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Brutaler Nazimord in Gera

Nazi-Terror stoppen! - Wandelt Wut und Trauer in Widerstand

Der 27-jährige Oleg wurde in der Nacht zum 21. Januar von vier Nazis aus Gera und Umgebung unter brutaler Gewaltanwendung umgebracht.

Der "Russlanddeutsche" wurde in einem kleinen Wäldchen mitten im Wohngebiet Bieblach-Ost regelrecht hingerichtet. Die Täter schlugen ihrem Opfer eine Bierflasche von hinten auf den Kopf und traten dann mit Fäusten und Füssen zu, rammten ein Messer in den wehrlosen Körper und zertrümmerten mit einem Hammer das Gesicht.

Einen Tag nach der bestialischen Tat nahm die Polizei die jungen Nazis im Alter von 14 bis 19 Jahren in ihren Wohnungen fest. Bei einem wurden die Tatwaffen gefunden. Eine Spaziergängerin hatte beim Ausführen ihres Hundes die blutverschmierte Leiche gefunden.

Die Jugendlichen Christopher H. (14), Martin F. (16), Denny B. (18) und Enrico W. (19) sind in Gera und Aga als "Faschos" bekannt und bis auf den 14-Jährigen alle vorbestraft, ob wegen Körperverletzung, Raub oder Vandalismus. Alle vier haben ein Geständnis abgelegt. Die Polizei schliesst jedoch eine politisch motivierte Straftat aus.

Es handelt sich hierbei eindeutig um keine Affekthandlung, sondern einen bewusst geplanten und durchgeführten gemeinschaftlichen Mord. Eine von der Lokalzeitung vermutete Perspektivlosigkeit und Schuldunzurechnungsfähigkeit kommt nicht in Frage. Die Jugendlichen sind in erschreckender Weise als Träger einer menschenverachtenden Ideologie vorgegangen und haben hierfür die Konsequenzen zu tragen.

Bei einem Schuldspruch erwartet die 18 und 19 Jahre alten Täter eine lebenslängliche Gefängnisstrafe, die 14 und 16 Jährigen sehen einer zehnjährigen Jugendstrafe entgegen. Selbstverständlich kann keine denkbare Strafe das Leid und die Trauer besänftigen, welches die Angehörigen und Freunde des Opfers in dieser Zeit erleben werden.

Nach dem brutalen Dreifachmord in Heidenheim zum Jahreswechsel ist dies nun schon der zweite Nazimord an Spätaussiedlern innerhalb eines Monats!

In Heidenheim kam es in der Nacht zum 20.12.03 vor einer Diskothek zu einem brutalen Dreifachmord. Der 17-jährige Täter, der bereits am 3. Oktober bei einem Naziüberfall auf zwei Linke beteiligt war, tötete die drei "Russlanddeutschen" Spätaussiedler mit gezielten Messerstichen. Auch hier schloss die Polizei einen "rechtsradikalen Hintergrund" aus.

Gera, wie hass ich dich - du bist das letzte Loch für mich

(Schmeissfliegen - Punkrock aus Gera)

Das thüringische Gera ist ein brauner Landkreis ohnegleichen. Seit der Wende war und ist Gera Hochburg und Rückzugspunkt für Neonazis. Über Jahre hinweg wurde hier dem Aufbau rechter Strukturen nur wenig entgegengesetzt. Die Faschisten waren somit lange Zeit die Einzigen, die sich organisierten und die Jugendkultur dominierten. Die Bandbreite rechter Organisationen und Aktivitäten ist entsprechend umfangreich.

Kein Wunder, dass die NPD-Zeitung "Deutsche Stimme" im letzten Jahr ihr Pressefest nach Meerane, einem kleinen sächsischen Ort direkt neben der Grenzstadt Gera, verlegte. Mehr als 3500 Nazis aus dem gesamten Bundesgebiet kamen und manifestierten somit bundes- und weltweit die grösste Naziveranstaltung des Jahres.

Gera ist eine Stadt, in der die Menschen aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit von über 18 Prozent und damit des sozialen Brennpunktes einer verstärkten polizeilichen Überwachung und Kontrolle unterliegen 1. Eine ostdeutsche Stadt, die kulturell nicht viel zu bieten hat und sich über den Kaufrausch der "neuen Warenvielfalt" definiert. Eine Stadt, die jegliche emanzipatorische Ansätze im Keim zu ersticken versucht und der selbst zivilgesellschaftlicher Antifaschismus ein Dorn im Auge ist. Eine Stadt, die Nazikonzerte in der

Innenstadt genehmigt 2 und antifaschistischen Widerstand verfolgt und kriminalisiert 3. Eine Stadt, in der es einfach zu viele organisierte Faschisten gibt und diese wiederum über eine solide Infrastruktur und Finanzquellen verfügen.

Für einen anständigen Aufstand statt einen Aufstand der Anständigen!

Die Migrationspolitik der Neuen Weltordnung steht unter kapitalistischen Vorzeichen. Nach Nordamerika und Europa darf nur, wer den dortigen (kapitalistischen) Ökonomien dienlich ist. Imperialistische Kriege, Lohnsenkungen und die Zerstörung von Existenzgrundlagen sorgen für immer mehr Elend im Trikont. Die kapitalistischen Länder wissen jedoch die daraus resultierenden Flüchtlingsströme abzublocken. Abschiebungen und Ausgrenzung sind deshalb an der Tagesordnung. Die "Festung Europa" ist hierbei europäische Stabilisierungs- und Sicherheitspolitik zugleich. So findet eine Vertreibung und Ausgrenzung derer statt, die aus dem ökonomischen Verwertungszusammenhang herausfallen. In der BRD sollen sich deshalb nur MigrantInnen aufhalten, aus denen die deutsche Wirtschaft einen ökonomischen Nutzen ziehen kann; ein vorübergehender Aufenthalt wird per Greencard "toleriert". Der staatliche Rassismus und die Abschottung Deutschlands gegen MigrantInnen geht einher mit einem zunehmenden Rassismus in der Gesellschaft.

Oleg ist zwar das erste Opfer rechter Gewalt nach der Wende in Gera, die bundesweite Zahl steigt hingegen rasant an und ist über das hundertste Opfer schon seit Jahren hinaus. Dieser Entwicklung zum Trotz ist das zivilgesellschaftliche Engagement des "antifaschistischen" Deutschlands rückläufig. Der Antifa-Sommer ist lange vorbei und Deutschland hat sich seiner Geschichte bereits mehr als einmal zu entledigen versucht.

Den Anlaufstellen für Opfer rechter Gewalt (ABAD) in Gera und Erfurt kamen folglich im Jahr 2004 keine Förderungen aus dem Bundesprogramm Civitas mehr zugute und mussten schliessen. Eine Begründung liegt bis heute nicht vor. Die Bundesregierung entschied somit über die weitere Finanzierung antifaschistischer Initiativen in den neuen Bundesländern.

Gerade im braunen Ostthüringen, wo es so gut wie kein zivilgesellschaftliches Engagement gibt, haben die Schliessungen der Beratungsstellen ungemein fatale Folgen für die betroffenen Flüchtlinge und MigrantInnen in der Umgebung. Aber auch die nun dringend benötigte Unterstützung für die Angehörigen des Nazimordes kann nicht mehr stattfinden.

Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft

Am Freitag, den 23.01.04, hielten AntifaschistInnen am Tatort eine spontane Mahnwache ab. Da die Polizei es nicht für notwendig hielt, die Spuren der Tat zu entfernen, wurden Kerzen rund um den blutigen Schnee gestellt und die Worte "Kein Vergeben!" mit Stöcken ausgelegt. Bereits am nächsten Morgen war die Stelle verwüstet und deutliche Springerstiefel-Abdrücke zu erkennen!

Wir werden dem rechten Treiben in Gera nicht länger zusehen, sondern die Nazis bekämpfen - auf allen Ebenen und mit allen Mitteln. Es liegt nun an uns allen, antifaschistische Strukturen weiter auf- und auszubauen und einen solidarischen Widerstand gegen die deutschen Zustände, die kapitalistische Globalisierung und den alltäglichen Naziterror zu organisieren! Schlagen wir zurück - keine Ruhe den Faschisten!

Hoch die internationale Solidarität - nieder mit dem deutschen Mob!

Die Antifaschistische Aktion Gera ruft auf zur

  • Kundgebung & Mahnwache am Dienstag, 27.01.04 ab 16 Uhr auf der Sorge (Fuzo Gera)
  • Infoveranstaltung über Nazis in Gera am Dienstag, 27.01.04 um 18 Uhr im Autonomen Zentrum (Bieblacher Str.62)
  • Antifa-Demo unter dem Motto "Nazi-Terror stoppen!" am Sonntag, 01.02.04 Treffpunkt 14.30 Uhr Gera Hauptbahnhof

1 In Gera werden in der Regel alle Personen, die sich unter der Woche nach 21 Uhr auf die Strasse "trauen", einer Personenkontrolle durch die Polizei unterzogen. Besondere Auffälligkeiten sind hierbei nicht auszumachen. Gründe für eine Durchsuchung können z.B. das Tragen eines Kapuzenpullis, als auch verhaltenes Rumstehen an einer Hauswand o.ä. sein.

2 Im Juni letzten Jahres führte die NPD ein als "Rock gegen den Krieg" getarntes Nazikonzert durch. Mitten in der Innenstadt spielten die Nazibands "Kommando Ost", "Thor", "Confident of Victory" und "Eugenik" aus Gera auf. Vermeintliche Verbotsversuche der Stadt scheiterten und die antifaschistischen Proteste unter dem Motto "we will rock you" wurden von der Polizei abgeschirmt. Ein zivilgesellschaftliches Bündnis hielt es sogar für notwendig, Bauzäune für die Nazis aufzustellen, um diese von ihrem Strassenfest "abzuschirmen". Die

Faschisten bedankten sich natürlich für die ersparte Arbeit und bedrohten indes eine Frau und schlugen einen jungen Mann zusammen. Die NPD will das Open-Air in diesem Jahr am 12.06.04 wiederholen. Die AAG hat ihren Widerstand gegen die Veranstaltung bereits mündlich angekündigt.

3 Zum alljährlichen Nazitreiben anlässlich des Volkstrauertag 2003 entrollten AntifaschistInnen aus Gera lediglich ein Transparent und hielten sich auch bei den Nazizeremonien zurück, dennoch wurden sie von der Polizei einzeln abgefilmt und einer Personalienaufnahme unterzogen. Als Krönung bekamen alle eine Vorladung wegen angeblichen Verstosses gegen das Versammlungsgesetz (Vermummung). Bei der Polizei wurden nochmals Fotos vorgelegt und mit abenteuerlichen Androhungen wurde versucht, Aussagen über antifaschistische Strukturen zu erpressen.

Bereits 2002 wurde ein durch antirassistische Gruppierungen besetztes Haus in der Geschwister Scholl Strasse 1 nach fünf Tagen durch ein martialisches Polizeiaufgebot geräumt und die Türen und Fenster zubetoniert bzw. zugenagelt. Als sich ein Antifaschist auf einer Kundgebung in Gera über die menschenunwürdige Situation von MigrantInnen in der BRD äusserte, wurde er vom amtierenden Oberbürgermeister Ralf Rauch (parteilos und CDU- nah) höchstpersönlich denunziert und ihm ein Verfahren wegen "Verleumdung" und "Volksverhetzung" angehängt.


Antifaschistische Aktion Gera [AAG]

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