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Zappenduster - Wir zerstören Zukunftsträume

Am 12. Oktober um 20:00 wird es auf dem Altmarkt in Dresden einen sogenannten Grossen Zapfenstreich geben. Dabei handelt es sich um eine knapp 200 Jahre alte militärische Tradition, die auf das Signalisieren der Sperrstunde in Schänken durch einen befehlshabenden Offizier zurückgeht. Seine Ritualisierung erfuhr der grosse Zapfenstreich anfang des 19. Jahrhunderts in den preussischen Heeren, und am 12. Mai 1838 fand in Berlin der erste grosse Zapfenstreich in der Form stattfand, wie sie grundsätzlich bis heute beibehalten wurde. Dabei handelt es sich um eine druchgeplante Choreographie, bei der die Soldatenkapelle in einer von Fackeln erleuchteten Umgebung verschiedene Lieder spielt und dabei auf dem Platz marschiert.

Diese Veranstaltung kann in drei verschiedenen Argumentationslinien kritisiert werden. Zum einen der selektive Bezug auf die deutsche militärische Vergangenheit, zweitens die Militarisierung des Alltags und die zunehmende Akzeptanz militärischer Vorgehensweise und drittens die damit einhergehende Reklame für die Bundeswehr, als die der Zapfenstreich gesehen werden kann.

Die Bundeswehr bekennt sich gerne zu den Attentätern vom 20. Juli 1944, während die "Wehrmacht als Institution" für sie "keine Tradition begründen kann". Andererseits weigert sie sich nach wie vor die nach Wehrmachtsangehörigen benannten Kasernen (siehe z.B. www.kampagne.de/Themen/TraditionderBw/Kasernennamen.php) umzubenennen. Der Zapfenstreich ist das zentrale Ritual der preussisch-deutschen Militärgeschichte und hat sich in seiner Form seit fast 200 Jahren kaum geändert. Der Bezug auf die preussische Militärtradition lässt den Nationalsozialismus als eine Episode unter vielen in der langen deutschen Militärgeschichte erscheinen. Und nicht zuletzt bedient sich die Inszenierung des Zapfenstreichs einer Symbolik, die an nationalsozialistische Bildsprache erinnert. Die richtige Konsequenz aus Auschwitz wäre gewesen, gänzlich auf eine Armee zu verzichten. Demgegenüber wird Auschwitz nunmehr als Legitimation für deutsche Auslandseinsätze benutzt.

Krieg ist wieder eine selbstverständliche Option. Das schlägt sich auch in der Sprache nieder. Heute wird nicht mehr von Kriegen gesprochen, sondern von Friedensmissionen. Die Tatsache, dass Soldaten ausgebildet werden um zu töten, und nicht um Menschen zu helfen wird dabei häufig ausser acht gelassen.Die Bundeswehr ist eingebunden in Bündnisse und operiert im Rahmen dieser. Auf neue Sicherheitsbedrohungen und die "Folgen der Globalisierung", reagiert die deutsche Regierung in zunehmendem Masse auch wieder mit militärischen Mitteln. Zur Begründung für diese Entwicklung wird immer wieder angeführt, dass Deutschland sich seiner Bündnisverpflichtungen im Rahmen von NATO oder einer gemeinsamen europäischen Militärpolitik nicht entziehen könne, sondern auch auf diesem Gebiet seinen angemessenen Beitrag zu leisten habe. Dass sie quasi im "Zugzwang" steht und sich den "Verpflichtungen gegenüber anderen Bündnispartnern" nicht entziehen könne, ist nur eine Seite der Medaille. Tatsächlich ist Deutschland (mit der grössten Bevölkerungszahl) eines der einflussreichsten Länder innerhalb der EU. Alle Entscheidungen der EU verantwortet auch die deutsche Regierung mit. Damit wird die Selbstverständlichkeit des Krieges als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln nicht mehr nur von militärischen Kreisen akzeptiert sondern auch von der Politik in die Gesellschaft getragen.

"Jubel über militärische Schauspiele ist eine Reklame für den nächsten Krieg." schreibt Kurt Tucholsky 1927 in "Die Weltbühne". Der Zapfenstreich ist für die Bundeswehr eine Werbeveranstaltung. Sie wirbt mit Ihren dressierten Soldaten für traditionelle Werte wie Diszplin, Gehorsam, die Anpassung des Körpers an willkürliche Normen und die Effizienz hierarchisch strukturierter Organisationen in denen jegliche Individualität vermieden wird. Sie wirbt damit, Freiheit nach aussen zu verbreiten, zeigt in ihrer Struktur allerdings bereits vorweg um welche Freiheit es sich dabei handelt: die Freiheit disziplinierter Menschen, die sich in die vorgegebenen Verhaltensmuster einordnen.

Wir werden diese Inszenierung nicht tatenlos hinnehmen und die Verherrlichung von Soldatentum, Waffen und militärischen Traditionen zu stören wissen.


Initiative gegen den Zapfenstreich

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