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Eine Region wird zum Versuchskaninchen!
Ballung riskanter Genversuche am AgroBiotechnikum in Gross Lüsewitz

Wird der östliche Landkreis Doberan zur Versuchszone für genmanipulierte Pflanzen? Der Eindruck entsteht, weil es 2009 zu einer Ballung etlicher teurer gentechnischer Experimente auf wenigen Quadratkilometern in der Obhut des staatlich getragenen AgroBiotechnikums kommen soll. Das jedenfalls wollen die Betreiber von mehreren Versuchsfeldern mit Weizen, Gerste, Kartoffeln und Petunien. Sie sitzen vor allem in Universitäten, während EinwohnerInnen, Tiere und Pflanzen der ganzen Region ungefragt zu lebenden Versuchskaninchen werden. Zur Zeit laufen mehrere Antragsverfahren - und Protest kündigt sich an.

Die Zusammenballung der Versuche am Agrobiotechnikum hat mehrere Gründe. Zum einen bietet das Biotechnik-Gründerzentrum eine gut ausgebaute, aber nicht ausgelastete Infrastruktur für gentechnische Experimente. Zudem wirbt die Führungsspitze um die Rostocker Universitätsprofessorin Inge Broer um solche Versuche. Bedeutender aber dürfte ein weiterer Grund sein: Die Gentechnik in Deutschland steht erheblich unter Druck. Eine überwältigende Mehrheit der Menschen lehnt manipulierte Nahrungsmittel ab. Die Propaganda aus Politik und Wirtschaft verpuffte bislang wirkungslos. Ganz im Gegenteil: 2008 gewannen GentechnikgegnerInnen immer stärker die Überhand. Im Frühjahr besetzten sie sieben Felder. Für vier Felder bedeutete die Aktion das Aus. Drei wurden zwar gewaltsam geräumt, aber die Freude der Betreiber währte nicht lang. Denn zwei Versuchsanlagen wurden wenige Wochen nach der Aussaat beschädigt - so wie etliche weitere Felder überall im Land. Lobbyverbände und gentechnikfreundliche Parteien und Medien befürchteten schon das Aus des Forschungsstandortes Deutschland, obwohl Überwachungs- und Genehmigungsbehörden auf Bundes- und EU-Ebene einseitig mit konzernnahen Personen durchsetzt sind und der Staat die ungeliebte Gentechnik mit Steuermillionen aufzupeppeln versucht. Nun ist es wieder der Staat, Steuergelder und die für Verbraucherschutz zuständige Behörde BVL, die für 2009 den Weg für die Gentechnik freizuräumen versuchen. Dafür planen sie die Zusammenlegung teuer Forschungsfelder in staatlicher Sicherung auf zwei Standorten. Neben dem riesigen Gelände der ehemaligen Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig wurde das neuerdings in Obhut der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern betriebene AgroBiotechnikum in Gross Lüsewitz ausgewählt. Offenbar hegen die Verantwortlichen die Hoffnung, dort auf weniger Protest zu stossen oder die Flächen besser sichern zu können.

***** Gross Lüsewitz als High-Gentech-Standort *****

Einer der Versuche, die nun nach Gross Lüsewitz verlegt worden sind, ist ein seit Jahren umkämpftes Feld mit transgener Gerste der Universität Giessen. Dieser Versuch sollte bereits 2006 bis 2008 stattfinden - auf eigenen Flächen der Uni im Stadtgebiet Giessen. Doch daraus wurde nichts: Zweimal zerstörten AktivistInnen die Anlage, im dritten Jahr wurde die Fläche vor der Aussaat besetzt. Die Uni gab den Versuch auf und versucht nun eine Wiederholung im fernen Nordosten der Republik.

***** Giessener FeldbesetzerInnen wollen örtlichen Widerstand unterstützen *****

Ob der Plan der Uni Giessen aufgeht, ist fraglich. Denn der Protest will mit umziehen: "Pollen und Saatgut kennen keine Grenzen - daher gilt für uns nicht: Aus den Augen, aus dem Sinn!" kündigte die an der letztjährigen Feldbesetzung beteiligte Johanna an. Ihr Mitstreiter Jörg, der ebenfalls im vergangenen Jahr dabeiwar, begründete seine Ablehnung des Experiments: "In beiden Versuchsjahren kam es in Giessen zu dem, was als grösste Panne der Gentechnik anzusehen ist: Die transgene Gerste stand ungesichert längere Zeit im Freien herum". Niemand wird jemals nachweisen können, welche Folgen diese Ereignisse hatten, die durch Nichtbeachtung der Sicherheitsbestimmungen entstanden und bis heute verschwiegen wurden. Um so wichtiger findet er nun, eine Wiederholung des aus seiner Sicht überflüssigen Versuchs zu verhindern. Darum haben die GentechnikgegnerInnen alle Unterlagen ins Internet gesetzt und Argumente gegen das Feld zusammengestellt (erreichbar über www.aggrobiotechnikum.de). Es gibt Unterschriftenlisten, mit denen der Protest auch auf sehr einfache Art ausgedrückt werden kann. Seit dem 14. Januar liegen in Brodersdorf, nahe am Versuchsstandort, und in der Genehmigungsbehörde BVL in Berlin die Antragsunterlagen der Universität Giessen aus. Bis zum 13. März können alle BürgerInnen von Nah und Fern Einwendungen gegen das Experiment mit der Gerste erheben.

***** Informationsveranstaltungen zum Gengerstenfeld in Sanitz und Rostock *****

Giessener GentechnikgegnerInnen wollen die Betroffenen vor Ort mit näheren Einblicken in die Hintergründe des Gengerstenversuchs unterstützen. Sie haben Pannen und Vertuschungen aus drei Jahren Versuch in Giessen zusammengetragen und werden diese am Mittwoch, 18. Februar um 19 Uhr in Rostock (Ort: Sobi im ehem. Haus der deutsch-sowjetischen Freundschaft in der Doberanerstr. 22) und am Donnerstag, 19. Februar um 19 Uhr in Sanitz (Dorfgemeinschaftshaus Hof Sanitz 1) präsentieren. Dort gibt es zudem Infos zu den Zielen und Methoden der Genforschung am AgroBiotechnikum. Anschliessend besteht Gelegenheit, über die Genversuche und Protestaktionen zu sprechen. "Wir hoffen, dass viele Menschen Einwendungen schreiben und sich Betroffene finden, die gegen den Versuch klagen", wünscht Hauke - auch ein Feldbesetzer des letzten Jahres. "Gentechnik ist überall gefährlich - wir wollen auch in Gross Lüsewitz kein Gerstenfeld und freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit mit den Betroffenen desselben Feldes, gegen das wir uns drei Jahre gewehrt haben."

Mehr Informationen:

* Zum Filz rund um den neuen Gengerstenstandort, das
AgroBiotechnikum, die dortigen Tarnvereine und Firmen (FINAB,
biovativ) und die zentralen Personen Prof. Inge Broer und Kerstin
Schmidt siehe unter
www.umweltinstitut.org/gentechnik/allgemeines-gentechnik/genfilz_mp-610.html)
* Kritik an und Aktionen gegen Gentechnik in Hessen, u.a. das
Gerstenfeld von 2006 bis 2008 in Giessen: www.gendreck-giessen.de.vu
* Selbstdarstellung des AgroBiotechnikums: www.agrobiotechnikum.de
* Kritik am AgroBiotechnikum: www.aggrobiotechnikum.de.vu
* Widerstand gegen Gentechnik: www.gentech-weg.de.vu


Projektwerkstatt Saasen

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