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Laienverteidiger wegen rechtlicher Unterstützung eines Gedenkmarsches für die von Nazis Ermordeten im Allgäu vor Gericht
Nachdem Strafverteidiger Schachtner bereits im März 2015 vom Landgericht München vom Vorwurf des Titelmissbrauchs freigesprochen wurde, verhandelt nun auch das Amtsgericht Kempten einen fast identischen Fall. Dem Verteidiger wird vorgeworfen er hätte sich im Rahmen von Verhaftungen auf der Demonstration "Remembering means fighting - Gegen Nazis und ihre Umtriebe" gegenüber einem Polizisten als Rechtsanwalt ausgegeben. Der als Verteidiger tätige Laie wird sich in dem Verfahren selbst auch durch einen Laienverteidigerkollegen unterstützen lassen. Was geschah: In der Nacht zum 26. April 2008 wird der 40-jährige Peter Siebert von seinem 22-jährigen Nachbarn, dem Neonazi Alexander B. in Memmingen erstochen. Zuvor hatte sich das Opfer (nicht zum ersten Mal) über den lauten Rechtsrock seines Nachbarn beschwert und diesem seine braune Gesinnung vorgeworfen. Im Laufe des Streits verfolgte Alexander B. seinen Nachbarn bis in dessen Wohnung und stach ihn dort mit einem Bajonett nieder. Am 17. Juli 2013 wurde in Kaufbeuren der 34-jährige Spätaussiedler Konstantin M. vom, wegen neonazistischer Gewalttaten einschlägig vorbestraften, Falk H. auf dem Tänzelfest in Kaufbeuren erschlagen. Vorausgegangen sind der Tat rassistische Pöbeleien. Diese beiden Toten nahm sich das Jugendaktionsbüro React!OR in Kempten zum Anlass einen Gedenkmarsch für die Opfer Rechter Gewalt im Allgäu zu veranstalten. Die Gedenkveranstaltung wurde von einem extrem ausgeprägten Polizeiaufgebot begleitet. So wurde jede*r der ca. 400 Teilnehmer*Innen einzeln am ganzen Körper durchsucht, bevor die Betroffenen zur Demonstration durchgelassen wurden. Teilnehmer*innen wurden wegen geringer Vergehen (mitführen eines Brotzeitmessers) verhaftet und auf das Polizeirevier verbracht. Die komplette Veranstaltung verlief, wie auch in den beiden Vorjahren, friedlich. Strafverteidiger Schachtner wird indes vorgeworfen er hätte sich, im Rahmen seiner Tätigkeit im juristischen Notdienst der Demonstration, gegenüber einem Polizisten als Rechtsanwalt ausgegeben. Dies soll sich im Rahmen eines Gespräches mit der Polizeilichen Einsatzzentrale ereignet haben, in dem der Laienverteidiger sich um Auskunft über den Verbleib der Verhafteten bemüht hat. "Letztlich geht es in diesem Fall wieder um einen Polizisten der den Unterschied zwischen Rechtsanwalt und Strafverteidiger nicht kannte und daher eine irreführenden Bericht verfasste. Warum die Staatsanwaltschaft trotz des Urteils des LG München in absolut ähnlicher Sache Anklage erhebt, kann ich aus rein juristischer Sicht nicht nachvollziehen." so der Angeklagte Strafverteidiger. "Wenn man sich aber den unverhältnismässig ausgeprägten Polizeieinsatz während der Demonstration vergegenwärtigt, passt das Strafverfahren durchaus in die Einschüchterungs- und Machtdemonstrationstaktik der Kemptner Verfolgungsbehörden. Man möchte diejenigen, die an Rechte Morde erinnern, wohl besser heute als morgen zum verstummen bringen." Da ein Verschweigen und Verdrängen der Morde für den Strafverteidiger kein Weg ist das Problem rechter Gewalt zu lösen, wird er sich zusammen mit einem Kollegen vor dem Amtsgericht Kempten gegen den Vorwurf des Titelmissbrauches zur Wehr setzen. Das Verfahren wird am 17.01.2017 um 9:00 Uhr am Amtsgericht Kempten (Residenzplatz 4 - 6, 87435 Kempten) Saal 160 (1.OG.) verhandelt. Das Verfahren ist öffentlich. Hinweis zu den Begrifflichkeiten: Bei Strafverteidigern handelt es sich um Personen, die Angeklagte in Strafverfahren vor Gericht verteidigen. Das kann sowohl durch Rechtsanwälte, als auch durch Personen ohne juristische Ausbildung erfolgen. Bei Rechtsanwälten handelt es sich um Juristen mit abgeschlossenen Staatsexamina. Bei dem Angeklagten Schachtner handelt es sich um einen Strafverteidiger, jedoch um keinen Rechtsanwalt. |
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