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Ticker zu Kritik und Widerstand gegen die Agro-Gentechnik
18. April 2009 Informationen für Aktive und Noch-nicht-Aktive, für Gruppen und Verbände in der Gentechnikkritik und für JournalistInnen mit Interesse am Thema "Gentechnik"

Keine Verschnaufpause: Neue Feldbesetzungen und Aktionen an Versuchsfelder

Während viele über das Anbauverbot von MON810-Mais diskutierten, besetzten im sachsen-anhaltinischen Dreileben GentechnikgegnerInnen zum dritten Mal in diesem Jahr ein Versuchsfeld für genmanipulierte Rüben. Ihr klares Signal: Mit dem Verbot des Genmais ist Deutschland noch lange nicht gentechnikfrei. Auf etlichen Freisetzungsfeldern wollen Firmen und dubiose Seilschaften verschiedenste Pflanzen ausbringen und testen.
Für die kommenden Tage sind etliche Aktionen an solchen Standorten angekündigt. An der Biotechfarm in Üplingen (www.biogeldfarm.de.vu) soll eine neue Feldbesetzung gewagt werden. Neben den Versuchsfeldern des Agrobiotechnikums in Gross Lüsewitz (www.aggrobiotechnikum.de.vu) wird ein gentechnikfreies Gerstefeld angelegt. Ausserdem lädt eine BürgerInneninitiative in Braunschweig zu Veranstaltungen, einer Fahrraddemo und anschliessender Mahnwache vor den Toren des Julius-Kühn-Instituts (www.julius-kungel-institut.de.vu) und der landwirtschaftlichen Versuchsflächen im Westen der Stadt ein.
* Übersicht zu laufenden Aktionen: http://www.gentech-weg.de.vu

Gentechniklobby warnt vor direkten Aktionen

Jammern bei der Gentechniklobby. Nach dem Verlust der Zulassung des BT-Mais mit der Bezeichnung MON810 fürchten sie nun um ihre weiteren Felder. Zwar werden diese von den Regierenden weiter mit riesigen Förderbeträgen aus Steuergeldern vollgepumpt und mit umfangreichen Polizeieinsätzen geschützt, zudem haben sich die meisten Umweltverbände und Parteien bei deutscher Gentechnik eher zurückgehalten. Allerdings haben kleine, selbstorganisierte Gruppen von GentechnikkritikerInnen vor allem die Freisetzungsversuche im Auge. Drei Feldbesetzungen gab es bereits dieses Jahr - nun meldet der DDP, dass die GentechnikerInnen noch mehr Aktionen erwarten: "Nach dem Verbot der einzigen kommerziell angebauten Genpflanze in Deutschland befürchten Pflanzenzüchter die Zunahme von Feldzerstörungen. Mit dem durch Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) verhängten Anbauverbot für die genmanipulierte Maissorte MON 810 steige das Risiko, das Freisetzungsversuche und Forschungsprojekte von Hochschulen wegen radikaler Feldbesetzer aufgegeben werden müssten, sagte Kerstin Mönch vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V. am Donnerstag in Magdeburg. Die Entscheidung gebe den Gegnern zusätzlichen Rückenwind. Es sei inakzeptabel, dass die Politik das «Feindbild Gentechnik» durch populistische Entscheidungen weiter schüre, betonte Mönch. Denn die Aktivitäten der Anbaugegner verhinderten nicht nur gezielt den biologisch-technischen Fortschritt, sondern richteten sich auch gegen Landwirte, die bei der hofeigenen Futtermittelproduktion auf Genmais setzten. Dies sei verantwortungslos und egoistisch." Quelle: DDP.

MON810-Verbot: Eine Sorte verboten, mehrere andere sollen neu kommen

Aus Kreisen unabhängiger GentechnikkritikerInnen wurde die teils euphorischen Berichte in Medien und Verbänden zum Verbot der BT-Maissorte MON810 kritisiert. "Wir sind enttäuscht, dass hier gejubelt wird, ohne zu benennen, dass die Freisetzungsversuche unverändert weitergehen und selbst im Ministerium von Landwirtschaftsministerin Aigner neue Programme zur Entwicklung von Gentechnik laufen", formulierte ein Teilnehmer der Mahnwache nahe des Agrobiotechnikums bei Gross Lüsewitz deutliche Enttäuschung. In den meisten Presseberichten und Verlautbarungen von Umweltverbänden oder Parteien wäre der Eindruck entstanden, dass es keine Genfelder mehr gäbe nach dem Verbot. Ebenso blieb verschwiegen, dass das Aigner-Ministerium gerade ein neues Förderprogramm gestartet hätte, um unter anderem durch "biotechnologische Verfahren" nachwachsende Rohstoffe, darunter auch Energiepflanzen, herzustellen.
* Internetseite Förderprogramm: http://www.fnr.de.

Demonstration gegen Feldbesetzungen

Die Lobbyverbände BDP und AGIL (Fachgruppe bei InnoPlanta) griffen selbst zum Mittel der Demonstration. Am 17.4.2009, also ausgerechnet am Weltaktionstag "Via Campesina", marschierten sie durch Üplingen und forderten die Wahlfreiheit für LandwirtInnen. Was sie nicht erklären konnten ist, wie diese Wahlfreiheit eigentlich gewährleistet sein soll. Bislang gibt es kein Mittel gegen Auskreuzung, horizonalen Gentransfer und die Neigung von Bienen, zu fliegen.

Neu und erstmalig: Anklage gegen FeldbesetzerInnen

Premiere in Deutschland: Zum ersten Mal wird offiziell Anklage erhoben gegen Personen, denen vorgeworfen wird, an der Besetzung eines Genversuchsfeldes Ende April 2008 in Gross Gerau teilgenommen zu haben (siehe Foto oben). Die Anklage im Wortlaut: "Am frühen Morgen des 25.04.2008 gegen 3.00 Uhr betraten die Angeschuldigten gemeinsam mit ... weiteren unbekannt gebliebenen Mittätern gegen den Willen des Hausrechtsinhabers das in der Gemarkung Gross-Gerau am Woogsdammweg 6 gelegene umzäunte Versuchsgelände des Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Justus-Liebig-Universität Giessen, indem sie oder einer oder mehrere ihrer unbekannt gebliebenen Mittäter aufgrund eines gemeinsam gefassten Tatentschlusses an einem der Zufahrtstore gewaltsam die Kette durchtrennten und Bolzen entfernten und das Tor sodann öffneten, so dass sie unter Mitnahme zahlreicher für einen längeren Aufenthalt und für Demonstrationszwecke benötigter Gegenstände auf das Gelände gelangen konnten, und hielten das Versuchsfeld bis zum 01.05.2008 um 18:OO Uhr widerrechtlich besetzt, was die Angeschuldigten jedoch zur Erreichung ihres gemeinsamen Zieles, der Verhinderung der Aussaat von genmanipuliertem Maissamen auf dem Ackergelände, zumindest in Kauf nahmen. ... Eine polizeiliche Räumung des Feldes wurde seitens des Hausrechtsinhabers, der Justus-Liebig-Universität Giessen, zunächst nicht gewünscht, um keine Polizeiaktionen zu provozieren, die eine vermeintliche Öffentlichkeitswirkung zur Folge gehabt hätten. wie sie aus in der Vergangenheit abgehaltenen vergleichbaren Aktionen ... vorgekommen sei."
Bei dem Feld handelte es sich um das letzte Genfeld in Hessen - seit der Besetzung ist das Bundesland frei von Feldern mit gv-Pflanzen. Durchgeführt werden sollten Sortenprüfungen mit Züchtungen aus der Maissorte MON810, also genau der Pflanze, die seit dem 14. April 2009 wegen unkalkulierbarer Auswirkungen auf die Umwelt verboten wurde. 2008 wäre sie in Gross Gerau ausgesät worden - der Prozess wird aber nicht den Anbauern gemacht, sondern denen, die den Anbau verhindert haben. Immerhin: Der Prozess kann die Chance bieten, die Machenschaften der GentechnikanbauerInnen kritisch zu durchleuchten - darunter auch der seltsame Ausspruch des Giessener Universitätsprofessors Friedt, der gegenüber dem RTL aussagte, von weiteren Genfeldern in Hessen zu wissen. Die wären illegal, da nicht offiziell gemeldet ...
* Infoseite unter http://www.gendreck-giessen.de.vu

Jetzt auch das JKI: Bundesbehörden verweigern rechtswidrig Akteneinsicht

Unglaublich - nach dem BVL verweigert auch die zweite relevante Bundesinstitution zur Gentechnik die Akteneinsicht, obwohl diese nach dem Umweltinformationsgesetz vorgeschrieben ist. Damit sind ausgerechnet die beiden Behörden, die eigentliche Verbraucherrechte schützen und die Gentechnikanbauer kontrollieren wollen, sichtbar im Dienste der Gentechniker tätig und gegen die VerbraucherInnen. Das Julius-Kühn-Institut, als Bundesfachanstalt für Pflanzenbau intensiv mit gentechnischen Experimenten beschäftigt, weigerte sich im Frühjahr 2009 vollständig, Akteneinsicht zu gewähren. Die absurde Begründung: "Die von Ihnen angesprochenen Versuche werden im Rahmen eines vom BMELV in Auftrag gegebenen und finanzierten Projektes durchgeführt, bei dem es sich um ein Forschungsvorhaben und nicht um einen behördlichen Vorgang handelt." (Schreiben vom 27.2.2009)
Nachdem der Antragsteller Widerspruch einlegte, wiederholte das JKI diese Auffassung in der formalen Ablehnung am 7.4.2009: "Der Widerspruch soll zurückgewiesen werden. Die begehrte Akteneinsicht zu dem Projekt: "Bundesforschungsprogramm zur Sicherung der Koexistenz" dürfte keine Umweltinformation im Sinne des § 2 Abs. 3 Umweltinformationsgesetz darstellen. Es handelt sich vielmehr, wie bereits in dem Bescheid vom 27.02.2009 mitgeteilt wurde, um ein Forschungsprojekt."
Die Rechtsauffassung der Behörde ist völlig wird. Das UIG unterscheidet nicht in offizielle Vorgänge und Forschungsarbeit. Auch Universitäten müssen ihre Forschungen offenlegen - und tun das auch. Gerade die Bundesbehörden aber weigern sich ...
* Mehr zu JKI: http://www.julius-kungel-institut.de.vu

Hinweis: Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (ebenfalls eine Bundesbehörde) hatte im Herbst 2008 die Akteneinsicht dauerhaft verweigert und war nach einer Klage von GentechnikgegnerInnen vom Verwaltungsgericht Braunschweig gedrängt worden, diese Praxis zu ändern.
* Link über http://www.gentech-weg.de.vu

Hausverbot für Gentechnikkritiker: Uni Giessen gegen Meinungsfreiheit

Weil er - sogar nach vorheriger Absprache - gentechnikkritische Flyer in den Gängen des Instituts von Prof. Kogel (Projektleiter beim Gengersteversuch) auslegen wollte, hat jetzt ein Gentechnikkritiker Hausverbot für die gesamte Uni Giessen erhalten. Vorspiel: Im März besuchten GentechnikkritikerInnen das IFZ und prüften Auslagen mit Informationsmaterialien. Das Ergebnis: Nur Propaganda für Gentechnik und etliche Werbeschriften von Gentechnikfirmen und Lobbyverbänden. Darauf angesprochen, behauptete eine Institutsmitarbeiterin, dass die KritikerInnen ja eigenes, kritisches Material daneben legen könnten. Das genau hatten sie am 3. April auch vor, doch es sollte nicht gelingen. Binnen kürzester Zeit traten auf verschiedenen Räumen und Laboren etliche MitarbeiterInnen auf den Flur und forderten die GentechnikkritikerInnen auf, den Institutsbereich zu verlassen. Prof. Imani, immerhin Stellvertreter des Institutschefs Prof. Kogel, legte sogar selbst Hand an schubste einen Gentechnikkritiker weg. Der Vorfall wurde für mehr genutzt: Das Uni-Präsidium verhängte ein totales Hausverbot gegen einen Gentechnikkritiker - für alle Teile der Uni. Sollte er irgendwo die Uni betreten, kündigte das Präsidium sofortige Strafanzeigen an. Dieser Umgang mit Meinungsfreiheit ist für die Uni Giessen nicht neu. Als Ende März 2008 das Gengerstefeld besetzt wurde, waren gentechnikkritische Seiten auf allen Uni-Rechnern nicht mehr aufrufbar.
* Uni Giessen: http://www.gendreck-giessen.de.vu

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Aktuelle Termine

Gerichtsverfahren in Sachen Gentechnik
* Do, 23.4., 9.30 Uhr am Magdeburger Landgericht, Halberstädter Str. 8): Zivilprozess um die Feldbefreiung von Gatersleben (April 2008). Mehr auf www.gendreck-weg.de.
* Do., 23.4., 11 Uhr Gerichtstermin gegen Gentech-Freisetzungen in Niedermöllrich (Krs. Wabern) im Verwaltungsgericht Braunschweig, Wendentor 7

Aktionen

* 17. und 18. April 2009 vor und zur KWS in Einbeck: Radtouren und Demo (www.kws-gentechnikfrei.de)
Radtour zur Demo: 17.4. 9.30 Uhr Witzenhausen Nordbahnhof: Treffpunkt für Witzenhäuser
11:00 Uhr Hauptbahnhof Göttingen, Treffpunkt für alle Göttinger
11.30 Uhr Kundgebung an der Uni Göttingen, Platz der Göttinger Sieben, Nähe Zentrales Hörsaalgebäude
13:00 Uhr Abfahrt dort an der Uni
18.4.: 8:30 Uhr Abfahrt in Stöckheim
10 Uhr, Kornhaus, Raiffeisenstrasse in Einbeck: Grosse Demonstration für eine gentechnikfreie Landwirtschaft
* 17. bis 19. April in Üplingen (30 km westlich Magdeburg): Öffentliche Besetzung "Reclaim the Biotechfarm" (am 13.3. wurde das besetzte Feld geräumt). Mehr: http://genfeldbesetzung.blogsport.de
* 18./19.4. bei Kitzingen (Kreis Würzburg): Saatgutmarkt mit öffentlicher Gegensaat auf Genmaisfeld. Mehr auf http://www.gendreck-weg.de
* Sa., 25.4. 11 Uhr Fahrrad-Demonstration vom Kohlmarkt zur ehemaligen FAL in BS-Lamme, anschliessend Mahnwache dort (http://www.bs-gentechfrei.de)
* 9.-24. Mai 2009, quer durch die Schweiz: Fahrradkarawane für eine zukunftsträchtige souveräne Landwirtschaft, gegen Gentechnologie


Projektwerkstatt

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