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Redebeitrag zur Einweihung des Denkmals an den Herbst 1991 in Hoyerswerda
Hoyerswerda 1991 - Nichts und niemand ist vergessen!
Das rassistische Pogrom von Hoyerswerda vor 23 Jahren gilt als Synonym rechter Gewalt in Deutschland nach der Wiedervereinigung. Es steht für das soziale und politische Klima einer Stadt, in der BürgerInnen und Neonazis ohne wirksame Gegenwehr und unter den Augen von Justiz und Polizei tagelang MigrantInnen angriffen, bis diese aus der Stadt gebracht wurden. Am 17. September 1991 begann ein Mob von Neonazis die Heime der Asylsuchenden und VertragsarbeiterInnen in Hoyerswerda zu attackieren. Tagelang warfen sie Flaschen, Steine und Molotowcocktails. BürgerInnen dieser Stadt unterstützten sie zu Hunderten mit Applaus und Parolen, nur sehr wenige stellten sich dagegen. "Brennt die Bude doch ab", "Kalaschnikow her und reinhalten", tönte es aus der Menge. Ein Betroffener der Angriffe schilderte die Situation: "Jedes mal, wenn wir rausgehen, greifen sie uns an, wir haben Angst um unser Leben, uns hilft auch nicht die Polizei." Die HeimbewohnerInnen wurden schliesslich aus der Stadt gebracht, teilweise direkt zur Abschiebung. Der rassistische Mob hatte gesiegt. Noch während am 19. September 1991 in Hoyerswerda eine Scheibe nach der anderen zu Bruch ging, kam der 27-jährige Samuel Yeboah bei einem Brandanschlag auf ein Flüchtlingswohnheim in Saarlouis im Saarland ums Leben. In den folgenden 2 Jahren griffen Deutsche fast täglich Unterkünfte von Asylsuchenden an, nicht nur in den neuen Bundesländern, auch im Westen der Republik. Die rassistischen Gewalttaten in Städten wie Hoyerswerda 1991 und Rostock 1992 wurden zum Vorwand genommen, um das Grundrecht auf Asyl faktisch abzuschaffen. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl sprach angesichts der Flüchtlinge vom drohenden "Staatsnotstand". 1993 schrieb die Politik in Gesetze, was in Hoyerswerda und Rostock mit Molotowcocktails eingefordert wurde: die Änderung des Grundgesetzartikels 16, die einer Abschaffung des Grundrechts auf Asyl gleichkam. Dieser Vorgang wurde von einer rassistischen Medienkampagne begleitet. Die Auswirkungen für heutige Asylsuchende und die Schwierigkeit, ein Bleiberecht zu erlangen, sind deshalb unmittelbare Folgen der rassistischen Angriffe Anfang der 1990er Jahre. Bis heute kämpfen Geflüchtete, die es nach Deutschland geschafft haben, für eine Verbesserung der Asylgesetzgebung und sehen sich auf vielen Ebenen mit Rassismus konfrontiert. Seit 2012 haben sie sich in mehreren Städten in Deutschland öffentlich Gehör verschafft - in Berlin u.a. mit der Besetzung einer Schule und des Oranienplatzes im Stadtteil Kreuzberg. Die Bundespolitik ignoriert diesen Protest weitestgehend, stattdessen wurde heute im Bundesrat das Asylrecht weiter verschärft. Vor wenigen Minuten wurde das Denkmal in Erinnerung an 1991 eingeweiht. Damit reagiert die Stadt nach langer Abwehrhaltung auf den öffentlichen Druck von aussen und auch auf eine Forderung, die von unserer Gruppe ausging. Seit 2011 setzen wir uns für ein solches Denkmal ein und haben uns auch an dem von der Stadt ausgerufenen Wettbewerb zur Denkmalsgestaltung beteiligt - offensichtlich ohne Erfolg. Drei zentrale Forderungen bleiben mit dem nun umgesetzten Entwurf weiterhin unerfüllt. Zum einen wird nach wie vor nicht klar benannt, dass es sich bei den Ereignissen vom Herbst 1991 um ein rassistisches Pogrom handelte. Zum anderen spielt die Situation der Betroffenen weiterhin kaum eine Rolle im Umgang der Stadt mit den Geschehnissen. Ausserdem wird das Denkmal in dieser Gestaltung kaum zur Auseinandersetzung mit den Ursachen wie Rassismus und Sozialchauvinismus beitragen. Warum wurde das Denkmal dann überhaupt aufgestellt? Wir denken: weil sich die Stadt in erster Linie selbst ein Denkmal setzen wollte. Dabei wäre eine Auseinandersetzung mit den Ursachen und Folgen von Hoyerswerda 1991, mit seinen TäterInnen und Betroffenen dringend notwendig. Schliesslich sind rassistisch motivierte, feindselige Einstellungen gegen Asylsuchende auch im Jahr 2014 eine Gefahr. Im nur wenige Kilometer entfernten Bautzen demonstrierten vor wenigen Wochen 600 Menschen unter Führung der NPD gegen eine neue Unterkunft für Geflüchtete. Auch in Hoyerswerda leben seit 2013 wieder Asylsuchende in einer Sammelunterkunft. Sie berichteten uns zwar von vereinzelter Unterstützung aus der Bevölkerung, aber auch von einem Klima der Ablehnung und des alltäglichen Rassismus. Aber davon wollen die wenigstens hier und heute etwas wissen. Genausowenig, wie kaum jemand daran Anteil nahm, dass vor zwei Jahren ein junger Mann und eine junge Frau mit Gewalt von Nazis aus der Stadt vertrieben wurden, weil sie antifaschistisch aktiv waren und die Polizei sie nicht effektiv genug schützen wollte. Für die Auseinandersetzung mit dem rassistischen Pogrom von Hoyerswerda 1991 ist deshalb eine grundlegende inhaltliche wie optische Umgestaltung des heute errichteten Denkmals dringend notwendig. Dafür stehen wir gern als AnsprechpartnerInnen zur Verfügung. An Hoyerswerda 1991 zu erinnern heisst heute, 23 Jahre nach dem rassistischen Pogrom: ein offensiver Umgang mit Neonazis und rechter Hegemonie, eine klare Positionierung gegen jeden Rassismus, Anerkennung und Entschädigung Betroffener rechter Gewalt, Forderung der Rücknahme aller Asylrechtsänderungen von 1993 und Bleiberecht für alle Asylsuchenden in Deutschland! |
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