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Sächsische Polizei ausser Kontrolle
Einsatz von Lösch- und Frostschutzmittel durch die Polizei

Wie das Innenministerium gestern mitteilte, hat die sächsische Bereitschaftspolizei eine mit Lösch- und Frostschutzmittel angereicherte Flüssigkeit nicht nur gegen Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Kundgebung in Leipzig, sondern offenbar auch in Dresden eingesetzt. So soll das eigentlich für das Löschen von Pyrotechnik von der Polizei verwendete Spezialgemisch am Rande zweier Fussballspiele der SG Dynamo Dresden verwendet worden sein. Dies ist das Ergebnis aus einem Prüfbericht der Bereitschaftspolizei, welches am Mittwoch vom Innenministerium veröffentlicht wurde. Demnach soll der Feuerlöscher sowohl am 6. Juli in einem Freundschaftsspiel gegen Ajax Amsterdam als auch 27. Oktober 2013 im Heimspiel gegen den Zweitligisten FC Energie Cottbus benutzt worden sein.

Die Untersuchungen hatten im Anschluss an eine Kundgebung gegen eine rechte Veranstaltung in Leipzig-Schönefeld begonnen, als mehrere Menschen nach einem Polizeieinsatz über nässende Augen, triefende Nasen und gerötete Haut geklagt hatten. Daraufhin musste der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf Nachfrage der Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz (Die Linke) einräumen, dass die Polizei ein Spezialfeuerlöschgerät eingesetzt hatte. Dieses enthielt neben Wasser auch den Löschmittelzusatz "FireAde 2000 und den Frostschutzzusatz "CW-Antifreeze", welche sowohl Augen- und Hautreizungen als auch Übelkeit und Durchfall hervorrufen können. Das EG-Sicherheitsdatenblatt sieht für die anwendenden Personen Atemschutz, Handschutz, Augenschutz und Körperschutz vor und rät dadurch verletzte Personen dazu, sich in ärztliche Behandlung zu begeben.

Video vom Polizeieinsatz am 3. Februar in Leipzig-Schönefeld: https://www.youtube.com/watch?v=M3rQYXSxPuo

Während Sachsens Innenminister im Februar versucht hatte, den Gebrauch mit der "Abwehr andauender körperlicher Angriffe gewalttätiger Personen" zu rechtfertigen, widersprachen Augenzeugen dieser Darstellung. Im Nachgang hatte Leipzig Polizeipräsident Bernd Merbitz ebenso wie Polizeisprecher Uwe Voigt den Einsatz von Sprühmitteln bestritten. Nach Auffassung von Merbitz habe es sich bei der im Fall von Leipzig-Schönefeld eingesetzten Flüssigkeit um eine mit "Wasser" befüllte "Übungskartusche" und damit ein "Placebo" gehandelt. "Es hat gewirkt und einige haben sich danach die Augen gerieben, obwohl es nur Wasser war", so Merbitz damals gegenüber der Leipziger Internetzeitung. Eine Lüge, wie sich nun herausstellte. Und der Vorfall ist längst kein Einzelfall mehr. Schon 2011 hatte die Leipziger Polizei nach einer Spontandemonstration gegen ein Nazizentrum im Februar 2011 bestritten, gegen Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit dem Schlagstock vorgegangen zu sein. Erst als ein Foto aufgetaucht war, sprach die Polizei plötzlich von "Notwehr".

In allen Fällen ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft wegen Straftaten im Amt. Ob die Vorfälle dienstrechtliche Konsequenzen für den sächsischen Bereitschaftspräsidenten Ulrich Bornmann und seine Einsatzkräfte haben werden, bleibt jedoch abzuwarten. Das Gesetz sieht für Beamtinnen und Beamte, die eine Körperverletzung während ihres Dienstes begehen (§340 Körperverletzung im Amt), ein Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Landespolizeipräsident Rainer Kann erklärte, dass er Belehrungen veranlasst habe, um künftig eine "zweckentfremdete Anwendung des Polizeifeuerlöschers auszuschliessen". Als Reaktion auf die Ereignisse im Februar hatte Kerstin Köditz die Polizei aufgefordert, die Geschehnisse aufzuklären und "disziplinarische Massnahmen" einzuleiten. Gleichzeitig rief sie die durch den Polizeieinsatz verletzten Personen dazu auf, Strafantrag wegen Körperverletzung zu stellen. Auch Parteikollegin Juliane Nagel hatte als Anmelderin der Protestkundgebung im Leipziger Stadtteil Schönefeld die Polizei kritisiert. "Durch ein solches Vorgehen", so die Stadträtin weiter, werden "zivilgesellschaftlicher und antirassistischer Protest diskreditiert und Menschen abgeschreckt, ihre Grundrechte wahrzunehmen".

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