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Provozieren aus Prinzip
Rezension: Brodkorb, Mathias/ Schlotmann, Volker (Hrsg.). Provokation als Prinzip. Die NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Schwerin. 2008. Preis: 13,90 EUR.

Bilanz sollte gezogen werden, über das Schaffen der Neonazis seit deren Einzug in den Schweriner Landtag vor mittlerweile zwei Jahren. Drei Texte beschäftigen sich dann auch mit der Arbeit der NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern (MV). Toralf Staud versucht dabei wichtige Unterschiede zwischen Sachsen und MV aufzuzeigen und stellt fest, dass die Abwehrfront der demokratischen Parteien in Schwerin weitaus stabiler steht als in Dresden. Dies liegt seiner Meinung nach vor allem daran, dass die CDU in MV im Gegensatz zu ihrem sächsischen Ableger das Problem des Rechtsextremismus ernst nimmt. Der NPD seien in Schwerin parlamentarische Erfolge bisher vergönnt geblieben. Während Staud in seinem Text behauptet, dass nur wenige Anfragen der NPD sich mit typisch rechtsextremen Themen befassen, erklären Kai Langner und Arne Lehmann in ihrem Beitrag das genaue Gegenteil. Politisch motivierte Straftaten, staatliche Massnahmen zur Bekämpfung des politischen Extremismus und Migration seien die Top-Themen der Neonazis. Langner und Lehmann liefern einen wissenschaftlich fundierten Artikel, der einen guten Überblick über die Aktivitäten der NPD im Landtag bietet.

Gründlich recherchiert und mit aussagekräftigen Bildern präsentiert ist der Beitrag von Andrea Röpke. Sie stellt die Arbeit der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) und deren gute Kontakte zur NPD-Landtagsfraktion in MV dar. Nicht nur durch die neuerlichen Diskussionen um ein mögliches Verbot der HDJ wird ihr Artikel hoch spannend. Julian Barlen vom Rostocker Bündnis Schöner leben ohne Naziläden und der Journalist Thomas Niehoff berichten in ihren Beiträgen über die vielfältigen Verflechtungen von NPD-Fraktion und gewalttätigen Neonazis in MV.

Ausgebremst wird die Qualität des Buches allerdings deutlich durch die Herausgeber selbst. Keine Chance wird von Mathias Brodkorb und Volker Schlotmann in ihren Texten ausgelassen, um die Arbeit der demokratischen Fraktionen in MV zu loben. Eine kritische Auseinandersetzung mit Fehlern sucht man vergebens.

Brodkorb lieferte gleich zwei Beiträge für das Sammelband. In seinem ersten Text, der auch Titel der Gesamtausgabe ist, wird die NPD-Landtagsfraktion vorgestellt. Als wichtigste Strategie kristallisiert Brodkorb die Provokation von Rechts heraus. Dazu bemüht er u.a. ein Zitat aus Adolf Hitlers Mein Kampf, welches eine ganze Seite ziert. Darüber, ob eine solche Herleitung des Strategiekonzeptes notwendig ist, kann man sicherlich geteilter Meinung sein. Mit den Positionen aus seinem zweiten Text ist sie indes unvereinbar. Hier vertritt er die Meinung, dass ein anti-nationalsozialistischer Antifaschismus (...) die tatsächliche Gestalt seines politischen Feindes eklatant verfehlt. Die NPD habe sich längst zu einer Partei mit einem Ethno-Pluralismus-Ansatz entwickelt, der seiner Ansicht nach eine stärkere NS-Affinität ausschliesst. Einige Seiten zuvor war sich Brodkorb nicht zu Schade Adolf Hitler persönlich als Strategen des NPD-Landtags-Konzeptes aus der Kiste zu kramen. Hier nun wirft er dem Berliner Internetkollektiv Nazis in den Parlamenten (NIP) wegen eines Satzes, in welchem die NPD mit der NSDAP verglichen wird vor: Wie sehr jedoch 'uns Deutschen' der Nationalsozialismus in den mentalen Knochen steckt, lässt sich gerade fabelhaft an jenen studieren, die sich dem Ideologiewandel der NPD prinzipiell widmen, allerdings dennoch meinen, an allen Ecken und Enden letztlich die Fratze Adolf Hitlers freilegen zu müssen. Hält man die Texte Brodkorbs nebeneinander, dann ist es schwer zu glauben, dass sie von ein und derselben Person geschrieben worden sind.

Der letzte Text des Buches kommt vom ehemaligen Justizminister und jetzigen Sozialminister des nordöstlichen Bundeslandes. Er stellt die Landesprogramme gegen Rechtsextremismus in einer Art und Weise vor, dass man sich die Frage stellen muss, wie es denn überhaupt noch Neonazis in MV geben könne, bei solchen Anstrengungen seitens der Regierenden.

Zu empfehlen ist es, sich die besseren Texte des Buches am Kopierer einer Bibliotheksausgabe zu besorgen. Ohne die Texte der SPD-Funktionäre hätte eine gute und kritische Analyse der NPD-Landtagsfraktion in MV sicherlich besser funktioniert.


Michael Bergmann

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