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Privatisierung der öffentlichen Ordnung in Dresden

Bereits seit Dezember wird in Dresden der Innenstadtbereich in einem zweimonatigen Pilotprojekt durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von insgesamt neun "etablierten" Dresdner Security-Unternehmen bestreift. Der Grund für diese Massnahme ist nach Aussage der Initiatoren vom lokalen City-Management nicht nur eine gefühlte Zunahme von Ladendiebstählen, sondern auch Bedrohungen gegenüber Verkäuferinnen und Verkäufern entlang der Geschäfte in der Prager Strasse. In ihrem Portfolio beschreibt eines der an der Aktion beteiligten Sicherheitsunternehmen seine Aufgaben jedoch nicht nur mit dem Diebstahlschutz in Geschäften, sondern auch mit sehr viel weiterführenden Aufgaben.

Neben dem "Schutz vor Sachbeschädigungen, nachbarschaftlichen Lärmbelästigungen, Graffitis, Vermüllungen, Wohnungseinbrüchen" gehen die Leistungen bis hin zur Verhinderung von "Raubüberfällen auf der Strasse". Zur "Aufrechterhaltung und Durchsetzung von Sicherheit", aber auch um Personen, Sachwerte und Objekte zu schützen, finden dazu "regelmässige Begehungen von Wohngebieten und Geschäftsplätzen" statt. Begleitet wird das von Dresdner Einzelhändlern und Immobilienbetrieben im Sinne einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) ins Leben gerufene Projekt von der Polizei und den Ordnungsbehörden der Stadt. Noch bis Ende Januar sollen dazu täglich bis zu vier Sicherheitsleute neben der Polizei im innerstädtischen Bereich für Ordnung und ein Gefühl von Sicherheit sorgen.

Die ökonomische und stadtpolitische Dimension von Kontrollgängen in öffentlichen Räumen durch private Sicherheitsdienste wird auch in der Selbstdarstellung der Citystreife sichtbar: "Die Citystreife Dresden trägt damit entscheidend zur Aufwertung von ganzen Bezirken bei und zieht aufgrund der sichtbaren Überwachung und der damit verbundenen Sicherheit attraktive Mieterklientel an." Eine Aufwertung ganzer Stadtbezirke und gesteigerter Zuzug von Besserverdienenden, geht zumeist einher mit der Verdrängung einkommensschwacher Menschen wie beispielweise Alleinerziehenden oder jungen Familien. Auch für die wenig verbliebenen Jugend- und Subkulturen wird so der Raum immer knapper.

Dass die Idee kein Einzelfall ist, zeigen neueste Pläne von Neustädter Gewerbetreibenden, die ähnlich wie in der Innenstadt in einem vorerst bis Ende Januar angesetzten Test einige Strassen des Szeneviertels bestreifen wollen. Unter dem Motto "Respect - Save the Crowd" sollen dafür auf Initiative von bekannten Neustädter Clubbetreibern an jedem Freitag und Samstag zum "Schutz der Gäste vor Diebstählen, Belästigungen und Stress" mit vier auf der Strasse patrouillierenden Sicherheitskräften für mehr Ruhe und Sicherheit im Dresdner Partyviertel sorgen. Das selbst gesteckte Ziel hinter dem Vorhaben ist es, schon im Vorfeld "deeskalierend" zu wirken und gleichzeitig "mögliche Störer" schneller zu erkennen. Anders als bei der Citystreife, ist die Polizei in dem Fall jedoch noch nicht im Boot.

Da eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit wie die Gewährleistung von öffentlicher Ordnung offenbar nicht mehr von der Polizei erledigt werden kann, sind inzwischen findige Unternehmer aus oftmals zweifelhaften Milieus dazu übergegangen, diesen gerade für jene Gewerbetreibende, die in den Abend- und Nachtstunden ihr Geld verdienen, wichtigen Aspekt dazu zu nutzen, um mit der Angst vor Überfällen und Übergriffen ihr Geld zu verdienen. Es verwundert dabei kaum, dass innerhalb kürzester Zeit die für die Bereitstellung der Sicherheit notwendigen Kosten durch Beiträge von Clubs, Restaurants und Läden gedeckt werden konnten.

Bei näherem Blick auf das für diese Aufgaben bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) in 40 Unterrichtsstunden geschulte Personal wird deutlich, wo Sicherheitsunternehmen in einer Region wie Sachsen häufig ihr Personal rekrutieren. Dass dann, um am Beispiel der Äusseren Neustadt zu bleiben, teilweise Leute für Ordnung und Sicherheit Sorge tragen sollen, die ansonsten Montags mit PEGIDA auf der Strasse Stimmung gegen geflüchtete Menschen machen, verwundert also kaum. Es scheint fast so als ob die schleichende Privatisierung der öffentlichen Sicherheit in Zukunft in zunehmenden Masse von denen sichergestellt werden soll, die gar kein grosses Interesse an einer Verbesserung der Situation haben dürften.

Ein weiterer Baustein in dieser Entwicklung ist die zum Jahresende im Eilverfahren beschlossene Wiederbelebung der bereits von 2002-2006 im Freistaat eingesetzten Wachpolizei. Diese soll im Anschluss an eine dreimonatige Ausbildung mit hoheitlichen Aufgaben versehen zur "weiteren Entlastung für die sächsische Polizei" zum Objekt- und Personenschutz eingesetzt werden. Kritik an dem Vorhaben kommt nicht nur von den Linken, sondern auch von den Grünen. Ihr innenpolitischer Sprecher im Landtag, Valentin Lippmann, lehnte diese "Übertragung des Gewaltmonopols" ab: "Wer in Sachsen Waffen gegen Menschen einsetzen darf, darf nicht in einem Schnellkurs von drei Monaten ausgebildet werden."

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