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Eine eher persönliche Einladung zur Sommerakademie von attac vom 30. Juli bis 05. August in Dresden

Es gibt wunderschöne Ressentiments zu attac. Je tiefer ich in die Strukturen und Kommunikation der "Bewegung der Bewegungen" eintauche, desto mehr sehe ich diese Ressentiments bestätigt - und unbestätigt. Es gibt nahezu keine politische oder theoretische Position linksradikaler und linksreformistischer Bewegung, die in attac nicht angemessen vertreten wäre und umgekehrt auch eigentlich nichts aufregend spezielles in diesem Netzwerk. Die Debatten um attac strukturieren inzwischen längst als innere Kontroversen das Netzwerk.

Nichts Neues also: Es wäre nur zu schön entlastend, liessen sich die Vorwürfe des Ökonomismus, Bewegungsfetischismus und - opportunismus, Reformismus, der Theorieferne, der verkürzten Ökonomiekritik, der Volkstümelei und des moralischen Manierismus einfach so adressieren an, sagen wir mal attac, und schon ist alles gut. Ist eben nicht. Was sich vom 30. 7. bis 4.8. diesen Jahres auf der Sommerakademie in dieser Stadt präsentieren wird, scheint mir so weniger das Protokoll eines (semi)linken Organisationsversuches, als ein state of the art des Linksseins in Deutschland.

Über 200 Jahre nach der Französischen Revolution und eine Woche nach der BRN (resp. vier Wochen nach dem Pieschener Hafenfest) sind wir nicht wirklich so viel weiter gekommen. Der Kampf um Gerechtigkeit war bisher ein Schlag ins Kontor, wenn ich mir das Elend der Welt vor Augen führe und dabei sehe, mit was für Augen wir dieses Elend sehen. Die Steigerung ökonomischer Verflechtung und die Globalisierung des Kommunikationszusammenhanges haben (selbst in Deutschland) den Mief vom Himmel gezerrt unter dem wir unsere Autarkiealbträume zusammenspinnen konnten. Wir sind gnadenlos einem offenen Horizont ausgeliefert und keine UV-Schutzfaktor rettet uns davor. Kein neosozialdemokratisches Zurückkriechen in den Sozialstaat kann uns darüber hinwegtäuschen, dass dieser internationale Ungerechtigkeit eher zementiert, als aufgehoben hat. Die verschiedenen Versuche eine vermeintlich gerechtere Ökonomie durch Rückgriff auf eine emanzipatorisch gedachte Anthropologie herzustellen stehen mindestens vor dem Problem, dass mit solcher Erdung in Natur die Beerdigung von Gesellschaft verbunden ist. Die Denunziation verkürzter Ökonomiekritik beruhigt meine Seele nur wenig, wenn ich daran denke, was wir an "unverkürzter" zu bieten haben und wie kläglich der klassische Marxismus aussieht, wenn es um die Hegemonie der Mittelschichten geht. Das pöblige Vermöbeln von Bullen wird uns nicht dauerhaft vor der Erkenntnis schützen, dass es unsere Handlungen und Kommunikationen sind, durch die sich das System des Kapitalismus reproduziert. Die Kritik der Institutionen kann die Kritik des Pöbels nicht ersetzen und umgekehrt. Vergessen wir das, finden wir entweder uns auf der Seite des Faschismus wieder, oder die Nazis in unserer Demo. Sechs Milliarden Menschen sind Grund genug für eine solidarische Haltung, was nicht heisst, dass alles, was sich bewegt, solche Solidarität auch wert wäre...

Die Sommerakademie wird auf alle diese Fragen wohl nicht antworten. Gestatten wir uns eine gewisse Ratlosigkeit. Wir erwarten ungefähr tausend BesucherInnen. Vielleicht gibt es ja ein paar nette Begegnungen am Rande.

www.attac.de/sommerakademie2004


Roman

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