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Fragwürdige Prioritätensetzung beim Landgericht Dresden.
Ansehen des Bundespräsidenten wichtiger als Opfer rechter Gewalt.

Für diese Woche war der Beginn einer Berufungsverhandlung wegen mehrfacher gefährlicher Körperverletzung gegen vier mutmassliche rechte Gewalttäter geplant. Die Männer waren im August 2009 vom AG Dresden zu Freiheitsstrafen verurteilt worden und hatten dagegen Rechtsmittel eingelegt. Nachdem es zunächst über zwei Jahre zu keiner Terminierung der Berufungsverhandlung kam, erfolgte jetzt wenige Tage vor Verhandlungsbeginn eine kurzfristige Absage. Die Strafkammer sei überlastet. Die von der Kammer angeführten Gründe lassen eine Arbeitsüberlastung jedoch nicht nachvollziehen.

Andrea Hübler, Beraterin für Betroffene rechtsmotivierter Gewalt: "Ein zügiger Verfahrensabschluss ist wichtiger Bestandteil für die Aufarbeitung der Tat. Die Betroffenen rechter Gewalt verlieren ihr Vertrauen in den Rechtsstaat, von dem sie glaubten, dass er zu ihrem Schutz agieren würde. Das Verhalten des Landgerichts Dresden ist aus Perspektive der Opfer unprofessionell und unwürdig."

Gleichzeitig beginnt am morgigen Tag eine Verhandlung wegen "Verunglimpfung des Bundespräsidenten", die vorgeworfene Handlung stammt aus dem Jahr 2010 und das Verfahren kam auf Betreiben des Bundespräsident Wulff selbst zustande.

Andrea Hübler weiter: "Während der Bundespräsident und dessen Ehefrau am Landgericht Dresden scheinbar Vorrang geniessen, warten zahlreiche Betroffene rechter Gewalt weiter darauf, dass sich die Täter vor Gericht verantworten müssen."

Unter den Wartenden sind auch die Geschädigten der Neonazigruppierung "Sturm 34". Die Taten liegen inzwischen über fünf Jahre zurück. Eine Neuverhandlung am Landgericht Dresden wurde notwendig, da dieses die Angeklagten zunächst vom Vorwurf der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" freigesprochen hatte - ein Urteil, das der Bundesgerichtshof bereits im Dezember 2009 aufhob. Seitdem schlummern die Akten bei der Staatsschutzkammer. Auch hier ist die "Überlastung des Gerichts" der offiziell erklärte Grund, weshalb Neonazis, die ganze Landstriche gewaltsam zu "zecken- und ausländerfreien Zonen" machen wollten, nicht verurteilt werden.

Andrea Hübler abschliessend: "Das Verschleppen der Prozesse wird von der Naziszene geradezu als Freibrief verstanden. Die Opfer rechter Gewalt dagegen resignieren und fühlen sich vom Rechtsstaat im Stich gelassen. Die Justiz als dritte Säule des Rechtsstaats ist gefordert, ihrer Funktion zum Demokratieschutz gerecht zu werden."

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