|
alternativer veranstaltungskalender / blatt für unterbliebene nachrichten | |||||
|
Mitbewohner gesucht: Flüchtlinge willkommen
Günter Grass ist für Zwangseinquartierungen von Flüchtlingen. Das muss nicht sein: Seit einer guten Woche ist eine neue Plattform online, die freie Zimmer an Flüchtlinge vermittelt. Mehr als 100 Menschen haben schon eingetragen, dass sie Platz haben. Und es werden täglich mehr. Die Karte bekommt immer mehr Punkte. Konstanz hat einen, Kiel auch, und Berlin natürlich. Alles Orte, in denen Menschen in ihrer Wohnung einen Flüchtling aufnehmen würden. Mehr als 100 haben sich auf dem neuem Webportal www.fluechtlinge-willkommen.de gemeldet. Fast 4.000 Menschen haben mittlerweile bei Facebook "gefällt mir" geklickt, täglich erreichen die drei Initiatoren an die 50 Mails mit Anfragen. Nicht nur aus Deutschland, auch aus Österreich und Holland. Und das alles innerhalb einer guten Woche. "Damit haben wir nicht gerechnet. Das freut uns natürlich total", sagt Jan Kakoschke, der zusammen mit Mareike Geiling und Golde Ebding das Projekt ins Leben gerufen hat. Die drei Berliner treffen offenbar einen Nerv. "Das ist in den ganzen Mails zu spüren: Die Leute wollen für Flüchtlinge etwas tun", sagt Mareike Geiling. "Es gibt viel mehr Möglichkeiten, als wir dachten" Über die Webseite wollen sie die Menschen zusammenbringen: Die, die ein freies Zimmer anbieten können, mit denjenigen, die sich vor Ort um Flüchtlinge kümmern. Also die Flüchtlingshilfe, die Diakonie und so weiter. "Es geht nicht darum, dass wir sagen: Du Ahmed passt super zur WG in Buxtehude. Sondern wenn sich zum Beispiel eine WG aus Buxtehude anmeldet, dann würden wir uns mit Organisationen vor Ort in Verbindung setzen. Die wiederum kennen ja die Leute und können einen Flüchtling vermitteln", sagt Geiling. Wenn die Unterkunftskosten nicht von dem jeweiligen Bundesland übernommen werden, ist Unterstützung bei der Suche nach einer Finanzierung, zum Beispiel durch Mikrospenden, möglich. Noch gibt es eine solche Wohngemeinschaft nicht. "Das braucht noch ein bisschen Zeit. Die neuen Mitbewohner müssen sich ja erst richtig kennenlernen. Qualität ist wichtiger als Quantität", sagt Golde Ebding. Vieles ist noch im Fluss: Mittlerweile geht es auch nicht nur um Wohngemeinschaften in Grosstädten. "Das war die Zielgruppe, die wir im Kopf hatten", sagt Kakoschke. Dann meldeten sich aber auch ältere Ehepaare auf dem Land, die Platz im Haus haben, seitdem die Kinder ausgezogen sind. "Es gibt viel mehr Möglichkeiten, als wir dachten." Und es meldeten sich Leute, die zwar momentan kein Zimmer frei haben, die Wohngemeinschaften aber gerne betreuen würden, wenn es Probleme gibt. Alles begann mit einem Stipendium und einem freien Zimmer Und die kann es geben. Natürlich. Was ist, wenn es nicht klappt oder der neue Mitbewohner nervt, wie Mitbewohner nun einmal nerven können? Muss der Flüchtling dann wieder zurück in die Sammelunterkunft? Die Fragen hat sich Jonas Kakoschke auch schon gestellt. Er wird vermutlich der Erste sein, der einen Flüchtling aufnimmt: Ab Dezember wird er das Zimmer seiner Freundin Mareike Geiling vergeben. Einen Zwischenmieter hätte er sowieso gebraucht. Also wo ist der Unterschied? "Wenn ich über ein Internetportal einen 'normalen' WG-Partner suchen würde, müsste ich mich auch auf einen Fremden einstellen." Die Idee zu dem Webportal entstand durch dieses Zimmer, weil Mareike Geiling ein Jahr an der Universität in Kairo unterrichtet. Und dann war da noch der Aufruf des Flüchtlingsrates, der privaten Wohnraum für Flüchtlinge suchte, weil es in Berlin wie überall zurzeit in den Sammelunterkünften zu eng wird. Und da war das latente Gefühl, etwas tun zu wollen. Geiling und Kakoschke schickten eine Mail an ihre Familie und Freunde, um durch Spenden die Miete für einen Flüchtling zu finanzieren. Innerhalb von zwei Wochen war das Geld zusammen - von 30 Leuten, die mit Spenden zwischen drei und 50 Euro pro Monat die Miete finanzieren wollten. "Wir waren beide überrascht, wie schnell und wie einfach das ging", sagt Kakoschke. Und ihnen wurde klar: Da geht noch mehr. Auf der Suche nach der Willkommenskultur Dass man dabei auch "auf die Schnauze fallen kann", wie Kakoschke es sagt, das kann passieren. Flüchtlinge, die einziehen, leben in einer angespannten Situation, der Aufenthaltsstatus ist oft nicht geklärt, es gibt Sprachbarrieren, manchmal sind sie durch die Erlebnisse zu Hause und auf der Flucht traumatisiert. Aber deswegen es lassen? "Wir haben nach Reisen immer gemerkt, dass uns die Willkommenskultur in Deutschland viel zu gering ist", sagt Mareike Geiling. Gerade im arabischen Raum erlebte sie das anders: "Nicht: Du kannst zum Essen vorbeikommen und ich schau mal, was ich noch habe. Sondern: Ich werde das Beste auftischen, was mir möglich ist." Und diese Willkommenskultur könne man nicht auf Organisationen abschieben. Für die sei jeder verantwortlich. von Kristina Hofmann |
|
|