kritik nicht unbegründet war, sollte die Veranstaltung schnell zeigen. Bereits in der Eröffnungsrede drängte sich eine grössere Abordnung der AfD, darunter der Bundestagsabgeordnete Joachim Keiler und die Dresdner Stadträte Silke Schöps und Heiko Müller, mitten durch die Veranstaltung. An der Sandsteinmauer legten sie zwei billige Europaletten ab, auf denen die Zahl 6.865 zu lesen war. So viele Leichen sollen auf dem Altmarkt verbrannt worden sein. Anschliessend konnten sich die AfD-Vertreterinnen und Vertreter unwidersprochen in die Menge einreihen.

Dort versammelten sich neben der langjährigen Bisinger NPD-Aktivistin Schmidt Edda Schmidt und der neurechten Buchhändlerin Susanne Dagen, auch der Sächsische Kultusminister Christian Piwarz und der Präsident des Sächsischen Landtags, Matthias Rössler (beide CDU).

Auch kritische Menschen waren anwesend. Sie machten sich besonders während des zweiten Redebeitrags von Justus Ulbricht mit empörten Zwischenrufen bemerkbar. Der Geschäftsführer des Dresdner Geschichtsvereins stellte dabei nicht nur seine Veranstaltung in eine Reihe mit Namenslesungen der Opfer der Shoah und der islamistischen Anschläge vom 11. September 2001. Er machte auch deutlich, dass ihm bewusst sei, dass sich hinter den gelesenen Namen neben Opfern des Nationalsozialismus auch überzeugte NS-Täterinnen und Täter verbergen. Mit der Lesung, so Ulbricht, mache man sie alle symbolisch wieder zu Mitbürgerinnen und Mitbürgern.

Allein diese Worte zeigen, wie wenig sich die Verantwortlichen der Veranstaltung mit der Kritik auseinandergesetzt haben. Die Stiftung Weiterdenken sagte im Vorfeld der Veranstaltung gegenüber addn: "Das Erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus vereitelt das Ziel der Nationalsozialisten. Wir erinnern an die Opfer und sind so Teil des Nichtvergessens. Das Erinnern ist so ein Teil antifaschistischer Praxis. Wir entreissen die Opfer dem Vergessen. Es gibt den Opfern Respekt zurück.Die gleichen erinnerungspolitischen Formen auf die Mehrheitsgesellschaft der Deutschen zwischen 1933 und 1945 anzuwenden, heisst, in Kauf zu nehmen, die Täterschaft bspw. von SSlern zu beschönigen und unsichtbar zu machen. Das ist verantwortungslos."

Dass dieses Angebot von Nazis angenommen wurde, beobachtete wenig später der Journalist Henrik Merker. Beobachtern ist Sebastian A. lange bekannt. Auf seinem inzwischen gelöschten Facebookprofil teilte er Inhalte von Reichsbürgern, AfD und Jungen Nationalisten. Immer wieder nahm er an rechten Demonstrationen teil, zuletzt am sogenannten "Trauermarsch" um den Dresdner NPD-Vorsitzenden Maik Müller. Die Problematik, dass sich extrem rechte Personen an der Namenslesung beteiligen und Opfer des Nationalsozialismus damit weiter verhöhnen könnten, war den Organisatorinnen und Organisatoren bekannt. Eine entsprechende Anfrage blieb allerdings unbeantwortet. So war es nur folgerichtig, dass sich Antifaschistinnen und Antifaschisten mit einem Transparent und lauten Rufen unter dem wachsamen Auge der überpräsenten Polizei gegen die Namenslesung positionierten. Im Anschluss an die Veranstaltung nahm die Polizei nach eigenen Angaben von neun Personen die Personalien auf. Hintergrund der Massnahme ist bisher nicht bekannt.

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