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Transformation der Erinnerung zum Zuschauen
Die neuen Histotainment-Event-Movies und die deutsche Identität

Mit dem Bedürfnis nach einer ungebrochenen nationalen Identität geht die Notwendigkeit eines positiven Bezugsrahmens einher und damit der Versuch ein Geschichtsbild zu etablieren, das vor allem unbelastet gen Zukunft schauen kann. So ist es das Interesse einer gegenwärtigen Geschichtsbetrachtung, deutsche Identität nicht mit Schuld und Täterschaft zu belasten, sondern diese über eine kollektive Leidensgemeinschaft zu generieren, die über die moralische Gleichsetzung aller Opfer hergestellt wird. In dieser Gleichsetzung schwingt die Forderung nach Anerkennung der 'eigenen' Leiden, insbesondere jener der Vertriebenen oder der von alliierten Bombardierungen Betroffenen, unverblümt mit.

Die Fokussierung auf "deutsche Opfer" im Erinnerungsdiskurs der vergangenen Jahre wurde nun auch medial umgesetzt. "Historien-Filme" wie "Dresden", "Die Flucht" oder "Gustloff" brachten die Kollektivsymbole deutschen Leidens für ein Millionenpublikum auf die Mattscheiben. Diese "event-movies" verbinden die dargestellten Fakten mit fiktiven Elementen und erzeugen so ein von der Realität abweichendes Geschichtsbild. Es nimmt jedoch aufgrund der Aufmachung volle Authentizität für sich in Anspruch. Sie offerieren ein Identifikationsangebot, das ganz im Einklang mit dem Bedürfnis nach einer ungebrochenen deutschen Identität, Unschuld und Leiden statt, statt die Auseinandersetzung mit deutscher Schuld zu enthalten. Damit sind diese Filme sowohl Ausdruck als auch Teil einer Transformation von Erinnerung. Es finden sich jene Mechanismen der Neuinterpretation deutscher Geschichte wieder, die im Erinnerungsdiskurs zunehmend an Bedeutung gewonnen haben. Zum einen das Konstrukt der geläuterten Nation, die aufgrund von selbst erfahrenem Leid und ausgiebiger Aufarbeitung aus der Geschichte gelernt habe. Zum anderen die Externalisierung, mittels welcher Schuld und Täterschaft auf eine über Hitler und seine Helfer kaum hinausgehende und nicht näher bezeichnete Gruppe von "bösen Nazis" projiziert wird. Die Etablierung einer positiven nationalen Identität wird durch die von diesen explizit unterschiedenen "normalen Deutschen" ermöglicht.

Insbesondere der Film "Dresden" setzt das neue geläuterte Deutschland in Szene. Immer wieder wird betont, dass die Bombardierung der Stadt eine Vorgeschichte im Nationalsozialismus hatte. Die Täterschaft wird zwar thematisiert, das Identifikationsangebot für die Zuschauer_innen ist jedoch die Opferrolle. Denn im entpolitisiert und enthistorisiert dargestellten "Feuersturm" werden Täter- und Opferkategorien irrelevant - schlussendlich müssen alle als Opfer der Bomben "büssen". Alle sind ihrem Schicksal wie einem Naturereignis ausgeliefert. Zentraler Mechanismus bei der Konstruktion dieses universalisierten Opferbegriffs ist die Trennung von dessen Konstitutionsbedingungen. Differenzen im Zustandekommen des Opferstatus sind hier nicht von Interesse. Die individuelle Geschichte wird von den gesellschaftlichen Zusammenhängen gelöst. Diese Entkonkretisierung schafft die Möglichkeit der Universalisierung des Opferbegriffs.

Zum Schluss verdeutlicht die Inszenierung der Bombardierung als Strafe das den gesamten Film strukturierende Bild: die Läuterung durch das "reinigende Feuer". Deutlich kommt hier der christliche Opferdiskurs zur Geltung, denn im religiösen Verständnis von Schuld, kann diese unabhängig von der Tat durch Busse abgegolten werden. Das religiöse Erlösungsversprechen wird im Film sinnbildlich eingelöst - Sühne durch Feuer. Das erlittene Leid sorgt für die innere Reinigung und ermöglicht so den unbeschwerten Neuanfang. Die Schlusssequenzen des Films, insbesondere die Eröffnung der wiedererrichteten Frauenkirche liefern das Identifikationsangebot für die Zuschauer_innen: die geläuterten Dresdner_innen als Vorbild neuer deutscher Identität. "Als ob Dresden Auschwitz abgegolten hätte" (Adorno).

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