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Abschlussbericht der Polizeibeobachtung am 13.02. und 19.02.2011 in Dresden

(Stand: 25.02.2011)

Im nachfolgenden sind Sachverhalte aufgelistet, die sich im Zuge des Polizeieinsatzes am
13. und 19. Februar 2011 in Dresden zugetragen haben. Die Uhrzeiten sind zum Teil
Schätzungen von Betroffenen und können leicht abweichen.
In den Bericht des Polizeibeobachtungsteams wurden ausschliesslich Situationen
aufgenommen für welche ein glaubwürdiger Nachweis vorliegt. Nicht dokumentiert wurden
Aktionen der Polizei, die sich gegen Personen richteten, die direkt Gewalt gegen
Polizeibeamte ausgeübt haben.

Sonntag, 13. Februar 2011

17:30 Uhr Nürnberger Strasse
Eine Gruppe von ca. 100 Personen versucht ohne zur Hilfenahme von Waffen oder
Gegenständen eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen. Es wird Pfefferspray eingesetzt,
was aus Sicht des Polizeibeobachtungsteams verhältnismässig war. Die Situation war
unübersichtlich und die Polizei nur mit wenigen Einsatzkräften am Ort des Geschehens.
Als die 100 Personen dann weglaufen, rennt ein Polizeibeamter einer jungen Frau
hinterher und schlägt ihr mit einem Gummiknüppel von hinten auf den Kopf. Die Frau
erleidet eine Platzwunde. [Nachweis: Beobachtung und mehrere Zeugenaussagen]

21:50 Uhr Neumarkt vor der Frauenkirche
Eine Person, die die Parole "Bomber Harris do it again" gerufen hat, wird von der Polizei
verhaftet bzw. in Gewahrsam genommen. Dabei wenden die Polizeibeamten massive
Gewalt an, obwohl sich die Person nicht wehrt. Das Gesicht der Person wird u.a. einige
Minuten lang gegen eine Hauswand gedrückt. [Nachweis: Beobachtung und Fotos]

Samstag, 19. Februar 2011

zw. 10:00 und 14:00 Uhr Innenstadt
Mehrere Personen berichteten davon, dass sie Mahnwachen der Kirchen besuchen
wollten. Die Polizei hinderte die Personen jedoch an der Teilnahme, indem sie ihnen den
Durchgang verwehrte. Ein freier Zugang zu den angemeldeten Mahnwachen der Kirchen
war nicht möglich. Auf Weisung der leitenden Polizeidirektion wurden
Landtagsabgeordnete einzelner Parteien stellenweise nicht durch Absperrungen der
Polizei hindurch gelassen. [Nachweis: mehrere Zeugenaussagen, Videoaufnahmen]

11:15 Uhr Münchner Strasse/ Ecke Bayreuther Strasse
Die Polizei setzt trotz Temperaturen unter 0 Grad Wasserwerfer ein, um Personen von
einer Wiese neben der Strasse zu bewegen. Die Personen sind friedlich. Die Lage ist
eigentlich übersichtlich und der Einsatz unverhältnismässig.[Nachweis: Videoaufnahmen]

11:30 Uhr Hörsaalzentrum
Die Polizei hindert die Presse daran sich Richtung Bergstrasse zu bewegen, trotz
übersichtlicher Situation. [Nachweis: Videoaufnahmen]

11:50 Uhr Blockade Münchner Strasse
Die Polizei rennt ohne erkennbaren Grund in eine friedliche Blockade. Dabei werden
Blockierer/-innen geschubst und einzelnen ins Gesicht geschlagen. (beteiligte
Polizeieinheit: Berlin; Autokennzeichen B 7555, Rückenbeschriftungen: F 3, 1112, 1113)
[Nachweis: Videoaufnahmen]

14:45 Uhr Columbusstrasse/Ecke Wernerstrasse
Während bis zu 200 Neonazis über einen Zeitraum von mehr als 10 Minuten ein
alternatives Wohn-und Kulturprojekt angreifen, schreitet die Polizei nicht ein. Mindestens
drei Einsatzfahrzeuge der Polizei mit jeweils mindestens zwei Polizeibeamten je Fahrzeug
befinden sich in unmittelbarer Nähe und beobachten den Vorfall. Der sofortige Anruf der
Notrufnummer der Polizei bleibt ohne Konsequenz, obwohl sich Hundertschaften der
Polizei im Staddteil Löbtau und Cotta befinden. Aus Sicht des Polizeibeobachtungsteams
ist es unverständlich, warum die anwesenden Polizeifahrzeuge sich nicht schützend vor
das Haus stellten oder wenigstens ihre Signalanlage einschalteten, um die Angreifer zu
verunsichern. Des weiteren bleibt unklar, warum die Polizei nicht zu einem späteren
Zeitpunkt Kräfte gesammelt hat, um die Personalien der Angreifer/-innen für spätere
Ermittlungszwecke lückenlos festzustellen. Die Neonazi-Gruppe war nach dem
zehnminütigen Angriff noch mindestens 15 Minuten auf der Löbtauer Strasse unterwegs.
[Nachweis: Videoaufnahmen, Zeugenaussagen]

15:15 Uhr Blockade Bergstrasse (Höhe Weber-Bau)
Etwa 60 friedliche Sitzblockierer/-innen werden unter Einsatz unverhältnismässiger Gewalt
geräumt. Die Blockade befand sich abseits der geplanten Routen der Neonazis. Dabei
kommt es zu zahlreichen Übergriffen der Polizei:
1.) Polizisten legen sich mit ihren Knien auf am Boden liegende Personen. [Nachweis:
Videoaufnahmen und Fotos]
2.) Polizeibeamte würgen Personen. [Nachweis: Videoaufnahmen und Fotos]
3.) Polizeibeamte treten Personen in der Sitzblockade. [Nachweis: Videoaufnahmen
und Fotos]
4.) Polizeibeamte schlagen Personen in der Sitzblockade ins Gesicht. [Nachweis:
Videoaufnahmen und Fotos]
5.) Polizeibeamte setzen Holzknüppel gegen Personen ein. Dabei werden u.a.
Holzknüppel in Gesichter von Personen in der Sitzblockade gedrückt. [Nachweis:
Videoaufnahmen und Fotos]
6.) Ein Pressefotograf wird bei der Dokumentation der Räumung durch Polizeibeamte
bedrängt. [Nachweis: Videoaufnahmen]
7.) Polizeibeamte schubsen am Strassenrand stehende Personen unvermittelt von
hinten um. [Nachweis: Videoaufnahmen]
8.) Gegen weg rennende Personen werden Holzknüppel eingesetzt und es wird mit
mehreren Tränengas-Gewehren geschossen. [Nachweis: Videoaufnahmen und Fotos]
9.) Einer Person wird Tränengas aus wenigen Zentimetern Entfernung direkt ins
Gesicht gesprüht. [Nachweis: Videoaufnahmen]
10.) Ein Polizist schlägt einem jungen Mann mit der Faust ins Gesicht, ohne dass
dieser vorher Gewalt angewendet hätte. [Nachweis: Videoaufnahmen]
Insgesamt schätzt das Polizeibeobachtungsteam diesen Einsatz als äusserst brutal und
absolut unverhältnismässig ein. Beteiligt am Einsatz waren eine BFE-Einheit und eine
sächsische Einheit ohne Kennzeichnung (wahrscheinlich SEK).

15:30 Uhr Fritz-Löffler-Strasse/Ecke Schnorrstrasse
Ein Polizist greift unvermittelt einen jungen Mann an, der sich in einer Gruppe von 10
Personen befindet, die von der Polizei festgehalten wird. Dabei rennt der Polizist in voller
Ausrüstung aus etwa 6 Metern Entfernung auf den jungen Man los und wirft ihn mit der
vollen Wucht seines Körpers zu Boden. Die Polizeibeamten sind gegenüber Dritten nicht
bereit ihre Dienstnummer zu nennen oder an ihren Einsatzleiter zu verweisen. [Nachweis:
Zeugenaussagen und vorliegende Anzeige eines Pfarrers gegen die Polizei]

15:30 Uhr Münchner Strasse
Ein Polizist lässt seinen Hund einen Demonstranten beissen, obwohl dieser keine Gewalt
gegen die Polizei ausgeübt hatte. [Nachweis: Videoaufnahmen]

17:00 Uhr Blockade Fritz-Löffler-Strasse/Ecke Reichenbachstrasse
Die Polizei kesselt eine friedliche Blokade von ca. 400 Menschen und hindert sie daran die
Strasse zu verlassen, obwohl die Neonazis am Hauptbahnhof abgereist sind und keine
besondere Gefahrenlage erkennbar ist. Es soll die Identität aller Anwesenden festgestellt
werden, was aus Sicht des Polizeibeobachtungsteam unangemessen erscheint. Am Rand
der Blockade kommt es zu vereinzelten Übergriffen von Polizeibeamten auf
Blockadeteilnehmer/-innen.
1.) Einem älteren Mann wird ohne erkennbaren Grund durch einen Polizeibeamten
Pfefferspray aus wenigen Zentimetern Entfernung ins Gesicht gesprüht. [Nachweis:
Zeugenaussagen]
2.) Einzelne Blockadeteilnehmer/-innen werden durch Polizeibeamte ohne
erkennbaren Grund geschubst. [Nachweis: Zeugenaussagen]
3.) Einzelne Blockadeteilnehmer/-innen werden durch Polizeibeamte beleidigt.
[Nachweis: Zeugenaussagen]

zw. 17:00 Uhr und 21:00 Uhr Gefangenensammelstelle Schiessgasse
Den durch die Polizei festgenommenen Personen wird zum Teil keine anwaltliche
Beratung gewährt. Einige werden nicht in erforderlichen Masse über ihre Rechte informiert.
[Nachweis: Zeugenaussagen, Protokolle von Rechtsanwälten]

19:30 Uhr Grossenhainer Strasse (Haus der Begegnung/Roter Baum)
Die Polizei verweigert der Presse die Dokumentation des Einsatzes. Auf Nachfrage wird
keine Begründung genannt. Die Polizeibeamten verweigern die Herausgabe ihrer
Dienstnummern und der Einsatzleiter ist nicht zu sprechen. [Nachweis: Tondokument]
Beim Einsatz der Polizei wird unverhältnismässige Gewalt angewendet und dabei grosser
Sachschaden im durchsuchten Objekt angerichtet (u.a. wurden nicht-verschlossene Türen
zerstört). Die anwesenden Personen werden durch die Polizei nicht über ihre Rechte
informiert. Der Durchsuchungsbefehl ist fehlerhaft (u.a. falsche Hausnummer). [Nachweis:
Zeugenaussagen]

Gesamteinschätzung

Am 13. Februar 2011 wurden den Polizeibeobachtungsteams bis auf zwei Einzelfälle keine
Regelverstösse durch die Polizei bekannt. Wie bereits 2010 ist auch in diesem Jahr der
Einsatz der Polizei am 13. Februar als insgesamt angemessen und verhältnismässig zu
bezeichnen.
Im Gegensatz dazu steht der 19. Februar 2011. Bereits ab den frühen Morgenstunden
agierte die Polizei an vielen Stellen im gesamten Stadtgebiet ungewohnt aggressiv
gegenüber Personen, die die Aufmarschstrecken der Neonazis an diesem Tag blockieren
wollten. Eine Differenzierung zwischen friedlichen Demonstrant/-innen, die Zivilen
Ungehorsam üben wollten und Gewalttäter/-innen fand in der Regel durch die Polizei nicht
statt. An zahlreichen Stellen konnten ein unverhältnismässiges Vorgehen oder gar
gewalttätiges Agieren von Polizeibeamten gegen friedliche Demonstrant/-innen beobachtet
und dokumentiert werden. Es wurden nach Angabe des Allgemeinen Sanitätsdienstes
mindestens 150 Personen durch die Polizei verletzt. Darunter gibt es auch einzelne
schwer verletzte Personen. Weiteren ca. 200 Personen musste Pefferspray aus den
Augen gewaschen werden.
Nach Einschätzung der Polizeibeobachtung war die Polizei durch die unübersichtliche
Lage mit mehreren Aufmarschorten der Neonazis deutlich überfordert und kompensierte
dies mit einem unverhältnismässig hartem Vorgehen gegen diejenigen Personen, welche
die Aufmärsche be- oder verhindern wollten.


Arbeitsgruppe "Polizeibeobachtung"

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