Deutlicher Anstieg bei Funkzellenabfragen in Sachsen
Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Funkzellenabfragen (FZA) in Sachsen auf einen neuen Rekordwert gestiegen. Nach 360 Ermittlungsverfahren 2015 stieg die Zahl 2016 noch einmal auf 371. Neben den Staatsanwaltschaften in Leipzig (153) und Zwickau (95) gehörte Dresden im letzten Jahr zu den Städten, in denen dabei mit 83 die meisten Beschlüsse für (nichtindividualisierte) Funkzellenabfragen umgesetzt wurden. Insgesamt wurden im Jahr 2016 Verkehrsdaten aus ca. 11.500 zuvor konkret benannten Funkzellen und von ca. 280 Tatorten, bei denen die betroffenen Funkzellen durch alle drei Netzbetreiber ausgewählt wurden, erhoben. Die Zahlen gehen aus einer Antwort des Sächsischen Justizministers Sebastian Gemkow (CDU) auf eine Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Valentin Lippmann (Die Grünen) hervor.
Als Beispiele für eine Bestandsdatenabfrage nach §112 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) nannte der Justizminister die Sprengstoffanschläge auf die Fatih Camiine-Moschee und das Kongresszentrum (ICC) in Dresden, vor denen in den Abendstunden des 26. Septembers 2016 zwei Sprengsätze explodiert waren. Dabei seien 75.219 Verkehrsdaten erhoben und bei 19.581 Rufnummern im Nachgang Name, Vorname und Anschrift ermittelt worden. Im Fall der "Gruppe Freital" wurden insgesamt 42.441 Verkehrsdaten erhoben; 9.822 Rufnummern waren von der Massnahme betroffen. Ob eine Aufklärung, wie es der Gesetzgeber eigentlich vorsieht, auf anderem Wege nicht möglich oder wesentlich erschwert gewesen wäre, blieb offen.
Nach Ansicht des Grünen-Politikers gehören Funkzellenabfragen im Freistaat mittlerweile "offenbar zum Standardrepertoire der Ermittlungsbehörden. Die schiere Menge der Ermittlungsverfahren lassen Zweifel daran aufkommen, ob das Instrument der Funkzellenabfragen tatsächlich nur dann eingesetzt wird, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre." Angesichts dessen, dass seit 2013 keine detaillierte Statistik mehr über die Art der Delikte herausgegeben wird, ist es seiner Ansicht nach inzwischen kaum noch nachvollziehbar, "ob die Ermittlungsverfahren tatsächlich Delikte betrafen, in denen Funkzellenabfragen zulässig sind".
Vor diesem Hintergrund forderte er den Justizminister dazu auf, "die Praxis der Heimlichtuerei endlich zu beenden und dafür Sorge zu tragen, dass von Funkzellenabfragen nur zurückhaltend Gebrauch gemacht wird." Zugleich sprach er sich dafür aus, unschuldig von diesem schwerwiegenden Grundrechtseingriff betroffene Menschen über die Massnahme im Nachgang zu informieren, um ihnen damit zumindest die Möglichkeit zu geben, die Rechtmässigkeit der Massnahme juristisch prüfen zu lassen. Die bisherige Praxis, so Lippmann abschliessend, sei "absolut unbefriedigend und eines Rechtsstaates unwürdig".