/terminal
dresden
  alternativer veranstaltungskalender / blatt für unterbliebene nachrichten
kalender adressen texte links kontakt&infos

Eine Million Datensätze!
Pressemitteilung der Kampagne "Sachsens Demokratie"

Am 20. Juni berichteten wir vom skandalösen Verständnis von Demokratie und Datenschutz bei sächsischen Behörden (http://www.sachsens-demokratie.net/?p=88). Doch die Funkzellenauswertung (FZA) in der Dresdner Südvorstadt am 19. Februar mit 138.000 ausspionierten Datensätzen war, wie bereits Justizminister Martens spekulierte, erst die Spitze des Eisbergs. Der umfassende Bericht, den am Freitag Innenminister Ulbig (CDU) und Justizminister Martens (FDP) der Öffentlichkeit (http://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/160218/assets) vorstellten, bestätigte diese Vermutung. Demnach seien in zwei von einander unabhängigen Ermittlungsverfahren FZAs angeordnet und insgesamt über eine Millionen Verkehrsdatensätze durch die Mobilfunkanbieter an die Polizei übermittelt worden (siehe Grafik unten).

Dazu Josephine Fischer: "Dass auf Basis eines Verfahrens wegen schweren Landfriedensbruches bereits über einhunderttausend Daten gespeichert worden, ist schon skandalös. Geradezu fassungslos macht aber die Tatsache, dass über 800.000 weitere Daten an bisher nicht benannten Orten in noch grösserem zeitlichem Umfang ausspioniert wurden."

Vorgeschobene Rechtsgrundlage ist das fragwürdige Ermittlungsverfahren wegen einer angeblichen kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) gegen 17 Antifaschist_innen. In diesem Verfahren wurden jedoch seit 2010 technische Ermittlungsmethoden angewandt, zu denen auch die Überwachung der Telefone gehörte. Bei den beschuldigten Personen wurden Gespräche mitgeschnitten, SMS ausgewertet und Bewegungsprofile erstellt. Eine zusätzliche Funkzellenauswertung im Rahmen dieser Ermittlungen ergibt keinen Sinn und ist rechtlich fragwürdig. Es liegt nahe, dass die Polizei linke Aktivist_innen, in dem Wissen, dass gegen diese kein Anfangsverdacht besteht, ausspionieren und die Struktur der antifaschistischen Proteste auf bewusst rechtsbeugenden Weg ausforschen will. Deutlich zeigt sich hier, wie Ermittler mit dem § 129 StGB jedes Vorgehen begründen und jede Verhältnismässigkeit verlassen können.

Josephine Fischer: "Die Methoden der sächsischen Behörden erinnern an die Überwachung autoritärer Regime gegen Oppositionelle. Es zeigt sich mal wieder, dass man nicht auf die Selbskontrolle der Mächtigen setzen darf. Wir fordern daher eine unabhängige Polizeikontrollkommission, die in nahezu allen Demokratien völlig üblich ist."

Es bestätigt sich, dass sich die Polizei verselbstständigt, wenn ihr kein effektives Kontrollorgan zur Seite steht. Der Richtervorbehalt und die Leitung der Verfahren durch die Staatsanwaltschaft sind, wie inzwischen aus der Praxis in zahlreichen Fällen bekannt, kein adäquates Mittel. Im jetzigen Skandal kam die Polizei zu hanebüchene Rechtseinschätzungen. So ist in den Augen der Polizei der Verstoss gegen das Versammlungsgesetz eine schwerwiegende Straftat, weshalb man die erhobenen Daten auch in Ermittlungsverfahren gegen Blockierende einfliessen lies. Die Staatsanwaltschaft fragte man zumindest offiziell gar nicht erst nach einer juristischen Einschätzung. Man ging wohl davon aus, dass eine Behörde, die zuvor sämtliche rechtsbeugende Massnahmen bei einem willigen Gericht beantragte, auch dieses Vorgehen teilen würde.


Kampagne "Sachsens Demokratie"

index kalender adressen texte links kontakt&infos

contact: terminal@free.depgp-keykey fingerprint: C9A4 F811 C250 3148 9FAB 6A1B 9743 6772 90D1 C385