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"Wir wollen der Willkür im Gerichtssaal Schranken setzen!"
Politisch motivierter Verteidigerrauswurf provoziert Verfassungsklage

Am 13. Dezember 2010 warf das Amtsgericht Dannenberg den Verteidiger einer angeklagten Anti-Atom-Aktivistin aus dem damals schon seit Monaten laufenden Prozess um Hausfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Tatort war das Atommüllzwischenlager Gorleben. Die überregional als Kletteraktivistin bekannte Angeklagte hatte sich wegen schlechter Erfahrungen mit der Lüneburger und Dannenberger Justiz einen in Strafverfahren erfahrenen Aktivisten aus Hessen zu Hilfe geholt. Dessen Rechtskenntnisse wurden auch anerkannt und er konnte von September bis Dezember 2010 als Verteidiger mitwirken. Dann plötzlich beantragte der Lüneburger Staatsanwalt Vogel den Rauswurf. "Das war klar ein politisches Foul: Staatsanwalt Vogel kam mit seiner wackeligen Anklage nicht durch und wollte sich den Weg freiräumen", kritisiert der Verteidiger den Antrag seines Kontrahenten in Robe. Vor allem sei der Staatsanwalt unfair vorgegangen, in dem er sich eine komplette Lüge zurechtgelegt hatte. Danach hätte der Verteidiger in seinem Antrag, Verteidiger zu werden, eine bevorstehende eigene Haftstrafe verschwiegen und sich somit das Verteidigermandat "erschlichen". Doch wie sich schnell herausstellte, hatte es einen solchen Antrag nie gegeben, vielmehr hatte die Angeklagte den Antrag gestellt, als der spätere Verteidiger noch gar Prozessbeteiligter war. Dennoch übernahm der der Staatsanwaltschaft hörige und meist alkoholisiert wirkende Richter den Vorschlag. Auch das Landgericht wies die Beschwerde ohne weitere Überprüfung ab.

Dem Einzelfall folgten weitere Rauswürfe. In Lüneburg wurde eine Verteidigerin aus einem Prozess geworfen - und in Dannenberg ein Verteidiger gar nicht erst zugelassen. "Hier soll offensichtlich eine wirksame Verteidigung verhindert werden. Staatsanwaltschaft und Gerichte suchen freie Bahn für politisch motivierte Verurteilungen!", schimpften ZuschauerInnen der Prozesse.

"Wir wollen uns das nicht gefallen lassen", benannten jetzt Angeklagte und Verteidiger ihre Gründe, Verfassungsklage einzureichen. So muss nun in Karlsruhe darüber entschieden werden, ob der Dannenberger Amtsrichter auf Geheiss des Lüneburger Staatsanwaltschaftes ungeliebte Verteidiger überhaupt rauswerfen dürfen - und ob sie sich dafür schlichter Lügen bedienen dürfen. Klagen vor dem Verfassungsgericht sind regelmässig aussichtslos, da die hohen RichterInnen die meisten Beschwerden gar nicht erst annehmen und ohne Begründung ablehnen. Hier ginge es aber, so der ehemalige Verteidiger, um eine sehr grundsätzliche Frage. Wenn es zulässig bleibt, derart willkürlich Verteidiger aus Prozessen zu werfen, seinen die Rechte von Angeklagten massiv eingeschränkt. Unter LaienverteidigerInnen in Deutschland hat der Rauswurf Besorgnis ausgelöst. Im Mai soll ein Netzwerk gegründet werden, um sich in Zukunft besser koordinieren und gegenseitig unterstützen zu können. Unter www.laienverteidigung.de.vu sind erste Informationen und die Einladung zum ersten Treffen zu finden.

Absender: __kobra____antirepressionsplattform, c/o Projektwerkstatt (s.o.)

Az. beim Amtsgericht Dannenberg: NZS 11 Cs 5103 Js 30702/08 (235/08)

Az. der Verteidigerklage beim Verfassungsgericht: 2 BvR 233/11

Seite mit Abläufen und allen relevanten Dokumenten des Verfahrens: www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/lg/haupt.html


Selbst- und LaienverteidigerInnen-Netzwerk (in Gründung)

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