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Buchvorstellung: "Braune Diplomaten"

Mit dem vorliegenden Band "Braune Diplomaten" liefert Sebastian Weitkamp einen Beitrag zur Rolle des Auswärtigen Amtes während des Nationalsozialismus. Er beleuchtet dabei an dem Wirken der beiden Beamten Horst Wagner, einem ehrgeizigen Aufsteiger im Nationalsozialismus ohne angemessene Vorbildung und Eberhard von Thadden, einem gut qualifizierten Karrieristen mit antisemitischen Ansichten, die, von den NS-Behörden als "Endlösung" bezeichnete Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus als einen modernen, bürokratischen Prozess, bei dem fast die gesamte deutsche Gesellschaft auf die eine oder andere Weise einbezogen war.

Weitkamp geht in dem Buch ausführlich darauf ein, wie sich die Arbeit in der aus der Abteilung Deutschland hervorgegangenen Nachfolgeorganisation Inland II des Auswärtigen Amtes mit der Unterstützung und diplomatischen Absicherung der von der SS durchgeführten Judenverfolgungen und -deportationen in Europa gestaltete. Die Gruppe Inland II war eine von der Führung des Auswärtigen Amtes geschaffene Struktur um die Kooperation des Auswärtigen Amtes mit der SS wahrzunehmen. Die Führung des Auswärtigen Amtes drängte auf eine harte Judenpolitik, in Wagner und Thadden fanden sich in der Referatsgruppe Inland II zwei Beamte, die motiviert waren diese Politik umzusetzen. Thadden besichtigte das Konzentrationslager Bergen-Belsen und das Ghetto Theresienstadt. Mit Eichmann traf sich Thadden im Sommer 1944 in Budapest um die stattfindenden Deportationen zu koordinieren. Heitkamp schreibt zu Thadden: "Eberhard von Thadden war ein mobiler und kompetenter Funktionär der Endlösung." Die von Wagner geleitete Referatsgruppe war eine Mischung aus traditioneller diplomatischer Arbeit und einer nationalsozialistischen Politikführung, stand dabei aber nicht an den Rande des Auswärtigen Amtes gedrängt, sondern war integrativer Bestandteil der Arbeit des Auswärtigen Amtes. Inland II arbeitete mit allen Abteilungen des Auswärtigen Amtes zusammen und hätte ohne die Mithilfe der anderen Abteilungen nicht funktionieren können.

Die Studie "Braune Diplomaten" gliedert sich in drei Kapitel: Im ersten Kapital beschreibt Weitkamp die Karrieren der beiden Beamten Horst Wagner und Eberhard von Thadden. Das zweite Kapitel beschriebt die Verbrechensbürokratie des Auswärtigen Amtes beim Massenmord an den europäischen Juden. Hinter diesem steht der Mord an dem französischem General Mesny auf der Fahrt vom Offiziersgefangenlager in Königstein nach Colditz zurück, an diesem lässt sich aber beispielhaft aufzeigen, wie Auswärtiges Amt, Wehrmacht und SS bei der Ausführung eines Verbrechens kooperieren. An diesem Mord waren mit Kaltenbrunner (Chef des Reichssicherheitshauptamtes), Himmler (Reichsführer SS), Keitel (Chef des Oberkommandos der Wehrmacht) und Ribbentrop (Aussenminister) höchster Vertreter der Führung des Nationalsozialismus beteiligt. Ähnlich wie bei der Judenvernichtung sollte das Auswärtige Amt den Mord gegenüber dem Ausland absichern. Der Nürnberger US-Ankläger Thomas J. Dodd stellte dazu fest: "Das war Mord mit reiner Weste, Täuschung auf Bestellung, aufgemacht mit allen Formalitäten des Auswärtigen Amtes, schimmernd im eisigen Glanz von Kaltenbrunners SD und Gestapo und unterstützt und gefördert von dem nach aussen hin soliden Gerüst des Berufsheeres." Im letzten Kapitel zeigt Weitkamp an Hand der Nachkriegskarrieren von Wagner und Thadden die verschleppte Strafverfolgung in der jungen und späteren Bundesrepublik auf, die beide für die Beihilfe zur Judenvernichtung in der Bundesrepublik nicht verurteilt wurden.

("Braune Diplomaten", Sebastian Weitkamp, Dietz-Verlag Bonn, ISBN 978-3-8012-4178-0)


"ATTENZIONE" (November 2008 /Ausgabe 35)

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