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Antifaschistischer Protest sorgt für verkürzten Naziaufmarsch am 15. Februar
Nach den Protesten auf dem Heidefriedhof und am Abend des 13. Februars gegen die Veranstaltung der AfD, fand am vergangenen Samstag anlässlich des 75. Jahrestages der Bombardierung Dresdens der zentrale Naziaufmarsch statt. Mit rund 1.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern versammelten sich in diesem Jahr an der Lingnerallee deutlich mehr, als noch 2019, als 800 Nazis den Weg nach Dresden fanden. Durch eine Reihe von Blockaden musste die prestigeträchtige, durch die Dresdner Innenstadt geplante Route, schliesslich verlegt werden. An den Protesten gegen die Demonstration des "Aktionsbündnis gegen das Vergessen" beteiligten sich mehrere tausend Menschen. Laut Polizei Sachsen wurden 25 Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Verstössen gegen das Versammlungsgesetz und Körperverletzungsdelikten, im Rahmen des Versammlungsgeschehen aufgenommen. Sieben Personen wurden zwischenzeitlich in Gewahrsam genommen. Insgesamt war die Polizei mit 1.500 Beamtinnen und Beamten aus etlichen Bundesländern im Einsatz. Bereits gegen 11 Uhr sammelten sich die ersten Menschen an den beiden Kundgebungsorten vor dem Hauptbahnhof und dem Alaunpark in der Dresdner Neustadt, wo "Dresden Nazifrei" und "Tolerave" bereits im Vorfeld jeweils eine Demonstration unter dem Motto "Nazis stören" angemeldet hatten. An beiden Versammlungsorten begann die Polizei damit, grundlos Demonstrationsteilnehmerinnen und Teilnehmer sowie die Lautsprecherwägen zu kontrollieren. Mit Verzögerungen starteten beide Demonstrationen schliesslich in Richtung Innenstadt. Währendessen demonstrierten rund 200 Personen gemeinsam mit dem Bündnis "Leipzig nimmt Platz" spontan in der Innenstadt. Nachdem die Gruppe jedoch von der Polizei eingekesselt wurde, schlossen sie sich der Demonstration von "Dresden Nazifrei" an. Als der Zug der "Tolerave" am Pirnaischen Platz eintraf, hatten sich bereits mehrere hundert Nazis an der Skaterampe an der Lingnerallee gesammelt. Diese waren zuvor teilweise ohne Polizeischutz in grossen Gruppen vom Hauptbahnhof aus eingetroffen. An der von Maik Müller (NPD) angemeldeten Demonstration beteiligten sich bundesweit bekannte rechte Kader wie Thorsten Heise, Thomas Wulff oder Siegfried Borchardt, der erst vor zwei Wochen zur Unterstützung eines Infostandes der Partei "Die Rechte" nach Dresden gereist war. Insgesamt fanden sich nach Angaben des Antifa Recherche Team (ART) rund 1.500 Nazis ein. Damit konnten die Nazis vor dem Hintergrund des 75. Jahrestages der Bombardierung erneut einen Mobilisierungserfolg erzielen. Nach mehreren Auftaktreden stellte sich der Nazitross in Richtung Georgplatz auf, um von dort aus weiter Richtung Dr.-Külz-Ring zu ziehen. Zu diesen Zeitpunkt war jedoch kaum noch an ein Durchkommen in Richtung Innenstadt zu denken. Hunderte Antifaschistinnen und Antifaschisten bewegten sich in Gruppen durch die Innenstadt und errichteten immer wieder Sitzblockaden. So besetzten rund 200 Aktivistinnen und Aktivisten die Strassenbahngleise und in Höhe der Buchhandlung Thalia eine Strassenseite, während die andere Strassenseite bereits zuvor vom Demonstrationszug von "Dresden Nazifrei" blockiert worden war. Die Polizei wirkte an dieser Stelle zeitweise überfordert. Insbesondere auch dadurch, dass den ganzen Tag über der Strom an shoppenden Menschen gewährleistete werden sollte, fiel es den eingesetzten Beamtinnen und Beamten sichtlich schwer, die einkaufende Bevölkerung von Demonstrantinnen und Demonstranten zu unterscheiden. Zeitweise wurde versucht, die Prager Strasse mit Hilfe eines Absperrbandes zu schliessen, was allerdings nur mässigen Erfolg hatte. Stattdessen gelang es zahlreichen Menschen immer wieder, die Polizei zu umgehen und sich den Blockaden anzuschliessen. Auch wenn die Polizei im Gegensatz zum vergangenen Jahr zurückhaltender wirkte, kam es an zahlreichen Stellen zu aggressivem und fahrlässigem Verhalten seitens der eingesetzten Beamtinnen und Beamten. Mehrere Videos in den sozialen Netzwerken belegen, wie Reiterstaffeln in Menschenmengen und Blockaden ritten und damit offensichtlich die massive Gefährdung von Menschen in Kauf nahmen. "Unsere Kollegen waren auf dem Weg zu einem neuen Einsatzort. Dabei passierten sie die Menschengruppe so vorsichtig wie möglich. Sie hatten keineswegs die Absicht, jemanden wegzudrängen" rechtfertigte sich die sächsische Polizei im Nachgang halbherzig auf Twitter zu einem der Sachverhalte. Darüber hinaus wurden rund 200 Personen auf der Wallstrasse mit Pfefferspray davon abgehalten, eine weitere Blockade zu errichten. Da die Polizei dennoch den Eindruck vermittelte, chaotische Szenen wie im vergangenen Jahr am Dr. Külz-Ring vermeiden zu wollen, wurden die Blockaden schliesslich nicht geräumt. Der Demonstrationszug der Nazis musste dementsprechend umgeleitet werden. Anstatt durch die Innenstadt zu laufen, führte der Demonstrationsverlauf schliesslich die St. Petersburger Strasse hoch und über die Uhlandstrasse bzw. die Strehlener Strasse zurück in Richtung Hauptbahnhof. Dort wurde die rund eineinhalbstündige Abschlusskundgebung abgehalten. Auf dem Weg dahin kam es immer wieder zu kleineren Blockadeaktionen, die durch die Polizei teilweise unter körperlichem Zwang geräumt wurden. Auch zur Kundgebung der Rechten auf der Rückseite des Hauptbahnhofes versammelten sich erneut mehrere hundert Menschen, die mit beständigen Sprechchören die Reden des Aktionsbündnisses zumindest akustisch störten. Im Zuge der Abschlusskundgebung kam es am gleichen Ort vereinzelt zu Festnahmen durch Beamtinnen und Beamte sächsischer BFE-Einheiten. Nach Augenzeugenberichten wurden dabei wahllos Personen wegen angeblicher Vermummung teilweise unter Anwendung massiver körperlicher Gewalt herausgezogen und erkennungsdienstlich behandelt. Zu diesem Zeitpunkt ging von den Protestierenden keinerlei Gefahrenpotential aus. Auf Videos ist dokumentiert, dass die etwa 200 Demonstrantinnen und Demonstranten lediglich ihr Recht auf Protest in Hör- und Sichtweite lautstark wahrnehmen konnten. Anders die Auffassung der Polizei, welcher es an dieser Stelle nicht um Gefahrenabwehr, sondern um Repression und Einschüchterung der Gegenproteste ging. Diese Einschätzung festigte sich insoweit, als dass im Unterschied dazu mehrere Nazis trotz teilweise durchgängiger Vermummung unbehelligt den Rückweg antreten konnten. Auch wenn die Demonstration des "Aktionsbündnisses gegen das Vergessen" nicht verhindert werden konnte, dürfte der Tag für die Nazis trotzdem kein Erfolg dargestellt haben. So resümierte das Antifa Recherche Team auf Twitter treffend: "Was für die #Nazis dank starker antifaschistischer Blockaden als Route blieb: gerade mal 2 km, also 2000 Meter unattraktive Strecke. Das war einigen Nazis auch anzusehen". Frustiert von der verhältnismässig kurzen Demonstrationsroute und dem lauten antifaschistischen Protest während der Abschlusskundgebung hatten viele der teilweise aus anderen europäischen Ländern und Grossbritannien angereisten Nazis bereits während der Abschlussredebeiträge den Rückweg angetreten. Das geplante Ziel von "Dresden Nazifrei" und anderen am Gegenprotest beteiligten Gruppen, Nazis zu stören, dürfte letztlich aufgegangen sein. Proteste gab es an dem Tag allerdings nicht nur in Dresden. In Erfurt fanden sich 20.000 Menschen ein, um gemeinsam gegen die Geschehnisse während der Wahl zum Ministerpräsidenten in Thüringen zu demonstrieren. In Bamberg versammelten sich mehrere tausend Menschen, um gegen ein in der Stadt stattfindenden Aufmarsch des "III. Weg" auf die Strasse zu gehen. Dieser konnte unter dem Motto "Ein Licht für Dresden" immerhin 120 Nazis mobilisieren, welche jedoch ebenso wie in Dresden durch antifaschistische Blockaden eine stark verkürzte Route laufen mussten. Auch in Neumünster zogen 400 Aktivistinnen und Aktivisten mit einer kraftvollen Demonstration durch die Stadt, in der am Abend ein Konzert der Band Oidoxie stattfand, die auch Kontakt zu der unlängst verbotenen Gruppierung "Combat 18" unterhalten soll. In der Gesamtbetrachtung dürfte der Tag einen Erfolg für antifaschistische Strukturen darstellen. |
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