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Antifaschistische "Kaffeefahrt" ins Westerzgebirge am 4. Juni
Annaberg, Mylau, Aue

Am 4. Juni veranstalteten antifaschistische Gruppen im Rahmen der Kampagne Schöner leben ohne Naziläden eine "Kaffeefahrt" ins Westerzgebirge. Ziel war das Outing örtlicher Nazistrukturen und -läden in Mylau, Annaberg und Aue.

Teil 1: Annaberg

Der Kaffeefahrt-Bus macht Station am sonnigen Markt von Annaberg. Nicht weit von hier befinden sich die Naziläden "Phönix" (Am Schulberg 3) und "Kneip'l" (Grosse Kartengasse 6). Während eines kleinen Spaziergangs durch die Altstadt werden BürgerInnen über die Kampagne gegen Naziläden informiert. Einige sind empört, es gäbe hier keine Naziläden. Andere jedoch interessieren sich sehr für die verteilten Flugblätter. Am Schulberg forderten die TeilnehmerInnen mit Megaphon und Transparent die Schliessung des Naziladen Phönix. Überrascht und eingeschüchtert reagierten drei anwesende Nazis. Ausgehängte Naziplakate und andere Nazipropaganda konnten fachgerecht entsorgt werden. In der Grossen Kartengasse wurde noch einmal per Megaphon auf das "Kneip'l" aufmerksam gemacht. Mit antifaschistischen Parolen verabschiedeten sich die TeilnehmerInnen von Annaberg und stiegen in den Bus, um zur nächsten Aktion zu gelangen.

Hintergrundinfos zu Annaberg

Wie in allen deutschen Städten und Gemeinden war auch hier die Zustimmung zum Nationalsozialismus Anfang der dreissiger Jahre des 20. Jahrhunderts sehr hoch. Als es zu den ersten Boykottaktionen gegen jüdische Geschäfte im Jahr 1933 kam, lies sich die örtliche SA etwas besonders perfides einfallen: JedeR KundIn die in einem der boykottierten Läden einkaufen wollte, wurde ein Stempel ins Gesicht gedrückt auf dem zu lesen war: "Wir Verräter kaufen beim Juden". Während der Progromnacht im November 1938 wurden die Synagoge, sowie die meisten Geschäfte verwüstet und einzelne JüdInnen Annabergs angegriffen. Zwischen 16 und 30 JüdInnen sollen 1939 noch in Annaberg gelebt haben. Über ihr Schicksal ist nur wenig bekannt. Die meisten von Ihnen wurden zwischen 1940 und 1942 nach Theresienstadt und nach Auschwitz deportiert und ermordet. Etwa 7 Personen überlebten die Shoah und den Krieg. Seit dem gibt es keine JüdInnen mehr in Annaberg. In der offiziellen Stadtgeschichte Annabergs ist nichts davon zu lesen.

Dass sich in dieser Stadt nach dem Ende der DDR eine recht ungestörte eine Neo-Naziszene etablieren konnte verwundert nicht. Bei der letzten Landtagswahl erreichte die NPD hier ihr zweitbestes Ergebnis, nach der sächsischen Schweiz. Das brachte dem Annaberger NPD-Schwein Klaus Baier ein Landtagsmandat ein.

Nazikneipe "Kneip'l"...

Ein örtlicher Treffpunkt der Naziszene ist das im lokalen Slang benannte "Kneip'l" in der Nähe des Marktes. Hier tagte mehrere Jahre lang der sächsische NPD-Landesvorstand, sowie nach wie vor der Kreisvorstand der NPD Annaberg. Diese Kneipe wird von einem Ingo le Beau betrieben, der wohl stellvertretend für so viele Idioten steht, die die NPD in den Landtag gewählt haben. Die Welt erscheint ihm schlecht und feindselig, er selbst ist ein ewiger Loser und Wahlweise der "Westen", "die Ausländer" oder die "etablierten Parteien" sind schuld an seiner Lage oder eben am Bankrott des einstmals so blühenden "Ärzgebirgs". Für diese Leute ist es völlig normal NPD zu wählen und Nazidreck zu reden. Hier in der heimlichen Hauptstadt des Weihnachtslandes stört sich niemand daran, weil alle so denken und das ist das Problem.

... und sein Besitzer der NPD-hardliner Günther Deckert

Das Gebäude in dem das erwähnte "Kneip'l" untergebracht ist gehört dem ehemaligen NPD-Vorsitzenden und langjährigem Nazikader Günther Deckert. Der Heidelberger sass wegen bereits wegen Volksverhetzung, Holocaust-Leugnung und seiner rassistischen Ausfälle mehrere Jahre im Knast. Berührungsängste zu allen möglichen Facetten der Naziszene kennt er nicht. Er ist massgeblich für die Radikalisierung der NPD durch die Öffnung gegenüber der militanten Neonazi-Szene verantwortlich. Der heute 65-Jährige leistete bereits sehr früh, nach dem Ende der DDR Aufbauarbeit für die NPD und soll sich wohl auf seinen damaligen Reisen durch die Zone, in das Erzgebirge "verliebt" haben. Er kaufte Immobilien, wie dieses Gebäude hier, um damit eine kaum angreifbare Basis für die Organisation der örtlichen Naziszene zu schaffen.

Naziladen "Phönix"

Ein weiterer wichtiger Standort und subkulturelle Schnittstelle bildet der Nazi-Laden "Phönix". Hier gibt es alles was das Naziherz begehrt: T-Shirts mit "88"-Symbol, Reichskriegsflaggen und "Hatecore"-Schriftzug.Ausserdem Hemden mit Bildern von Odin oder Thor, und dazu noch Klamotten der Marken Thor Steinar, Nordmacht und Skrewdriver. Darüber hinaus wird ein breites Spektrum rechtsradikaler Musik angeboten. Zudem betreibt das "Phönix" einen Mailorderversand. Im Gästebuch auf der Homepage des Ladens findet man Einträge mit nazistischen Inhalten, welche nicht selten mit einem "Sieg Heil" enden. Inhaber dieses "Naziszeneladens" sind die Annaberger Nazis Markus Szallies und Heiko Rabenstein. Die Verbindungen zwischen NPD und Nazisubkultur sind dabei recht deutlich und die Übergänge fliessend. So ist etwa der "Phönix"-Laden auf diversen NPD-Seiten in der Linkliste zu finden. Allerdings ist deren Seite seit Ende letzten Jahres nicht mehr online, offiziell wird wohl umgebaut. Darüber hinaus gibt es in Annaberg und Umgebung eine recht rege Nazi-Black-Metal-Szene, was ja irgendwie nicht wunderlich ist, bei all der Mystik und intellektuellen Einöde dieser Gegend. So existiert im nah gelegenen Elterlein der Hagalaz-Club in dem schon ab und zu Nazi-Metaller ihren Mist vorspielen. Am vorletzten Wochenende fand auch ein ähnliches Konzert hier in Annaberg statt.

Teil 2: Mylau

Während ein Teil des Kaffeefahrt-Unternehmen in Annaberg Naziläden besuchte, bewegt sich der andere Teil der Kaffeefahrt in Mylau. In der vogtländischen Kleinstadt gibt es den Naziladen Ragnaröck, mit den üblichen für Nazis attraktiven Bekleidungsartikeln. Während die angereisten DemonstrantInnen vor dem Laden einen Kundgebung abhielten und Flugblätter an die PassantInnen und auf Fahrzeuge verteilten, wurde gleichzeitig nicht lange gefackelt, sprich unter grossem Beifall der Anwesenden die Tür des Ladens zugemauert und die Fassade antifaschistisch dekoriert. Gut gelaunt zogen sich die KaffeefahrtteilnehmerInnen nach dieser gelungenen Anfangsaktion zu den Bussen zurück, um sich dem darauf folgenden Besuch eines Naziladens in Aue zu widmen.

Hintergrundinfos zum Naziladen "Ragnaröck" in Mylau/Reichenbach

Das "Ragnarök", vor dem wir jetzt stehen, besteht bereits seit April 2003. Der vorher in der Hauptgeschäftsstrasse von Reichenbach ansässige Laden wechselte im Februar 2004 hierher - in die nahegelegene Kleinstadt Mylau. Sehr schnell gewann der Naziladen an Popularität innerhalb der vogtländischen Neonaziszene und gilt bis heute als einer der wichtiger Struktur- und Treffpunkt. Im RAGNARÖCK kauft ein, wer vom grossen Reich träumt. T-Shirts mit eindeutigem Bezug auf den NS liegen zwar nicht offen aus. Dafür gibt es aber beispielsweise die von Neonazis vertriebene Marke "Thor Steinar", die vor allem wegen ihrer versteckten Nazisymbolik beliebt sind. Erst vor kurzer Zeit wurde das Logo von "Thor Steinar" wegen seines Bezugs zum Natiionalsozialismus verboten. Für die weitere Ausstaffierung seiner rechten Kundschaft bietet Köckert diverse Devotionalien an - seien es Thorshämmer, Aufnäher mit dem Schriftzug der rechten Marke Doberman, "88"-Symbolen (was für "Heil Hitler" steht) oder "Odin statt Jesus". Im Angebot sind ausserdem Fussballschals, auf denen Aufschriften wie "Nationalist", "Deutschland" oder der Name der Naziband "Screwdriver" prangen. Aber auch, wer auf rassistische und antisemitische Musik steht, kommt im RAGNARÖCK voll auf seine Kosten: Das Geschäft führt ein Sortiment an Tonträgern rechter LiedermacherInnen, sowie von Rechtsrock- und Hatecore-Bands. Hier wären z.B. die der verbotenen Organisation "Blood & Honor" nahe stehenden Rechtsrockband "Oidoxie", "Reichswehr", "Chaos88", "Kraftschlag", "Stahlgewitter" oder "Lunikoff" zu nennen. Dazu gibt's die dazugehörigen Band-Shirts von "Masterrace" und "BlueEyedDevils". Ebenfalls sind T-Shirts mit Aufschriften wie "White Power", "Skinheads für Deutschland", "Freikorps marschieren wieder", "Thorshammer - Nordland erwache" oder Motive des "White Aryan Resistance" (weisser arischer Widerstand) erhältlich.

Der Besitzer...

Der Ladenbesitzer David Köckert, welcher auch als Anführer der als Fussballmannschaft getarnten Kameradschaft "Die Braunen Teufel" gilt, ist kein unbeschriebenes Blatt. Bereits im Sommer 2001 verübten Nazis aus dem Umfeld der "Braunen Teufel" einen Brandanschlag gegen ein Flüchtlingswohnheim. Köckert selbt ist bereits zu drei Jahren Bewährung wegen Zeigen des Hitlergrusses und Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole verurteilt. Anfang Oktober 2003 wurde das Ragnaröck im Zuge einer grossangelegten Razzia gegen Rechtsradikale und Wirtschaftskriminelle durchsucht. Gefunden wurden neben diversen Nazidevotionalien und indizierter Musik auch eine Hitlerbüste.

... und seine sonstigen Naziaktivitäten

Der schwergewichtige Köckert ist im Vogtland hauptsächlich für die Organisiation von Konzerten mit solch einschlägigen Bands wie "Commander of Hate" verantwortlich. Seit 2001 veranstaltet er regelmässig und mit zunehmender Tendenz Konzerte, u.a. in Greiz-Döhlau und Wohlbach, bei denen bis zu 150 "Gäste" teilnahmen. Besonders guter Kontakt besteht zu der Reichenbacher Skinheadband "Haftbefehl". Dessen Gitarrist René Porolla wurde anfang diesen Jahres wegen Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole auf der Bandinternetseite zu einem Jahr Haft verurteilt. Auf der Seite war ein Foto mit einer Hakenkreuzfahne zu sehen. "Haftbefehl" beschreiben sich auf ihrer Internetseite selbst als nationalsozialistisch. Köckert und seine "Braunen Teufel" sind auch regelmässig auf Demonstrationen zugegen, zuletzt am 8. Mai in Delitzsch. Sie koordinieren Anlaufpunkte bei überregionalen Kameradschaftstreffen und organisieren Fussballtuniere zu Ehren des Hitler-Stellvertreters Hess. Laut sächsischem Verfassungsschutz handelt es sich bei der Gruppierung jedoch "nach den […] vorliegenden Erkenntnissen um eine Freizeitfussballmannschaft aus circa 15 - 20 Personen". Diese rekrutiere sich ausschliesslich aus Skinheads. Die staatlichen Szenekenner wissen aber auch von einem Ausflug der Gruppe zur Wewelsburg, der ehemaligen Ordensburg der SS. Und sie registrierten, dass die "alcoholocaust" - Anhänger laut eigener Angabe im Internet " für ein freies und weisses Deutschland kämpfen" und Blood&Honor, Hammerskins und Combat 18 grüssen. Viele der von ihm angebotenen Waren sind "rein rechtlich nicht illegal", wirken aber trotzdem anziehend auf Neonazis. Rechte Musik und rechtes Outfit, egal wie "gesetzlich legal" sie sein mögen, stiften Neonazis Identität und treiben vor allem bei Jungnazis eine weitere neofaschistische Politisierung voran. Dem muss dringend Einhalt geboten werden!

Teil 3: Aue

200 AntifaschistInnen aus Sachsen und Thüringen demonstrierten heute spontan zum Naziladen "Sonnentanz" in Aue. Vier Busse waren im Rahmen der Kaffeefahrt unterwegs. In Aue trafen sie sich, nachdem bereits in Mylau und Annaberg Aktionen gegen Naziläden stattgefunden hatten. Der online-shop des Sonnentanz- / Endzeit-Versand war am 9. Mai diesen Jahres dankbares Ziel für einen Hackerangriff wurde. Inspiriert davon wurde heute vor dem Laden das Nazi-Einkleide-Spiel zelebriert. Auf der gehackten website konnte eine dicke Glatze neu eingekleidet werden. Vor dem Ladengeschäft in Aue wurden zwei Pappnazis aufgestellt, die ebenfalls neu eingekleidet werden konnten. Einem Pappnazi wurde ein Biene-Maja-Kostüm angezogen. In einem weiteren Spiel, dem Naziladen-Memory, spielten zwei Teams gegeneinander. 26 Memory-Karten mit Naziläden aus Sachsen mussten aufgedeckt werden. Dabei auch der "crime-store" in Königstein und der "Backstreetnoise / PC-Records" in Chemnitz. Eine anschliessende Demonstration führte zum Busparkplatz, von wo aus die Kaffeefahrt per Bus fortgesetzt wurde.

Hintergrundinfos zum "Sonnentanz" in Aue

Der in der Goethestrasse 18 in Aue befindliche Laden "Sonnentanz", ist mehr als ein gewöhnliches Bekleidungsgeschäft für Jugendliche. Hinter der Fassade verbirgt sich ein kleines Imperium aus Versandhandel, Ladengeschäft, Internetdiskussionsplattform und Label, ausgerichtet auf eine Zielgruppe: NEONAZIS. Neben rechten Klamotten und Accessoires findet sich auch Musik mit nationalistischem Gedankengut, welche auf dem hauseigenem Label "Endzeit-Klänge" veröffentlicht wird. Dafür verantwortlich zeigt sich Michael Probst, welcher früher selbst in der Naziband "Kroizfoier" als Sänger fungierte. Seine Ehefrau Antje Probst war daran beteiligt, einen Zeugen im Prozess um die berüchtigte Berliner Neonaziband Landser zur Rücknahme seiner Aussage zu bewegen. Die Band "Landser" wurde am 22.12.2003 laut §129 Strafgesetzbuch als kriminelle Vereinigung eingestuft. Die weiträumige Verstrickung des Nazigeschäftes zeigt der Sonnentanz-Versand mit seinem damaligen Sitz in Limbach-Oberfrohnah. Inhaber war der "AEG" - Sänger Jens Schaarschmidt, welcher auch den gleichnamigen Laden in Aue betrieb. Der Sonnentanzversand Limbach/Oberfrohna verfügte über das Postfach, unter welchem 1994 das Nazi-Fanzine "Foier Frei" von eben diesem Jens Schaarschmidt herausgegeben wurde. Schaarschmidt war in der Gruppe "CC88" (Chemnitz Concerts 88, die Ziffer 88 steht dabei für "Heil Hitler") aktiv, ebenso wie Jan Werner, welcher massgeblich an Produktion und Vertrieb der "Landser"-CD "Ran an den Feind" beteiligt war. All diese Läden und Versände gehörten ab dem Jahr 2001 der Ravenstone GmbH mit Sitz in Chemnitz an (Ravenstone ist seit Anfang 04 aufgelöst). Verantwortlich dafür zeigten sich nun Michael Probst, der bis heute als Inhaber auftritt, sowie Stephan Neumann, der das Namens- und Bildpatent für das Label "Endzeitklänge" besitzt. Auf diesem Label für Nazibands wurden bis heute unter anderem folgende Bands veröffentlicht: "AEG" (Chemnitz), "Before God" (USA - Nebenprojekt von "Bound For Glory", eine der führendsten US-amerikanischen Neonazibands), "Confident Of Victory" (Senftenberg), "Kreuzfeuer/ Kroizfoier" (Leipzig/Altenburg), ""Keine Reue/ Might Of Rage" (Chemnitz), "Solution" (Leipzig) und "Sturm & Drang" (Senftenberg). Michael Probst veröffentlichte 1992 das Nazifanzine "Sachsen Glanz". Dieses Neonazinetzwerk, bestehend aus Endzeit-Versand, Sonnentanz-Versand, Endzeit-Klänge, Endzeit-Forum und dem Geschäft Sonnentanz vereint sich zu einer wichtigen Vertriebsstruktur rechter Propaganda und bietet Nazibands die Möglichkeit ihrer menschenverachtenden Ideologie Gehör zu erschaffen. Eine erste bundesweite Reaktion rief die Stillegung der Internetauftritte des "Endzeit-Versandes" hervor. Politisch engagierte Computerexperten hatten Anfang Mai die Seiten ez-versand.de, endzeit-versand.de, endzeitversand.de, endzeit-forum.de, stv88.de und sonnentanzversand.de lahmgelegt.

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