Bei der Priesterbruderschaft (Dresden, 12.10.2008)
Diesen Sonntag hatte ich es nach mehreren Versuchen endlich geschafft. Ich war früh genug aufgestanden, um zum Gottesdienst zu gehen. Etwas, dass ich seit Jahren nicht mehr getan hatte. Noch dazu war es ein katholischer Gottesdienst, der mir als ehemaligen Lutheraner besonders fremd ist. Ich hatte mir schon mehrfach vorgenommen bei dem hiesigen Gottesdienst der Priesterbruderschaft St. Pius X vorbeizuschauen. Ursprünglich war die Priesterbruderschaft eine rechte Abspaltung der Katholischen Kirche unter dem schismatischen Erzbischof Marcel Lefebvre, die aber inzwischen in die weit geöffneten Arme des erzkonservativen Papstes Benedikt XVI. zurückgekehrt ist. Insgesamt kann die Priesterbruderschaft als eine Art "Mili Görüs" der Katholischen Kirche bezeichnet werden. Der Gottesdienst, den ich besuchte, fand auch in einer Art von Hinterhofkapelle - analog zu dem oft verwendeten Begriff "Hinterhofmoschee" - statt. Wenn auch die Priesterbrüder und -schwestern im Allgemeinen eher der deutschen Mittelschicht angehören, als dies bei den Anhängern der Islamisten von "Mili Görüs" der Fall ist. Trotzdem gibt es viele Gemeinsamkeiten. Beiden Gruppen führen ihre Gottesdienste nach strengem Ritus und in einer anderen Sprache aus. Während bei "Mili Görüs" Arabisch die Klerikalsprache ist, sind etwa 50% des gesprochenen oder gesungenen Wortes bei der Priesterbruderschaft in Latein. Ein Grund für ihre zeitweilige Abspaltung von der Mutterkirche war die von der Priesterbruderschaft abgelehnte Modernisierung der Kirche, die auch den lateinischen Ritus abschaffte.
Auch inhaltlich dürften sich Priesterbruderschaft und "Mili Görüs" in vielen Punkten nahe stehen. Beispielsweise in der, aus den jeweiligen heiligen Schriften herausgelesenen, Homophobie oder ihre Judenfeindschaft.
An jenem Sonntag stieg ich jedenfalls in einem neugebauten oder frisch renovierten Mehrfamilienhaus die Treppen herunter zum Gebetsraum, in der der Gottesdienst stattfinden sollte. Gleich am Eingang fanden sich zwei Broschüren. Eine wandte sich gegen Abtreibung und stammt von der "Vereinigung zum Schutze schwacher und hilfloser Menschen" (Sitz: Lippstadt), unter der Vorsitzenden Adelgunde Mertensacker. Mertensacker ist gleichzeitig auch Vorsitzende der christlich-fundamentalistischen Kleinst-Partei "Christliche Mitte", die eher katholisch ausgerichtet ist und deutschnationale Inhalte vertritt. In Frankreich stehen die Lefebvre-Jünger eher dem faschistischen "Front National" nahe.
Die andere Broschüre war von der Bruderschaft selbst und forderte einen "Rosenkranz-Kreuzzug" und "Deutschland für den Christkönig!". Da wird ein "gottlos gewordenes Deutschland" beklagt und ein Wiederaufbau Deutschlands angestrebt: "Auf Gottes Geboten", "Auf den Fundamenten des Katholischen Glauben" und "Auf den unversiegbaren Quellen der Sakramente, allen voran des heiligen Messopfers". Weiter findet sich das Gebet "Wehe Deutschlands an Maria und ihr unbeflecktes Herz", in dem es u.a. heisst: "[...] oh Maria, Du Königin des hl. Rosenkranzes, Du Hilfe der Christen, Du Siegerin in allen Schlachten Gottes; [...] übergeben und schenken wir heute Deinem unbefleckten, schmerzhaften und gnadenvollen Herzen unser deutsches Vaterland mit all seinen Bewohnern und Einrichtungen."
Vor dem Gebetsraum lagen weitere Schriften, darunter auch die Kinderzeitschrift "Der kleine Kreuzfahrer".
Obwohl ich vor der Zeit eintraf, wurde bereits kräftig gebetet, als ich den Raum betrat, der nicht grösser als eine kleine Feld-Kapelle war. Erst stellte ich mich an die Tür, dann setzte ich mich hin und beobachtete die Gläubigen. Einige von ihnen knieten beständig auf kleinen Holzbänken und veränderten diese ungemütliche Position während des Gottesdienstes nur selten. Insgesamt versammelten sich zu dem Gottesdienst etwa 20 Personen jeglichen Alters, womit der Raum bereits zu 2/3 gefüllt war. Eine Frau trug während des ganzen Gottesdienstes einen Schleier. Der ganze Raum atmete mit hochaufgeschlossenen Blusen und langen Röcken einen Zug von Lustfeindlichkeit. Ob aus religiösen Gründen oder ob sie es nur modisch fand, weiss ich nicht.
Der Grossteil des Gottesdienstes bestand dann aus lateinischen Gesängen und Gebeten. Bei denen mir mein dürftiges Schullatein kaum weiterhalf. Der Pastor war jung, bebrillt und hatte einen erkennbar schweizerdeutschen Dialekt. Schweizerdeutsch wirkt meist sehr charmant, aber dieser Dialekt-Sprecher schaffte es gekonnt ausdruckslos zu bleiben und damit auch den Dialekt jeden Charme zu nehmen. Die lärmenden Kleinkinder im Raum waren da um ein Vielfaches unterhaltsamer.
Die auf Deutsch gehaltene kurze Predigt widmete sich der Bedeutung des Rosenkranz-Gebetes. Der Pastor erzählte, dass dieses Gebet entstand, während die christliche Sekte der Albigenser im heutigen Südfrankreich stark war. Er beschrieb das als: "Ketzerei wütete im Süden Frankreichs." Dass die katholische Kirche diese "Ketzer" mit Feuer und Flamme ausrottete, erwähnte er hingegen nicht.
Nach über einer Stunde Sang und Gebet, zu dem ich immer brav meine Hände gefaltet hatte, verdrückte ich mich während des Abendmahls aus der Hinterhofkapelle der bibelfesten Turbo-Christen.
by Teydelbaum
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