"Wir werben hier nicht mit Frauenbrüsten, sondern mit einem Lebensgefühl"
Der Tattoo- Shop ist neu im Hechtviertel und hat sich mit einem Wandgemälde gleich unbeliebt gemacht. Zu sehen: unter anderem eine "barbusige Frau". Unbekannte zensierten deren Brüste und Augen zwei Wochen nach Fertigstellung sogleich mit schwarzer Farbe. Jetzt machen die Inhaber_innen des Shops mit einem eigenen Flyer mobil. Sie wollen die Täter_innen finden und zur Anzeige bringen. 500 Euro oder ein gratis Tattoo - das ist der Preis, der auf die Namen der Täter_innen der antisexistischen Aktion am "Bunten Wunder" geboten wird.
Offenkundig mit geballter Wut geschrieben, spricht der Text für sich. "Wir werben hier nicht mit Frauenbrüsten, sondern mit einem Lebensgefühl." Mit dem Wandbild möchten sie für mehr Farbe im Viertel sorgen und stellen fest: "Jeglicher Versuch das Hechtviertel bunter zu gestalten, fernab der hier aufkeimenden Yuppiekultur wird sofort mit dem politischen Dampfhammer
niedergewalzt." Erkennen können sie darin nur: "Kulturfaschismus".
Dennoch: "Wir sind für die sexuelle Freiheit aller Frauen und diskriminieren niemanden, weil wir selbst allzu oft angestarrt werden, wie der Affe im Zirkus."
Aha.
Dieses Ereignis war auch der SZ einen längeren Artikel wert, welche so einen prima Sommerlochstopfer gefunden hatte.
Dort argumentiert der Mitarbeiter Daniel Weber, alias Webs, schlicht: "All das sind klassische Tattoo-Motive".
Zudem wird nobel offeriert: "Wenn sich die Täter freiwillig stellen, sind wir auch bereit, die 500 Euro einer Einrichtung für Frauen zu spenden, die Opfer sexistischer Gewalt wurden."
Abseits eines gewissen Unterhaltungswertes beim Lesen wird jedoch vor allem eins offensichtlich:
Mangelnde Auseinandersetzung mit dem Thema Sexismus.
Der positive Bezug auf ein "Lebensgefühl", bei dem die Darstellung nackter Frauenkörper mit
überdimensionierten Brüsten, Augen und Lippen als Sexobjekt völlig normal ist - und demnach auch als "klassisches Tatto-Motiv" gilt, zeigt klar den völlig unkritischen Umgang mit den zugrundeliegenden sexistischen Gesellschaftsstrukturen.
Darüber hinaus wird das Problem auf "sexistische Gewalt" gegenüber Frauen reduziert. Dass sexistische Gewalt aber nur im Kontext sexistischer Gesellschaftsstrukturen möglich ist, wird hier schlicht vergessen.
Und nur so ist auch die Überzeugung zu erklären, dass mensch aus eigener Marginalisierungserfahrung heraus keine_n sexistisch diskriminieren könne.
Vor diesem Hintergrund wirkt es skurril, dass sich die Inhaber_innen des Tattoo-Shops und ihr Mitarbeiter Daniel Weber, alias Webs, sowohl in dem Artikel als auch in ihrem Flugblatt als grosse Antisexist_innen produzieren - und dank der SZ auch können.
Das Sahnehäubchen des SZ-Artikels: In Verdacht gerät sofort die antisexistische Gruppe Dresden. Grund: ihr antisexistisches und antifaschistisches Selbstverständnis und eine, auf ihrer Homepage angebotene, Sprühvorlage.
Verdächtigungen allein auf dieser Grundlage sind reichlich absurd. Trotzdem befürworten wir grundsätzlich die Aktion am Tattoo-Shop, führt sie doch offensichtlich wenigstens zu einer oberflächlichen Thematisierung von Sexismus...
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