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Prozess gegen Totalen Kriegsdienstverweigerer am Amtsgericht Zittau
Dresden, den 06.12.2007. Am kommenden Mittwoch, dem 12.12.2007 findet um 13:00 Uhr am Amtsgericht Zittau (Saal 201, Lessingstrasse 1) die Hauptverhandlung gegen den Totalen Kriegsdienstverweigerer Andreas Reuter wegen Dienstflucht statt. Der 24-jährige Antimilitarist lehnt die Ableistung sowohl des Wehr- als auch des Zivildienstes wegen dessen militärischer Verplanung im Rahmen des Konzeptes der sog. "Gesamtverteidigung" ab. Zivildienst ist nach dem Wehrpflichtgesetz ebenso wie der Wehrdienst bei der Bundeswehr Erfüllung der Allgemeinen Wehrpflicht und trägt so massgeblich zur Aufrechterhaltung der Zwangsrekrutierung bei. Zudem können Zivildienstleistende gem. § 79 Zivildienstgesetz im Verteidigungsfall zu unbefristetem Zivildienst herangezogen werden, wobei sie dann u.a. dazu eingesetzt werden sollen, "die Staats- und Regierungsfunktion zu erhalten, die Zivilbevölkerung und die Streitkräfte zu versorgen (und) die Streitkräfte mit zivilen Gütern und Leistungen unmittelbar zu unterstützen" (Weissbuch des Bundesverteidigungsministeriums 1994, Abs. 695, S. 133). Der Zivildienst ist somit nicht etwa "zivile Alternative" zum Wehrdienst, sondern ebenso Kriegsdienst - lediglich ohne Waffe. Darüberhinaus lehnt der Totalverweigerer den Zivildienst ab, weil sich dieser bei näherer Betrachtung als alles andere als ein sozialer Dienst herausstellt: durch den massenhaften Einsatz von Zivildienstleistenden bewirkt er den Abbau regulärer Arbeitsstellen und befördert damit geradezu die prekäre Lage in Pflegeberufen, der er angeblich entgegenzuwirken vorgibt. Reuter wurde nach seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerung zum 04.07.05 zur Ableistung des Zivildienstes nach Weisswasser einberufen, war dort aber nicht erschienen. Das Bundesamt für den Zivildienst (BAZ) erstattete Strafanzeige gegen ihn, im April letzten Jahres erhielt er die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zittau. Vorgeworfen wird ihm, sich der Dienstflucht schuldig gemacht zu haben. Nun soll am Amtsgericht Zittau die Hauptverhandlung gegen ihn stattfinden. Bislang war das Verfahren gekennzeichnet von ständigen Versuchen des Gerichts, dem Beschuldigten die Inanspruchnahme seiner gesetzlich garantierten Rechte streitig zu machen. Mit teilweise offen willkürlichen Entscheidungen des Gerichts oder indem der zuständigen Vorsitzende RiAG Ronsdorf Anträge der Verteidigung schlicht ignorierte, wurden u.a. Verteidigungsrechte massiv beschnitten, der Anspruch rechtlichen Gehörs verweigert und mehrfach Akteneinsicht faktisch verwehrt. Dies war bereits Gegenstand mehrfacher Ablehnungen des Vorsitzenden wegen der Besorgnis der Befangenheit. Diese Haltung hatte der Richter auch anlässlich eines im Mai diesen Jahres anberaumten Hauptverhandlungstermins dokumentiert, der noch kurz vor Beginn aufgehoben werden musste: um die Sicherheit der Sitzung zu gewährleisten, sah er es - bei einem Angeklagten, der sich für seine Tat ausdrücklich auf seine gewaltfreie Grundeinstellung beruft - als notwendig an, sechs uniformierte und bewaffnete Polizeibeamte hinzuzuziehen. Urteile gegen Totale Kriegsdienstverweigerer fallen höchst unterschiedlich aus. Während sich die Fallkonstellationen nur geringfügig unterscheiden, weist die Spruchpraxis der Strafgerichte eine beachtliche Bandbreite auf: mit (nicht rechtskräftigen) Freisprüchen, Verwarnungen mit Strafvorbehalt, Geldstrafen bis hin zu Freiheitsstrafen zwischen 3 und 10 Monaten mit Bewährung ist die gesamte Sanktionspalette des StGB zu finden. Bis Ende der 90er Jahre sind teilweise, wenn auch sehr vereinzelt, sogar Freiheitsstrafen ohne Bewährung verhängt worden. Demgegenüber erklären die Verteidiger von Reuter, Detlev Beutner (Frankfurt/M.), Sebastian Kraska und Jörg Eichler (beide Dresden), selbst Totalverweigerer und - da sie keine Rechtsanwälte sind - als Wahlverteidiger gem. § 138 Abs. 2 StPO zugelassen, dass die juristische Beurteilung von Strafverfahren gegen Totale Kriegsdienstverweigerer grundsätzlichere Fragen aufwirft: "Es geht hier nicht vordergründig darum, in welcher Art und Höhe bestraft wird, sondern darum, dass sich aufgrund der mit Art. 4 Abs. 1 GG mit Verfassungsrang ausgestatteten Freiheit des Gewissens eine strafrechtliche Sanktion gänzlich verbietet." Für die Richtigkeit Aktenzeichen: 4 Ds 240 Js 22693/05 Kontakte: TKDV-Initiative Dresden |
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