/terminal
dresden
  alternativer veranstaltungskalender / blatt für unterbliebene nachrichten
kalender adressen texte links kontakt&infos

Es wird weiter gesägt: an der Ehrendoktorwürde Beisheims!

Um den Ehrendoktor der TU Dresden Otto Beisheim ist seit mehreren Monaten eine Auseinandersetzung zwischen der Antifa-Hochschulgruppe und der Leitung der Fakultät Wirtschaftswissenschaften im Gange. Hintergrund dieser ist die NS-Vergangenheit Beisheims. Aufgrund dieser wird die Umbenennung des nach Beisheim benannten Festsaals der Fakultät und die Aberkennung seiner Ehrendoktorwürde gefordert.

Kann denn Jugend Sünde sein?

Der 1924 in der Nähe von Essen geborene Otto Beisheim trat bereits im zarten Alter von 17 Jahren der Leibstandarte Adolf Hitler" bei. "Dienststellen des Bundes [bestätigen], dass Otto Beisheim Angehöriger der Waffen-SS war. Laut der 'Deutschen Dienststelle zur Benachrichtigung der nächsten Angehörigen' in Berlin wurde er zumindest in den letzten drei Kriegsjahren unter der Kennungsmarke '976 3./A.E.R' geführt. Dienst geleistet hat er - so sagen es auch zwei Dokumente des Bundesarchivs - unter anderem im SS-Artillerieregiment, das Teil der so genannten '1. SS-Panzerdivision Leibstandarte SS Adolf Hitler' war." [1] Nach eigenen Angaben wurde Beisheim zu diesem Dienst zwangsrekrutiert, was Beisheim dabei allerdings verschweigt, ist, dass es nach dem ersten Monat der SS-Ausbildung die Möglichkeit gab, einen Antrag auf freiwillige Entlassung aus dem SS-Dienst zu stellen. [2]

Diese Möglichkeit nahm Beisheim offensichtlich nicht wahr. Die "Leibstandarte" war eine direkt auf Adolf Hitler eingeschworene Einheit, die diesem anfangs als persönliche Leibgarde dienen sollte. Im Verlauf des 2. Weltkriegs wurde sie zu einer SS-Panzerdivision umfunktioniert, welche durch "ihre innere Disziplin, ihr frisches Draufgängertum, ihre fröhliche Unternehmenslust, ihre durch nichts zu erschütternde Krisenfestigkeit [...] vorbildlich und durch nichts zu übertreffen" war. [3]

Sie war somit eine Eliteeinheit, die wiederholt bei Offensiven der deutschen Armee als "Stosskeil" diente. Neben vielen anderen Kriegsverbrechen sind unter anderem bei einer Vergeltungsaktion derLeibstandarte im April 1942 mehr als 4000 russische Menschen hingerichtet worden. Im September 1943 war Beisheims Division an einer Massenexekution und der lückenlosen Zerstörung der italienischen Stadt Boves aktiv beteiligt. Bei der Ardennen-Gegenoffensive 1944 wurden durch die Leibstandarte mindestens 71 verhaftete amerikanische Soldaten hingerichtet. [2]

Bis zum heutigen Tage hat Otto Beisheim weder zu der Rolle, die er in der Leibstandarte und somit im NS inne hatte, Auskünfte gegeben noch die Notwendigkeit gesehen, sich dafür zu entschuldigen. Nach einer Ausbildung zum Grosshandelskaufmann gründete Beisheim 1964 die "Metro Cash & Carry"-Gruppe, die als heutige Metro-AG mit zahlreichen Sparten wie Kaufhof Galeria, Media Markt/Saturn, Real, Extra und Praktiker einer der grössten Einzelhandelskonzerne Europas ist. In Vallendar wurde eine ganze Universität nach ihrem Stifter Otto Beisheim benannt und am Potsdamer Platz in Berlin verewigte er sich durch den Bau eines gigantischen Hochhauskomplexes namens "Otto Beisheim - Center".

Eine unendliche Geschichte

Bereits seit den frühen 90ern gilt Beisheim als einer der grosszügigsten Spender der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der TU Dresden. Dies führte dazu, dass der Festsaal der Fakultät seinen Namen trägt und ihm 1993 sogar die Ehrendoktorwürde der TU Dresden verliehen wurde.

Im Juli 2005 sorgte ein Antrag der Antifa-Hochschulgruppe gemeinsam mit dem Fachschaftsrat Wirtschaftswissenschaften für Wirbel an der TU und führte dazu, dass das Schild am Festsaal der Fakultät vorübergehend entfernt wurde. Das begründete die Fakultätsleitung allerdings nicht mit der Vergangenheit Otto Beisheims, vielmehr sei die Benennung nach Beisheim lediglich ein formeller Verfahrensfehler, da Säle an der Tu nicht die Namen lebender Personen tragen sollen. Kurze Zeit später hing das Schild mit dem Namen Beisheims jedoch wieder am Saal, ohne irgendeine Erklärung von offizieller Seite dazu. Es kann nur gemutmasst werden, dass das Schild auf Grund einer Intervention der "Otto Beisheim Stiftung", die an der TU Dresden durch Herrn Prof. Müller (Lehrstuhlinhaber Marketing) vertreten wird, in einer Nacht- und Nebel- Aktion wieder anmontiert wurde. Die Forderungen der Antifa Hochschulgruppe wurden anschliessend durch offene Briefe und Pressemitteilungen gegenüber der Fakultät und dem Rektorat nochmals bekräftigt: Umbenneung des Festsaals und die Aberkennung der Ehrendoktorwürde Beisheims. Die Antworten lassen bis heute auf sich warten.

Im Vorfeld des alljährlich stattfindenden "Otto Beisheim Kolloquiums" an der TU wurde auf Grund des Protestes der Hochschulgruppe Gesprächsbereitschaft von VertreterInnen der "Beisheim - Stiftung" signalisiert. Im Nachhinein wird klar dass dieses Gesprächsangebot nur aus taktischen Erwägungen heraus vorgetäuscht wurde, um einen störungsfreien Ablauf des Kolloquiums sicherzustellen. Kaum war das Kolloquium vorbei kehrte die Fakultät Wirtschaftswissenschaften zu ihrem bekannten Verhalten, dem Totschweigen der Angelegenheit zurück. Konstatiert werden kann, dass es bisher kein ehrliches Entgegenkommen der TU Dresden gibt. Nach wie vor trägt ein offizieller Festsaal der Universität den Namen eines NS- Täters, nach wie vor hat ein Mitglied der "Leibstandarte Adolf Hitler" die Ehrendoktorwürde der TU Dresden. Diese Praxis des Aussitzens zielt augenscheinlich darauf ab, Beisheim in seiner Funktion als grosszügigen Spender der TU nicht zu verärgern.

Die Angst an der TU ist durchaus begründet: so zog Otto Beisheim beispielsweise vor wenigen Wochen ein Spende in Höhe von 10 Millionen Euro an ein bayrisches Gymnasium am Tegernsee zurück, weil sich unter LehrerInnen und SchülerInnen Protest gegen eine Umbenennung in "Otto Beisheim - Gymnasium" regte. Die Diskussionen um Beisheims Vergangenheit sind nichts wirklich neues: 1995 verhinderten StudentInnenproteste in Mannheim, dass er an der der dortigen Universität Ehrensenator werden konnte. An der TU Dresden interessiert man sich für solche Auseinandersetzungen vermutlich nicht.

Deutsche TäterInnen sind keine Opfer!

Otto Beisheim ist kein Einzelfall, sondern Teil des deutschen Geschichtsbewältigungsmusters: die Entnazifizierung versickerte sobald sich die politische und ökonomische Demokratie- Normalität wieder einstellte. Geht es nach der unerträglichen herrschenden Geschichtsauffassung, gab es im NS nur wenige EinzeltäterInnen und ihr Opfer, die deutsche Zivilbevölkerung. In diesem Diskurs besteht der NS nur aus ersteren, deren Verantwortlichkeit ist demnach erkennbar an der Zahl der Sterne auf den Schulterklappen und an der Büroetage im Ministerium oder der Behörde. Letztere, die Bevölkerung, heisst daraufhin in den Berichten nur Zivilbevölkerung und alles was sie zu erzählen hat, sind Geschichten von Angst, Bombardierung, Besatzung und Leid.

Beisheim ist kein Opfer, er ist Täter! Die Forderungen der Antifa Hochschulgruppe stehen nach wie vor im Raum: Die Ehrendoktorwürde der TU Dresden ist Otto Beisheim abzuerkennen! Der Festsaal der Fakultät Wirtschaftswissenschaften muss umbenannt werden! Dem geht voraus, dass die TU Dresden endlich nachholt, was sie so gerne beiseite schiebt: die generelle Auseinandersetzung mit dem NS!

[1] Max Hägler: "Beisheim darf Schulnamen doch kaufen", taz Nr. 7821 vom 16. 11. 2005

[2] George H. Stein: "The Waffen SS - Hitler's Elite Guard at War 1939-1945" (deutsche Übersetzung: "Die Geschichte der Waffen-SS"); Cornell University Press; Ithaca, New York; 1966

[3] Danksagung des Befehlshabers des III. Panzerkorps, General Eberhard von Mackensen in einem unerbetenen Brief an Reichsführer-SS Himmler betreffend die "Leibstandarte Adolf Hitler", zitiert nach [2]


Antifa Hochschulgruppe Dresden Antifa-Hochschulgruppe

index kalender adressen texte links kontakt&infos

contact: terminal@free.depgp-keykey fingerprint: C9A4 F811 C250 3148 9FAB 6A1B 9743 6772 90D1 C385