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Gefährlicher Ort: Wahlkampfveranstaltung der AfD in Gorbitz

Am gestrigen Donnerstag hielt knapp zwei Wochen vor den am 1. September anstehenden Wahlen zum Sächsischen Landtag die AfD-Dresden ihre letzte grosse Wahlkampfveranstaltung in Dresden-Gorbitz ab. Über 160 Menschen folgten dem Aufruf von "Kein Viertel für Ausgrenzung" zum Gegenprotest. Das Bündnis setzt sich aus verschiedenen Initiativen aus dem Dresdner Westen zusammen, unter anderem der "Recht auf Stadt"-Gruppe und der "Antifaschistischen Initiative Löbtau". Auf der Seite der AfD nahmen 170 Menschen teil. Während der Veranstaltung gab es mehrere verdachtsunabhängige Personenkontrollen, sowie eine Ingewahrsamnahme. Aktuelle Umfragen sehen ein Kopf an Kopf-Rennen zwischen der regierenden CDU und der AfD.

Das hat es in Gorbitz schon lange nicht mehr gegeben. Die Kundgebung der AfD läuft bereits eine Viertelstunde, als eine lange Schlange an Menschen vom westlichen Eingang auf den Amalie-Dietrich-Platz strömt. Sie haben Fahnen, Transparente und eine Musikanlage auf einem Lastenrad dabei. Mit "Alle zusammen gegen den Faschismus"- und "Refugees welcome"-Rufen ziehen sie die Aufmerksamkeit der Passantinnen und Passanten sowie der rund 170 AfDler auf sich, die sich auf der anderen Seite des Platzes eingefunden haben. Während ein erster Redebeitrag verlesen wird, bauen andere einen Pavillon auf - während einige Menschen beginnen, mit Kreide Sprüche auf den Asphalt zu malen.

Die Kundgebung unter dem Motto "Gemeinsam für solidarische Nachbarschaften - Gegen soziale Ausgrenzung, Rassismus und Sexismus" war zunächst für lediglich 50 Menschen angemeldet worden. Die Organisatorinnen und Organisatoren zeigten sich erfreut, dass weit mehr Menschen die erste grössere Wahlkampfveranstaltung der AfD in Dresden störten. "Wir haben heute ein eindrucksvolles Zeichen gegen soziale Ausgrenzung, Rassismus und Sexismus gesetzt. Dass so viele Menschen unserem Aufruf gefolgt sind, hätten wir nicht erwartet. Wir sind überwältigt von so viel Solidarität und danken allen beteiligten Menschen, dass sie mit uns auf die Strasse gegangen sind", so die Aktivistinnen und Aktivisten in ihrer Pressemitteilung. Weiter schlussfolgern sie, dass "der grosse Zuspruch zeigt, dass es vielen Menschen ein Bedürfnis ist, sich gegen den anhaltenden Rechtsruck und für ein solidarisches Miteinander einzusetzen."

Während der Kundgebung wurde mit mehreren Redebeiträgen auf unterschiedliche politische und gesellschaftliche Themen eingegangen. Bereits im Vorfeld wurde betont, nicht nur gegen die AfD protestieren, sondern auch eigene Themen setzen zu wollen. Schon zuvor hatte die Initiative "Kein Viertel für Ausgrenzung" eine intensive Auseinandersetzung mit dem AfD-Direktkandidaten Andreas Harlass veröffentlicht.

Im Nachgang zeigten sich die Aktivistinnen und Aktivisten positiv überrascht, die eigenen Erwartungen übertroffen zu haben. So berichtete die lokale "Recht auf Stadt"- Gruppe über die #Mietenwahnsinnstoppen- Kampagne, die Proteste gegen die Modernisierungsmassnahmen der Vonovia und solidarische Nachbarschaften. Warum besonders in Gorbitz das Thema eine hohe Relevanz habe, erklärte Pressesprecherin Nicole: "In unmittelbarer Nähe vom Kundgebungsort befinden sich in grossen Wohnblocks hunderte Wohnungen von Vonovia. Mit solidarischen Nachbarschaften wollen wir eine widerständige Praxis entwickeln, die Bewohnerinnen und Bewohner z.B. bei sogenannten Modernisierungsmassnahmen der Vonovia nicht allein lässt, sondern befähigt, gemeinsam juristisch und aktionistisch gegen diese Praxis vorzugehen."

Mit "Wir streiken" stellte sich eine Kampagne vor, die konkrete Aktionen im Fall von Koalitionsverhandlungen zwischen AfD und CDU plant. Auf mehreren Plakaten konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eigene Gründe nennen, weswegen sie an einem Streik teilnehmen würden. Ebenso wurde über das Bündnis #Unteilbar und die davon ausgehende Grossdemonstration am 24. August in Dresden unter dem Motto "Solidarität satt Ausgrenzung" berichtet. An einem Info-Tisch konnten sich die Leute nicht nur über die Aufrufe der unterschiedlichen Initiativen, wie der "Recht auf Stadt"-Gruppe oder des feministischen Blocks informieren, sondern auch Plakaten und Sticker mitnehmen.

Die Demonstrantinnen und Demonstranten kamen dabei immer wieder mit vorbeilaufenden Passantinnen und Passanten ins Gespräch. Diese zeigten sich erfreut über die Aktivitäten im Stadtteil. Aus einem Hochhaus hingen Anwohnerinnen und Anwohner ein Banner, auf dem "Menschenrechte sind Unteilbar" zu lesen war.

In Hinblick auf die Reaktionen der Umstehenden zieht Nicole ein positives Fazit: "Durch den vielen Zuspruch von Passanten und Passantinnen, konnte des AfD-Wahlplakat, welches behauptet, dass Dresden "ihre Stadt" sei, mehr als widerlegt werden." Abschliessend gibt die Aktivistin einen Ausblick auf zukünftige Aktivitäten: "Wir werden weiterhin im Dresdner Westen aktiv bleiben und Basisarbeit leisten. Gerade nach der Landtagswahl wird dies umso wichtiger sein. Der Tag heute hat uns aber viel Mut gemacht, dass es sich lohnt sich einzusetzen."

Zum Ende der Veranstaltung kontrollierte die Polizei mehrere Menschen ohne konkreten Verdacht. Als rechtliche Grundlage diente dafür offenbar die polizeiliche Einstufung des Amalie-Dietrich-Platzes als gefährlicher Ort. Darüber hinaus wurde eine Person von der Polizei in Gewahrsam genommen. Bisher gibt es von Seiten der Pressestelle der Polizei keine Informationen zu dem erhobenen Vorwurf. Als Reaktion darauf machte die Demonstration auf dem Rückweg Halt vor dem Polizeirevier Dresden-West. Bei dieser spontanen Zwischenkundgebung schilderte ein Teilnehmer, der die Festnahme beobachtet hatte, dass diese mit überzogener Polizeigewalt und Erniedrigung des Betroffenen durch die Beamten stattgefunden haben soll. Nicole kritisiert das Vorgehen der Polizei:" Es gab keinen Grund Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer Demonstration, als auch Umstehende zu kontrollieren. Es hat sich praktisch gezeigt, welche Willkür mit der Einstufung von Gebieten als 'gefährliche Orte' einhergeht", so die Pressesprecherin gegenüber addn.me.

Gegen 19:30 Uhr beendete die Initiative "Kein Viertel für Ausgrenzung" die Kundgebung vor dem Revier und zog zusammen mit den verbliebenen Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit Musik und Sprechchören zurück zum Conertplatz, wo die Demonstration wenige Stunden vorher begonnen hatte.

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