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Keine Videoüberwachung in der Dresdner Neustadt!
Redebeitrag von spot_off zum Demofest gegen Videoüberwachung
Im Jahr 2001 tauchten erstmalig Pläne des damaligen Innenminister Hardrath und der Immobilien-besitzervereinigung Haus & Grund auf, die Alaunstrasse in der Neustadt wegen so genannter Graffiti"schmierereien" mittels Videokameras überwachen zu lassen. Erklärtes Ziel des Haus & Grund e.V. war es, die Neustadt nicht zum: (Zitat) "Tummelplatz für Ausgeflippte und Aussteiger verkommen zu lassen". Ende letzten Jahres wurden erneut Forderungen nach Videoüberwachung laut um den gelegentlich auftretenden Auseinandersetzungen zwischen gelangweilten Jugendlichen und Polizei insbesondere vor der Scheune zu begegnen. Jetzt versucht der sächsische Innenminister Buttolo mit Unterstützung von Haus und Grund eine flächendeckende Videoüberwachung in der Neustadt zu installieren. Anders als 2001 ist die Gefahr der Umsetzung höher, zumal bereits die Installation einer Kamera direkt hier an der Kreuzung Alaunstrasse / Louisenstrasse stattgefunden hat. Warum Videoüberwachung?Videoüberwachung bedeutet: die Kontrolle des Verhaltens ALLER an einem Ort befindlichen Menschen. Gewisse Verhaltensweisen sollen von vornherein verhindert werden. Videoüber-wachung verletzt im Prinzip immer die Privatheit von Menschen, ohne dass sie in irgendwelche kriminellen Handlungen verwickelt wären. Die angestrebte Massnahme stellt alle BewohnerInnen unter Generalverdacht. Das eigentliche Ziel, die Verhinderung von Randale, soll hierbei mit rein repressiven Mitteln erreicht werden. Videoüberwachung führt zu Ausgrenzung. Nach rassistischen und vor allem kommerziellen Motiven werden alle Menschen, welche sich nicht einem gängigen Raster unterwerfen lassen, abgedrängt. Und hier zeigt sich, dass die Tragweite des Themas nicht allein auf staatliche und allein auf das Thema Videoüberwachung reduzierbar ist. Videoüberwachung ist nur ein Teil der Verdrängungsstrategien nicht gewünschter Personen. Verdachtsunabhängige Kontrollen gegenüber MigrantInnen, Alkoholverbote, Platzverweise und eine verstärkte Polizeipräsenz sind andere Formen der staatlichen Verdrängungspolitik. Eine subtilere Möglichkeit der Verdrängung stellt die Veränderung des öffentlichen Raumes dar. Die Umgestaltung hin zu cleanen Orten, die Bebauung vormals genutzter sozialer Treffpunkte, wie z.B. die gesamte Eckbebauung der Louisen/Alaunstr., die Ampelanlage eine Ecke weiter und das geplante Parkhaus auf der Kamenzer Str. sind einige Beispiele. Wovor hast du Angst?Unsicherheiten werden häufig nicht an den eigenen sozialen und ökonomischen Lebens-bedingungen festgemacht, sondern an sogenannten"Verwahrlosungserscheinungen" und "Unordnung" im öffentlichen Raum. Graffitis, Müll, laute Jugendliche, Kleinkriminalität werden als Bedrohung empfunden und dienen als Projektionsfläche für gesellschaftlich produzierte Unsicherheiten. Das Gefühl von Unsicherheit wird dabei oftmals mit Menschen in Zusammenhang gebracht, die in irgendeiner Art und Weise von der Norm abweichen. Herangezogen werden dann tätliche Auseinandersetzungen von Jugendlichen vor der Scheune. Aufgrund der Schliessung verschiedener Jugendclubs in anderen Stadtvierteln bieten ausschliesslich die Strassen der Neustadt eine adäquate Freizeit- und Abendbeschäftigung für Jugendliche. Selbst mitgebrachte oder aus den Spätshops georderte Alkoholika heizen die Stimmung am Wochenende auf den Strassen der Neustadt an. Die Antwort auf diese Tendenz sollen nun Videoüberwachung und andere respressive Massnahmen sein. Vom maroden Sozial- und Kulturangebot spricht dagegen kein Mensch. Ohne die Auseinandersetzungen verharmlosen zu wollen, muss dennoch festgestellt werden, dass eine absolute Dramatisierung der Situation stattfindet. Hier werden jugendliche Wochenend-aktivitäten als Vorwand für eine flächendeckende Neustadt-Videoüberwachung vorgeschoben. Subjektives Sicherheitsempfinden dient als Masstab für Sicherheitspolitik. Trotz eines steten Rückgangs von Straftaten wird die Ausweitung von Kontroll- und Sicherheitstechnologien vorangetrieben. Die Rede von Sicherheit verkommt zu einer ordnungspolitischen Debatte, ihre sozio-ökonomischen Hintergründe werden allzu gern geleugnet. Nicht Einschluss, sondern Ausschluss unliebsamer Menschen ist das Resultat, dies führt zu fehlender Teilhabe an Kulturellem, Politischem und Sozialem. Wer ist betroffen?Videoüberwachung orientiert sich an einer vordefinierten Norm. Aus dem Raster fallen alle, die ihrem sozialen Status, ihrer Tätigkeit, ihrer körperlichen Merkmale, wie beispielsweise der Hautfarbe wegen nicht dieser Norm entsprechen. Ein Viertel wie die Neustadt stellt im Vergleich zu anderen Stadtvierteln in Dresden einen der wenigen Orte dar, der Möglichkeiten für Marginalisierte eröffnet. Kulturelles und politisches Engagement von MigrantInnen, Homosexuellen, subkulturellen AktivistInnen, sozial Benachteiligten, Obdachlosen und Anderen werden perspektivisch durch Videoüberwachung erschwert und womöglich verdrängt. Insbesondere MigrantInnen, die sowieso schon häufig Ziel polizeilicher, rassistischer Kontrollen sind, werden vermutlich noch öfter ins Visier der staatlichen Kontrolle geraten. Eine Kriminalisierung vermeintlich Nicht-Deutscher ist die logische Konsequenz. Repressiv überwachungsstaatliche Praxis und die Privatisierung öffentlicher Räume wird nicht nur jegliche subkulturelle Praxis, alternative Lebensformen und politische Betätigung verhindern, sondern früher oder später ein selbstbestimmtes Leben unmöglich machen. Also übt euch heute in der Abweichung und geniesst sie solange sie noch möglich ist... Und deshalb unsere Forderungen nach:
spot_off - initiative gegen videoüberwachung |
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