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Gewerkschaft hält Hohnsteiner Stadtratsentscheidung für Skandal
Offener Brief bzgl. Entscheidung des Stadtrates gegenüber dem AkuBiZ e.V

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir, die Gewerkschaftsföderation FAU Dresden, fühlen uns in der Pflicht uns gegenüber der Entscheidung des Hohnsteiner Stadtrats den AkuBiZ e.V. betreffend zu positionieren. Als sozial-politische Organisation, die auch in der Sächsichen Schweiz verankert ist, wollen wir eine solche Verkehrung der politischen Probleme wie in Hohnstein nicht unwidersprochen lassen. Wir möchten im folgenden unsere Position argumentativ darlegen und den Hohnsteiner Stadtrat auffordern die Entscheidung zu überdenken und zurück zu nehmen. Die Einwohner_innen der Stadt und Hohnstein und des Landkreisen möchten wir ermuntern gegen solche politische Fehlentscheidungen Gesicht zu zeigen und zu protestieren.

Leider müssen wir bis jetzt feststellen, dass die öffentliche Besprechung der Vorfälle um und nach dem 9. Antirassistischen-Fussball-Cup in Ulbersdorf bisher von politischen Beissreflexen gezeichnet war und inhaltliche Substanz in weiten Teilen vermissen liess. Wir möchten deshalb damit beginnen in aller Kürze die Geschehnisse am 11. Juli diesen Jahres Revue passieren lassen:

Grund für das grosse Medienecho war die Tatsache, dass während des Tuniers ein Team in T-Shirts mit dem Aufdruck "Love sport | hate germany" (Liebt Sport, hasst Deutschland!) auftrat. Die Rede ist also von einem Spruch, der keinerlei Menschengruppen diffamiert, angreift, oder bedroht. Der genannte Spruch steht in keinster weise einer humanistischen Grundhaltung entgegen. Trotzdem wurde er für den Hohnsteiner Stadtrat zum Anlass, dass Recht auf freie Meinungsäusserung einzuschränken.

Wer stattdessen im Zusammenhang des Tuniers ganz aktiv versuchte Einzelpersonen und Menschengruppen zu verunglimpfen, zu bedrohen und zu nötigen waren mehrere Personen die bereits in der Nacht vor dem Cup den Sportplatz mit Absperrband und rassistischen Plakaten behängten. Ebenso jene Anhänger der rechtsradikalen NPD-Initiative "Nein zum Heim!" die während des Tuniers Teilnehmende provozierten und bedrohten und nach eigenen Angaben Kennzeichen notierten. Solche Kennzeichenerhebungen durch Rechtsradikale dienen i.d.R. der Einschüchterung aber auch der Bedrohung politisch Andersdenkender und ggf. der Vorbereitung von Anschlägen wie auf die Fahrzeuge der Linken-Politiker Lutz Richter aus Pirna (2010) und Michael Richter aus Freital (dieses Jahr). Im Nachgang kam es zu Morddrohungen gegen Teilnehmende und Organisator_innen. Das rechtsradikale Onlinemagazin "PI-News" veröffentlichte die Nahaufnahme eines Spielers, den es als "Afrikaner" einordnete und im selben Artikel verlautbarte dass "ein gigantischer Bevölkerungsaustausch in Gang ist, dessen Ziel die Auslöschung der deutschen Nation und die Vermischung des deutschen Volkes bis zur Unkenntlichkeit der eigenen Identität ist". Eine klare Anlehnung an nationalsozialistische Rassenideoligien. Schliesslich wurden die Scheiben des vom AkuBiZ e.V. mitbetriebenen Veranstaltungsortes "Kulturkiste" in Pirna eine Woche später durch Steinwürfe entglast. Aufgrund der rechtsradikalen Hetzwelle im Internet gegen den Verein liegt ein Zusammenhang zum Fussballcup äusserst nahe.

Wie angesichts dieses Sturms auf humanistische Grundwerte und die Unversehrtheit politisch Andersdenkender und aus rassistischen Gründen diskriminierter Personen der Hohnsteiner Stadtrat zu seinem Beschluss gelangen konnte das Recht auf Meinungsfreiheit zu negieren erscheint völlig unverständlich. Den Rechtsradikalen die mit Einschüchterung und Drohung die antirassistische Veranstaltung zu verhindern suchten kam der Stadtrat nachträglich zur Hilfe und belohnt sie höchst offiziell für ihr gewalttätiges Vorgehen.

Dabei steht eine Kritik am vermeintlichen Stein des Anstosses, dem T-Shirt-Slogan, zumindest in der Presse noch aus. Wenn der Humanismus Triebfeder der Stadtratspolitik wäre, so hätte der Stadtrat in seiner letzten Sitzung eine Menge zu besprechen gehabt, die Trikots gehören nicht dazu.

Bürgermeister Daniel Brade und Ortsvorsteher Ralf Lux liegen falsch, wenn sie in einer Erklärung behaupten, der T-Shirt-Spruch würden "den Boden des friedlichen Miteinanders verlassen" und er würde nicht von Toleranz zeugen. Im Gegenteil, genau ihre Erklärung und der Beschluss des Honsteiner Stadtrats zeugt nicht von Toleranz. Seit über 150 Jahren plädieren verschiedene humanistische Philosophien für eine Gesellschaft die keinen Staat und soziale Ungleichheit mehr braucht. Anhänger dieser libertären Strömungen traten oft unter Lebensgefahr in verschiedensten politischen Systemen wie Monarchismus, Faschismus und Realsozialismus für radikalen Humanismus ein, retteten unzählige Menschenleben und tun dies heute noch. Ein antinationalistisches Statement rundweg mit Intoleranz und Unfrieden gleich zu setzen zeugt entweder von mangelndem politischen Vorwissen oder beabsichtigter Stimmungsmache für Nationalismus als einzig vertretbare Idee. Jedenfalls kristallisiert sich im konsequenten Hausverbot für antinationale Humanist_innen die eigentliche Intoleranz, der eigentliche Unfriede.

Zudem gäbe es aktuell vielerlei humanistische Gründe sich von Deutschland zu distanzieren, z.B.:

  • ist der deutsche Staat in vielerlei aufgenötigte Freihandelsabkommen, militärische Interventionen und Eingriffe in die Souveränität anderer Bevölkerungen beteiligt die für Millionen Menschen zur Fluchtursache geworden sind
  • ist der Druck der deutschen Regierung zum Sozialabbau in anderen Staaten ist in vielen Ländern Europas mitverantwortlich für Hunger, Verarmung und steigende Selbstmordzahlen
  • wird mehr und mehr im Rahmen der NSU-Untersuchungen trotz intensiver Verschleierungen die Unterstützung rechten Terrors durch den Verfassungsschutz offenbar
  • müssen in Deutschland Tag für Tag hunderte Erwerbslose mit dem Jobcenter um ihre grundgesetzlich zugesicherte Grundversorgung kämpfen
  • unterläuft das hiesige Streik- und Gewerkschaftsrecht die Reallöhne von Arbeitnehmer_innen in ganz Europa.

Humanist_innen können deshalb eine ganze Reihe gute Gründe haben ein T-Shirt mit der Aufschrift "Love sport | hate germany" zu tragen. Gute Gründe für eine völlige Ignoranz rechter Bedrohung in der eigenen Gemeinde gibt es dagegen nicht. Sich an einem solchen T-Shirt-Spruch abzuarbeiten während Rechte gewähren können macht die Entscheidung der Stadtratsabgeordneten selbst zutiefst nationalistisch. Ob dieser Nationalismus die eigene Überzeugung ist oder ob die Stadträte sich nur von der Angst um Stimmenverlust nach rechts manövrieren lassen, wissen am Ende nur sie selbst.

Als Gewerkschaftsföderation fordern wir die einzelnen Stadträte jedenfalls auf, ihre Fehler einzugestehen, die Entscheidung rückgängig zu machen und ab jetzt für Menschlichkeit und nicht für Nationalismus einzustehen. Das heisst auch konkret Aufklärungsarbeit unter den Anwohner_innen zu leisten und rechte Umtriebe nicht zu tolerieren.


FAU Dresden, Mandat Oberelbe-Osterzgebirge

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