|
alternativer veranstaltungskalender / blatt für unterbliebene nachrichten | |||||
|
AGNWO die dritte
Die "AG Natürliche Wirtschaftsordnung" beschäftigt uns ein drittes Mal. Eingebrockt haben sie sich das nicht selbst, sondern ihre Fans, die zwei Mails schrieben, um ihr geliebtes "Wirtschaftsmodell" zu verteidigen. Dies ist für Terminal-Verhältnisse ein selten hohes Feedback und lässt erahnen, dass es sich um ein emotional besetztes Thema handelt. Gleichzeitig ist zu hoffen, dass sich trotz dessen nicht alle RezipientInnen als aufklärungsresistent erweisen und es sich hiermit nicht um verschenktes (sic! terminal ist keine Ware) Papier handelt (sic!sic!). Ganz offensicht liegen die AutorInnen dieser Mails einigen Missverständnissen auf, die beseitigt werden müssen: Antifa hat nichts mit Stiftung Warentest zu tun, terminal ist weder Lidl noch die Antifa, es ist vollkommen unerheblich, ob ein J. M. Keynes Freiwirtschaft vertreten hat oder nicht, weil er als prokapitalistischer Theoretiker eh nichts zu einer sinnvollen Kapitalismuskritik zu sagen hat (wie auch Gesell). Was den Mails gemein war: die Aufregung über die Einschätzung, dass die AG NWO strukturell antisemitisch argumentiere (wie z.B. Teile von Attac auch). Was den AutorInnen gemein war: Ihre wilde Entschlossenheit zur Kapitalismuskritik bei gleichzeitiger Abwesenheit eines Mindestverständnisses an Antisemitismuskritik. Hier ein paar Zaunspfähle, die dazu beitragen sollen letzteres in Bezug auf ersteres zu beheben, es versteht sich von selbst, dass hier keine umfassende Darstellung Platz hat: Ausdrucksform des Kapitalismus ist der Markt, in dem Anbieter von Waren miteinander konkurrieren, mittels Tauschgeschäften das meiste herauszuschlagen. Dabei hat es sich als praktisch erwiesen, ein allgemeines Tauschäquivalent - Geld - zu benutzen, welches sich aus knappen, haltbaren und gleichzeitig gefragten Waren (Edelmetalle, Edelsteine) hin zu einer "abstrakten" Rechengrösse entwickelt hat. Der Tauschwert von Waren existiert sinnvollerweise nur als Vergleich zu anderen Waren (2 Schuhe = 1 Kiste Wein oder 1 Brot = 2,50 Euro), genauso wie der Wert von Geld nur im Vergleich mit anderen Waren dargestellt werden kann. Da also Geld auch eine Ware ist, erscheint es unsinnig, den Gewinn (Zins) auf die Verfügbarmachung dieser zu einem bestimmten Zeitpunkt zu kritisieren, hingegen bei anderen Tauschgeschäften (z.B. Videos ausleihen) Gewinn zu akzeptieren. Ziel kapitalistischer Warenproduktion ist es, diese Waren mit möglichst hohem Gewinn am Markt zu verkaufen. Im allgemeinen behält ein Unternehmen einen Mehrwert zurück, der den LohnempfängerInnen vorenthalten bleibt, obwohl diese für die eigentliche Wertschöpfung mittels ihrer Arbeitskraft gesorgt haben. Die Ware Arbeitskraft ist im Überfluss vorhanden und hat daher einen eher niedrigen Tauschwert (der mindestens dazu ausreichen soll, die Arbeitskraft zu regenerieren, d.h. sich am Leben zu halten). Die Trennung der kapitalistischen Wirtschaft in Produktions- (d.h. Handwerk, Argrarwirtschaft, Industrie) und Zirkulationssphäre (d.h. Geld- und Wertpapierhandel) - die Nazis bezeichneten es als "schaffendes und raffendes Kapital" - ist der Grundirrtum des bürgerlichen Antisemitismus. Die Quelle von Ungerechtigkeit wird nicht in der Ausbeutung von Lohnabhängigen erkannt, sondern in der scheinbar unerklärlichen "leistungslosen" Geldvermehrung im Geldhandel. Im bürgerlichen Antisemitismus wird dieser Bereich aufgrund tradierter Stereotype den Juden zugeordnet. An dieser Stelle können wir der AG NWO zugute halten, dass sie in ihren Schriften den letzten Schritt nicht vollziehen, was gleichzeitig der einzige ist, der ihre Ökonomiekritik von der eines Horst Mahler trennt. Jegliche Kapitalismukritik, die auf diesem Irrtum aufbaut, ist eben keine und ist seit Anfang des 19. Jahrhunderts gewöhnlicherweise "Legitimierung" für antisemitische Pogrome. empfohlene Literatur zur Vertiefung
AG Wirtschaft & Propaganda im terminal |
|
|