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Proteste begleiten Schweigemarsch in Annaberg-Buchholz

Parallel zu einer Demonstration von mehreren hundert Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegnern setzten sich am vergangenen Montag im erzgebirgischen Annaberg-Buchholz etwa 200 Menschen lautstark für ein Recht auf Abtreibung und gegen den §218 ein (Fotos). Anlass für den von einem feministischen Bündnis getragenen Protest war der durch die "Christdemokraten für das Leben" (CDL) organisierte inzwischen schon sechste Schweigemarsch, an dem sich in diesem Jahr auch deren Bundesvorsitzende Mechthild Löhr (CDU) beteiligte. Nach Protesten in direkter Nähe zum Schweigemarsch zogen die zweihundert gut gelaunten Menschen durch die Strassen der Kreisstadt und setzten sich gegen eine Stigmatisierung schwangerer Menschen und ihres Rechtes auf Abtreibung ein. Dabei kam es immer wieder zu Schikanen durch die Polizei, welche nicht nur unentwegt die Versammlung filmte, sondern es sich nach dem Ende der Demonstration auch nicht nehmen liess, an mehreren Stellen offenbar grundlos gewaltsam gegen Versammlungsteilnehmerinnen und Versammlungsteilnehmer vorzugehen. Am Rande pöbelnde Nazis schienen sie insgesamt weniger zu stören, als die etwa 200 mit Bussen angereisten Menschen.

In verschiedenen Redebeiträgen wurde an ähnliche Diskussionen in Irland erinnert und auf das Problem der Transfeindlichkeit eingegangen. Neben einer Stärkung des Selbstbestimmungsrechts schwangerer Menschen wurde vor allem deren "bestmögliche Unterstützung" gefordert. Den Grund für die Proteste sieht Pauline Heinze vom Bündnis "Pro Choice" in der "reaktionären und frauenfeindlichen" Politik des CDL. "Wir haben das Gefühl, dass feministische Rechte, die erkämpft wurden, immer mehr bedroht werden, durch eine antifeministische Rhetorik die gerade sehr anschlussfähig scheint." "Der Kampf gegen Entmündigung und Bevormundung", so das Grusswort einer Gruppe aus Berlin, "ist ein zentraler Bestandteil der feministischen Bewegung. Er wendet sich gegen patriarchale Herrschaftsverhältnisse, die Nährboden sind für Forderungen nach einem Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen oder sexualpädagogischen Angeboten." Sie befürchten, dass durch den wachsenden Einfluss konservativer Kreise bestehende Gesetze verschärft und in Zukunft Abtreibungen noch sehr viel stärker kriminalisiert werden könnten. Die CDL lehnt Abtreibungen und jede Form der Sterbehilfe kategorisch ab und setzt sich stattdessen für eine bessere Fürsorge sowie eine ärztliche Beratung ein, um anschliessend mit Mitteln der Teufelsaustreibung und Schwulenheilung den Willen von Menschen zu brechen. Alternative Lebenskonzepte spielen dabei häufig keine Rolle. Vielmehr wird durch Aktionen christlich-fundamentalistische Gruppen immer wieder versucht, die traditionelle Familie und Heterosexualität als Norm zu verkaufen.

Als Reaktion auf die Übergriffe der insgesamt 170 eingesetzten Beamtinnen und Beamten zog das für die Versammlung verantwortliche Bündnis "Pro Choice Sachsen" zum Abschluss ein gemischtes Fazit: "Wir können die sinnlose Polizeigewalt nach dem Ende der vollkommen friedlichen Demo nicht verstehen. Offenbar sollen hier in Annaberg-Buchholz feministische Proteste in ein schlechtes Licht gerückt werden. Wir verurteilen das grundlose und gewaltsame Vorgehen der Polizei zutiefst." Dennoch sei es an diesem Tag an mehreren Stellen gelungen, in unmittelbarer Nähe zum Schweigemarsch "die reaktionären Forderungen der CDL nicht unwidersprochen zu lassen". Der Zusammenschluss verschiedener Initiativen und Vereine setzt sich für eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ein, welche nach §218 des Strafgesetzbuches (StGB) in Deutschland noch immer illegal sind und nur unter bestimmten Umständen straffrei bleiben. Nachdem es in der Vergangenheit kaum zu Kritik an den Schweigemärschen gekommen war, hatten sich im vergangenen Jahr erstmals knapp 50 Menschen versammelt, um damit ein Zeichen gegen den durch christlich-fundamentalistische Kreise organisierten Aufmarsch zu setzen. In der Region gibt es schon seit mehreren Jahren Versuche protestantischer Einrichtungen, Einfluss auf das kommunale Leben zu nehmen. Offenbar mit Erfolg, ein grosser Teil der Bevölkerung wählt konservativ und viele Unternehmen werben damit, christlich zu sein.

Reader zum Thema: Jennifer Stange - Evangelikale in Sachsen

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