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Prozess gegen die SSS fortgesetzt
Prozess wider Erwarten fortgesetzt - Richter rügt Innenministerium - Anklageschrift verlesen
Der Prozess gegen die mutmassliche Führungsriege der Skinheads Sächsische Schweiz ist heute am Landgericht Dresden fortgesetzt worden. Zum Prozessauftakt wies das Gericht einen Antrag der Verteidigung zurück, gegen die Zusammensetzung der Kammer, die aus drei Berufsrichtern, zwei Schöffinnen und einem Ersatzschöffen besteht zurück. Die Verteidiger hatten gerügt dass die ursprüngliche Ersatzschöffin ohne hinreichende Begründung von ihrem Amt entbunden wurde. Danach gab das Gericht eine Erklärung ab, die sich auf eine Presseerklärung des sächsischen Innenministeriums (SMI) vom 25.09.02 bezieht. Das Gericht zeigte sich "erstaunt" über die Tatsache, das das Ministerium prozessrelevante Informationen veröffentliche, bevor diese den Prozessbeteiligten zugänglich gemacht würden. Zudem äusserte es "Verwunderung" darüber, das der Innenminister dem Gericht Vorschriften mache was es bei der Prozessführung zu beachten habe. Diese Vorgänge lassen auf ein einigermassen vergiftetes Klima zwischen Ministerium und Gericht schliessen. Im weiteren Verlauf verlas der Vorsitzende zwei Erklärungen, des Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz Bosbach sowie des Innenministers Horst Rasch. Diese erklärten übereinstimmend, die Geheimhaltung der Informaten sei geboten um diese zu schützen. Weiterhin sei die Vertraulichkeit Grundlage der Zusammenarbeit zwischen VS und V-Leuten. Würde diese durch den VS untergraben müsse davon ausgegangen werden, das keiner mehr bereit sei mit dem VS zusammen zu arbeiten. In den Medien war im Vorfeld erwartet worden das der Prozess an diesem Punkt platzen würde. Der Richter behielt sich jedoch lediglich vor im Verlauf der Beweisaufnahme erneut die Enttarnung der V-Leute zu verlangen. Aus der Pressemitteilung des SMI geht hervor das sich sowohl unter den Angeklagten als auch unter den Zeugen jeweils ein Spitzel befindet. Nach einigen Diskussionen zwischen Staatsanwalt und Verteidigern über die Frage, ob Erklärungen seitens der Verteidigung zu diesem Aspekt auch noch im Verlauf der Beweisaufnahme abgegeben werden könnten, trat das Gericht in die Beweisaufnahme ein und der Staatsanwalt verlas die Anklageschrift. Allen Angeklagten wird Mitgliedschaft in (bzw. Gründung) der kriminellen Vereinigung SSS vorgeworfen. Folgerichtig geht die Anklageschrift im ersten Teil auf den Aufbau und die Zusammensetzung der SSS sowie deren Unterorganisationen SSS Aufbauorganisation unteres Elbtal (SSSAOuET) und SSS Aufbauorganisation oberes Elbtal (SSSAOoET) ein. Ein kompliziertes und - erwartungsgemäss - extrem hierarchisch aufgebautes Geflecht das Kontakte bis in den Landrat hatte. Ziel der Organisation war laut Staatsanwaltschaft "…die Region Sächsische Schweiz - auch unter Anwendung von Gewalt - von sog. 'Zecken' (gemeint sind politisch linksorientierte Personen, sog. 'Kiffern' (gemeint sind Drogenabhängige) und Ausländern zu "säubern" und das Gebiet…frei vom Einfluss der sog. 'ANTIFA'- Bewegung zu halten." Zusätzlich zur Mitgliedschaft werden jedem Angeklagten ein oder mehrere der folgenden Delikte zur Last gelegt: besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs, gefährliche Körperverletzung in mehreren Fällen, Volksverhetzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Nötigung und gefährlicher Eingriff in den Strassenverkehr. Diese Vorwüfe leiten sich aus insgesamt fünf Vorfällen und der Veröffentlichung des Fanzines "Froindschaft" ab. So hatten die Angeklagten Betke, Rackow, Sattelberg und Dinse im Juli 98 eine Grillparty überfallen und fünf Personen z.T. schwer verletzt. Betke hatte ausserdem, gemeinsam mit mindestens 20 weiteren Personen im Oktober 98 fünf Personen auf dem Weg zur Disko mit Baseballschlägern angegriffen. In den anderen aufgeführten Fällen hatten die Angeklagten Personen mit dem Auto verfolgt, gestellt bedroht und fotografiert. Ausserdem waren sie nach einem Konzert am Veranstaltungsort aufgetaucht und hatten die verbliebenen Personen zusammengeschlagen sowie die Konzertanlage zerstört. In dem Fanzine "Froindschaft" veröffentlichten die Angeklagten Wiesner, Sattelberg, Rackow und Vierig sowohl Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Hakenkreuz, Wolfsangel) und volksverhetzende Inhalte. Einige Zitate aus "Froindschaft": "Ein zentraler Punkt unseres Skinheadbewusstseins ist der Stolz auf unsere Rasse sowie der damit verbundene Kampf ums Überleben dieser. … Es sollte keine Rolle spielen, aus welchem Land der aufrechte Weisse kommt, solange er bereit ist, am Kampf der weissen Rasse teilzunehmen…" "Hinter dem Ganzen steckt ein einziges Komplott der jüdischen Grosskapitalisten, um ihre raffgierigen Seelen zu befriedigen. …der die vom System kontrollierte Einfuhr von ausländischen menschlichen Müll in unser Land unterstützte…" Weitere Zitate sowie Einzelheiten zu den Vorwürfen stehen in der Anklageschrift die ihr hier downloaden könnt. Nach der Mittagspause ging es dann mit den Vernehmungen zur Person weiter. Vier der Angeklagten machten hierzu Angaben. Auffallend war vor allem Sattelberg. Als der Angeklagte mit den schwersten Vorwürfen fing er an zu berichten wie gut ihm seine Arbeit mit Behinderten (Sattelberg ist staatlich anerkannter Erzieher) gefallen habe. Durch die Ermittlungen gegen ihn habe er aber bereits zwei Anstellungen verloren und könne nicht damit rechnen in diesem Bereich in Sachsen noch einmal Arbeit zu finden. Da er aber nicht weggehen wolle da er sehr "heimatverbunden" sei schule er gerade auf Fahrlehrer um. Allen Angeklagten war gemeinsam das sie, so sie vorher eine hatten (Dinse ist erst seit Juni 02 aus seiner ersten Haft entlassen) ihre Arbeit durch den Prozess verloren haben. Am Ende der Verhandlung fragte der Richter jeden der Angeklagten einzeln ob sie mit dem Verfassungsschutz oder Staatsschutz zusammengearbeitet hätten. Bis auf den Angeklagten Rackow, der die Aussage dazu verweigerte, antworteten alle Anglagten mit nein. Nächster Verhandlungstermin ist Mittwoch, 02.10.02; 9 Uhr Landgericht Dresden terminal |
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