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Niesky: Do the right thing - no round tables
Pressmitteilung der Gruppe Ostsachseninfos

Gegen Runde Tische kann man prinzipiell nicht viel sagen, in einigen Orten sind diese Tische jedoch eine echte Katastrophe. Das Problem lösen heisst, das Problem auf unpolitische Gewalt zu reduzieren, nicht die Normalität der rechten Gewalt zu benennen, sondern quasi Rechtfertigungen für rechte Gewalt zu finden. In Niesky wurde dieser Tisch vor Kurzem einberufen um der "allgemeinen Jugendgewalt", wie es heisst, präventiv zu begegnen.

Schon in Zittau hatte man diese "geisteskranke" Idee einen solch gearteten Tisch ins Leben zu rufen. Daran teilgenommen haben auch die geistigen Brandstifter der Übergriffe, wie der damalige Vorsitzende des NPD-Kreisverbands Löbau/Zittaus Thorsten Hiekisch und der Neonazi-Anwalt Gregor Janik (damals Mitglied im NPD-Bundesvorstand). Nach Aussagen des Sächsischen Verfassungsschutz gab es im Landkreis Löbau/Zittau im Jahr 1999 63 rechtsextremistische Straftaten, jedoch nur 4 linksextremistische. Auslöser dieser Gedankenspiele der Lokalpolitiker waren rechtsextremistische Übergriffe und Randale gegen alternative Veranstaltungen während des Zittauer Stadtfestes 1999.

Die Antworten für die rechte Gewalt hat der damalige Zittauer Bürgermeister Jürgen Kloss (CDU) bereits früh gefunden: "Es gibt immer einen der provoziert und einen der sich provozieren lässt". Wer die Täter, und seien es die geistigen Brandstifter einbindet, macht diese gleichzeitig hoffähig.

Präventiv als Zauberwort

Präventiv heisst in Niesky, den Neonazis die Räume zu überlassen, die sie anderswo schon lange nicht mehr haben. Die Neonazi-Kameradschaft "Schlesische Jungs" verfügt seit Jahren über ein eigenes Haus auf der Nieskyer Herbert-Balzer-Strasse 14, direkt gegenüber dem örtlichen VVN-Mahnmal zum Gedenken der Opfer des Faschismus. Das Haus bekam die Neonazi-Kameradschaft, wie auch damals in Zittau der "Nationale Jugendblock Zittau" (NJB), von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft. Mitverantwortlich für die derzeitige Unterstützung der Neonazi- Kameradschaft sind die Nieskyer Lokalpolitiker, allen voran Nieskys Bürgermeister Wolfgang Rückert (CDU) und dessen Stellvertreter Bernd Funke.

Wie auch jahrelang in Zittau praktiziert (siehe terminal), klammern sich die Neonazihausbefürworter an den Satz: "Auf diese Weise wissen wir, wo sie sind, und wer dort ein und aus geht." (Zitat: Rückert) und stören sich gleichzeitig an der negativen Medienberichterstattung. Doch gerade die Situation in Zittau sollte die politisch Verantwortlichen eines besseren belehren. Seitdem der NJB über kein eigenes Haus mehr verfügt, hat sich die Situation in der Stadt Zittau entspannt.

Lose Gruppierung

Rückert ist ein Verfechter der Links-Rechts-Gleichstellung und der aktiven Verharmlosung der Nieskyer Neonazis. Nach seiner Ansicht stellen die "Schlesischen Jungs" eine "lose Gruppierung" dar.

Beispiele aus dem letzen Jahr dürften jedoch das Gegenteil beweisen. Der Nieskyer Neonazikader Enrico Kehring meldete 2002 zwei Neonaziaufmärsche an; einen in Löbau und einen anderen in Hoyerswerda. Zum einen im Rahmen der Wahlkampfunterstützung für die NPD und zum anderen für die sog. "Lausitzer Arbeitsloseninitiative", einem Zusammenschluss von Neonazigruppierungen aus Berlin, Brandenburg und Sachsen. Beide wurden allerdings kurzfristig abgesagt. Trotzdem kann man hier nicht von einer "losen Gruppierung" sprechen, sondern vielmehr von einer stark, sogar überregional gut vernetzten Gruppe von Neonazis. Nieskyer Neonazis nahmen mehrmals an regionalen und überregionalen Neonaziaufmärschen teil.

Nicht allzu weit weg

In Kamenz hat man auf rechte Gewalt nicht mit "allgemeinen" Tischen reagiert. Man hat sich relativ schnell Gedanken zur Prävention rechter Gewalt und rechten Gedankenguts gemacht, nachdem dort mehrere Migranten von Kamenzer Neonazis angegriffen wurden. Die Täter wurden auch aufgrund des öffentlichen Drucks und des medialen Interesses schnell von der Polizei gefasst. Um in Niesky ähnliches zu erleben, müsste man schon den Bürgermeister "Präventiverweise" auswechseln.

Auch in Niesky gab es im Sommer 2002 mehrere brutale Übergriffe auf nichtrechte Jugendliche. Der alternative Jugendclub "Stern" wurde mehrmals von der Neonazikameradschaft angegriffen und beschädigt. Betroffene berichten von regelrechten Hetzjagden. Gleichzeitig fühlen sich die Betroffenen Jugendlichen von den Verantwortlichen vor den Kopf gestossen. Grund dafür ist das Ergebnis einer Gesprächsrunde, die von Jugendlichen am 25.09.2002 aufgrund mehrerer rechter Übergriffe in Niesky, organisiert wurde. Bürgermeister Rückert, der Leiter des Polizeireviers Niesky Meinhard Lehmann und der Ordnungsamtchef Bothe wollten sich nicht mit den Jugendlichen solidarisieren, obwohl diese den politisch Verantwortlichen die Situation schilderten.

Als dann die Nieskyer Lokalausgabe der "Sächsische Zeitung" (SZ) einen sehr gelungenen und kritischen Artikel mit der Überschrift "Heile Welt oder brauner Sumpf?" (11.10.02) veröffentlichte, liess sich das Thema für Rückert und Co. nicht mehr gänzlich totschweigen. Rückert wollte sich lange Zeit nicht zu dem Thema äussern, sein Stellvertreter Funke tat dies jedoch bereits am Folgetag der SZ-Veröffentlichung. Bei einem Treffen der lokalen "Schlesier"-Vereinigung sagte er: "...wenn Jugendliche mit unterschiedlicher Ausrichtung aufeinandertreffen und Alkohol im Spiel ist, kann es schon mal zu Rangeleien kommen".

Rückert konterte einige Zeit später mit Seitenhieben gegen die SZ und damit gegen die Pressefreiheit. Er bezeichnete den Artikel vom Oktober 2002 als "Pressefeldzug". Der ehemalige Amtskollege aus Zittau (Jürgen Kloss) sprach stets von: "Die Presse lügt". Wie sich die Argumentationen doch gleichen.

Die Lösung ist so einfach

Den Neonazis die Räume nehmen: Erfahrungen aus Zittau und Dresden (siehe terminal) haben gezeigt, dass durch eigene Häuser, der Organisierungsgrad der rechtsextremistischen Szene intensiviert wird und ein Anlaufpunkt für Neonazis von Ausserhalb sowie andere Jugendlichen entsteht. Wie bekannt wurde, wird der Nieskyer "Runde Tisch Jugend und Gewalt" nichtöffentlich stattfinden, das steht wiederum entgegengesetzt zum Problem der Gewalt, vor allem der rechten Gewalt. Rechtsextremismus ist kein Jugendphänomen, auch nicht aufgrund zweistelliger Arbeitslosenquote oder anderer struktureller Nachteile.

Wenn die Bekämpfung des Rechtsextremismus auf reine Verwaltungsakte, wie Verbote von Aufmärschen und Repression durch Justiz und Staatsschutz beschränkt wird, ist das keine Bekämpfung. Dazu gehört eine gesellschaftliche Auseinandersetzung, die nicht an nichtöffentlichen Tischen ausgetragen werden kann.

Solange das Problem des Rechtsextremismus immer wieder verharmlost wird und auf eine mögliche Linke Szene verwiesen wird, sucht man ganz gezielt Erklärungen für rechte Gewalt. Anders kann man sich nicht die Zitate der Verantwortungsträger erklären: "Ich bin auch der Meinung, dass sich unser Augenmerk nicht allein auf die rechte Szene konzentrieren sollte." (Rückert) oder "In Niesky gibt es mit den Schlesischen Jungs nicht mehr Probleme als mit den selbsternannten Linken" (Funke). Rückert und Co. geht es augenscheinlich nur um den Ruf, das Image der schönsauberen touristischen Stadt mit freundlichen Menschen, die nicht als Hort Rechtsradikaler gelten darf.

Am Mittwoch letzter Woche wurde ein Mitglied der "Schlesischen Jungs" vom Amtsgericht Weisswasser zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten auf Bewährung verurteilt. Er hatte im Sommer 2002 zusammen mit anderen Neonazis Linke Jugendliche mit einer Schusswaffe bedroht, rechte Parolen gegrölt und Jugendliche tätlich angegriffen. Nach Aussagen des Beratungsprojekts für Betroffene rechter Gewalt "Amal Sachsen" kommt es regelmässig zu rechten Übergriffen in Niesky und Umgebung. Laut dem Sächsischen Verfassungsschutz sind Mitglieder der "Schlesischen Jungs" wegen Landfriedensbruchs sowie Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen registriert. Weiterhin: "Die Gruppe Schlesische Jungs fördert somit den Zusammenhalt rechtsextremistisch orientierter Jugendlicher und führt Jugendliche an rechtsextremistisches Gedankengut heran."

»Nicht die, die den Faschismus bekämpfen sind die Verbrecher, sondern die, die ihn unwidersprochen hinnehmen.«


Gruppe Ostsachseninfos, März 2003
[Görlitzer Infogruppe]
* Quellenangaben auf Anfrage

http://www.ostsachseninfos.tk

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