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Die Post (-Demokratie) ist da

Gleich zu Beginn ein Paradoxon: das Buch "Postdemokratie" von Colin Crouch ist ein Bestseller. Es kann nur vermutet werden, dass das massgeblich am Titel liegt, denn: Post ist modern. Aber gerade das ist eine der Hauptkritiken im Buch: die heutigen Bürger_innen konsumieren nur noch von Marketingstrateg_innen hervorgebrachte "Labels" und nicht mehr wirkliche (politische) Inhalte.

Der in Warwick lehrende Politikwissenschafter Crouch hat seine Ausführungen zur Postdemokratie bereits im Jahr 2004 in England erscheinen lassen. Seit Juni dieses Jahres ist der Essay nun auch auf Deutsch erschienen.

Gemäss Crouch ist es nach wie vor so, dass die demokratischen Institutionen der parlamentarischen Demokratie, wie Wahlen, Parteinkonkurrenz usw., nach wie vor existent sind, die Bürger_innen aber in apathischer Lethargie verweilen und nicht mehr an den demokratischen Prozessen partizipieren(1). Die Legitimation für eine Demokratie kann aber nur die aktive Teilnahme möglichst vieler sein. Das permanent vorhandene Spannungsverhältnis zwischen den Ungleichheiten des Kapitalismus und der Gleichheit der Demokratie wird im Vergleich zu früher immer grösser. D. h. die Minderheitengruppe der Wirtschaftseliten ist die einzige Gruppe, welche es schafft ihre Interessen zu artikulieren und setzt somit- aufgrund der Verzahnung mit der Politik- ihre neoliberalen Ziele um. Dadurch nehmen die Ungleichheiten zu (Privatisierungen, Sozialabbau usw.).

Um nun wieder zu mehr Partizipation zu gelangen, müssen die Parteien neue Identifikationen für die neuen Klassen anbieten. Eine dieser neuen Klassen ist beispielsweise die Klasse der Menschen, welche im Dienstleistungssektor arbeiten.

Beim lesen des Buches stellt sich bis zum Ende kein Aha- Erlebnis ein, trotz des Erfolgs muss konstatiert werden, dass es im Buch nicht wirklich Neues gibt. Crouchs Analyse ist sehr allgemein gehalten und wird wahllos auf alle möglichen politischen Systeme angewandt. Auch wird mensch den Eindruck nicht los, dass es früher fast schon einen romantischen Zustand der Demokratie gab und es Zeit wird sich diesem wieder zu entsinnen.

Colin Crouch (2008): Postdemokratie. Suhrkamp Verlag.

Lion Faber

(1) Vgl. dazu: Buchstein, Nullmeier (2006): Die Postdemokratiedebatte. S. 16-22, in: Forschungsjournal: Neue soziale Bewegungen.


Lion Faber

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